Das Studio „Töne und Wörter“ produziert den Orchestersound von Musicals in den europäischen Metropolen

Musiker der Hamburger Sinfoniker kennen den Weg in Buchholzer Gewerbegebiet bestens. Hier betreibt René Türschmann, 30, das Tonstudio „Töne und Wörter“, das zum Broterwerb der Künstler beisteuert. Der Produzent und studierte Pianist nimmt gerade die Streicherarrangements für die Musicalproduktion „Die Schöne und das Biest“ in Paris auf.

Wer Musicaltheater in Mailand, Paris oder anderen europäischen Metropolen besucht, hört nicht selten Musik, die in dem Studio in der Nordheide entstanden ist. Mit einem speziell von dem Unternehmen Bureau B entwickelten Computerprogramm bringt René Türschmann die voluminösen Orchestersounds in Musicalproduktionen. Auch für „Sister Act“ in Mailand hat der Hamburger den Sound gemacht. „Wir nehmen in Buchholz die Streicher, Bratschen und Trompeten einzeln auf, packen sie in das Computerprogramm und installieren das vor Ort“, erklärt René Türschmann stark vereinfacht, wie die Musik transeuropäisch ins Musical kommt.

Schnell hat René Türschmann während seines Studiums an der Musikhochschule Hamburg begriffen, dass nur die wenigsten Musiker von ihrer Kunst leben können. Früh begann er damit, Arrangements zu machen, Musik zu produzieren. Er arbeitete als Tonmeister für verschiedene Orchester. Helene Fischer, Howard Carpendale und Joja Wendt haben mit ihm zusammengearbeitet.

„Ich bin von der Seite des Musikers, der gefressen wird, auf die Produzentenseite gewechselt“, sagt René Türschmann, der neben Musik auch Philosophie studiert hat. Als Produzent habe er die Möglichkeit, Einfluss zu nehmen. Zumindest steht der Produzent in der Nahrungskette eines Haifischbeckens über dem Musiker. Der 30 Jahre alte René Türschmann hat im Musikgeschäft seinen Platz gefunden. Und er ist gekommen, um zu bleiben.

Der Komponist Igor Stravinsky, der Jazz-Pianist Herbie Hancock und der Post-Dubstep-Poet James Blake haben eines gemeinsam - René Türschmann hört sie besonders gern. Die beachtliche Bandbreite seines Musikgeschmacks macht deutlich, das Genregrenzen ihn nicht scheren. Diese Eigenschaft ist wohl auch unerlässlich bei einer aktuellen Produktion, die in den Feuilletons für Furore sorgen dürfte: Türschmann durfte im Auftrag von Jean-Jaques Kravetz und dessen Stiftung „Entrée“ Richard Wagners Oper „Tannhäuser und der Sängerkrieg auf Wartburg“ zu einer Rock-Oper für Musiker aus Udo Lindenbergs Panikorchester umschreiben.

Am 13. September hat der rockige Tannhäuser im Rahmen des Konzertes „Kravetz & Friends“ Premiere. Schauplatz ist der Ort, der Richard Wagner im Jahr 1842 zu seiner romantischen Oper inspiriert hat: die Wartburg in Eisenach. Prominentestes Gesicht der Inszenierung ist Ben Becker, das Enfant terrible der deutschen Schauspielzunft. In der Rolle eines Kommentators wird er den verzweifelten Tannhäuser begleiten zwischen Wartburggesellschaft und rauschhafter Venuswelt.

Das prominente Umfeld in Eisenach wird René Türschmann nutzen, eine junge Sängerin aus Hamburg zu präsentieren. Silja Jönsson singt unter dem Künstlernamen Noloh Songs zu gewaltigen orchestralen Arrangements, die auf den Soundtrack eines jeden James-Bond-Filmes passen könnten. In Buchholz hat Türschmann die Arrangements mit Musikern der Hamburger Sinfoniker aufgenommen.

Eine unbekannte Künstlerin populär zu machen, sei heute schwieriger denn je, sagt René Türschmann. Seitdem das Internet den Konsumenten die Möglichkeit bietet, kostenlos Musik zu erwerben, scheuten die großen Musiklabels jedes Risiko. „Der Markt wird nicht mehr gefordert, er wird nur noch bedient“, sagt Türschmann. Musiklabels gäben Newcomers keine Möglichkeit zur Entwicklung. Das erste Album müsse gleich den Erfolg bringen.

Welche Marktchancen hat diese Mischung aus cinematischen Sound und Pop? „Wir hätten es leichter, würden wir Dance machen“, sagt Türschmann. Aber einfach ist offenbar nicht die Sache des Produzenten in Buchholz.

Sonst würde er wohl kaum, HipHop auf Spanisch produzieren. Die Hamburger Band Cuico mit einem chilenischen Rapper ist eine Produktion, die René Türschmann sich leistet. Mit einer elfköpfigen Band könne man keine Geld verdienen, sagt er und lächelt. Und genau diese Freude zeigt, worum es bei diesem Bandprojekt geht: „Wir machen das aus Spaß“, sagt er. Der Produzent greift bei dieser wilden Mischung aus Rap, Rock und Latin selbst in die Tasten und spielt das Keyboard. Die Band garantiert vielleicht nicht Wohlstand, aber zumindest Abenteuer: Auf Einladung des Staates durfte Cuico durch Kuba touren.