Warum die Lehrer der Handelsschule im Göhlbachtal die Fusion mit der Schule für Sozialpädagogik begrüßen

Eißendorf. Das Vibrieren der Baumaschinen ist bis ins Büro von Wolfgang Bruhn zu spüren. Der 61-Jährige ist Schulleiter der Staatlichen Handelsschule mit Wirtschaftsgymnasium (H 10) im Göhlbachtal und nebenan wächst mit jedem Tag jener Neubau, der bis spätestens 2016 auch die Staatliche Schule für Sozialpädagogik (W 5) in Heimfeld aufnehmen soll. Die geplante Fusion der beiden Berufsschulen verursacht derweil deutlich mehr Unruhe, als alle Arbeiten auf der Baustelle.

Vor allem die Lehrer der Schule für Sozialpädagogik am Alten Postweg begegnen der geplanten Verschmelzung mit viel Skepsis. „So verliert die W 5 nicht nur ihre Eigenständigkeit, sondern auch ihr Fachschulprofil und bekommt gänzlich andere Rahmenbedingungen, als sie nördlich der Elbe üblich sind“, sagt Schulleiter Eckhard Soost. Seine Kollegen befürchten überdies eine „Verwässerung“ und „Schwächung“ ihrer pädagogischen Arbeit und einen Abbau von Planstellen.

In einer schriftlichen Stellungnahme wird moniert, die Fusion werde der wachsenden Bedeutung des sozialpädagogischen Bereichs nicht gerecht. „Gerade Harburg mit seinem hohen Anteil an Familien und Jugendlichen mit großem Unterstützungsbedarf benötigt dringend gut ausgebildete sozial-pädagogische Fachkräfte“, heißt es in dem Schreiben. Zudem ziehe der Krippenausbau und die Einführung der Ganztagsschulen einen deutlich erhöhten Bedarf an Erziehern nach sich.

Wolfgang Bruhn und sein Stellvertreter Reimund Baumgart können die ablehnende Haltung vieler Heimfelder Kollegen trotzdem nicht nachvollziehen. „Ich akzeptiere die Vorbehalte, halte sie aber nicht für plausibel“, sagt Bruhn. Rein emotional seien viele Einwände verständlich, sie würden einer rationalen Beurteilung der Sachlage aber nicht standhalten.

Weil die Fusion auf dem Gelände der Handelsschule im Göhlbachtal erfolgen wird, sprechen viele Heimfelder Kollegen von einer Übernahme durch die H 10. „Diese Sichtweise ist aber grundfalsch“, so Reimund Baumgart, „wir sind doch nicht die Spinne im Netz“. Mit dem gemeinsamen Schulgelände beginne etwas völlig Neues, niemand wolle den anderen dominieren: „Im Gegenteil, der sozial-pädagogische Zweig wird sogar an Bedeutung gewinnen.“

Bruhn unterlegt das mit Zahlen. Zwar sollte eine Berufsschule laut internen Berechnungen des Hamburger Instituts für Berufliche Bildung (HIBB) im Idealfall rund 80 Vollzeitlehrerstellen haben. Doch der dem Abendblatt vorliegende Schulentwicklungsplan sieht für die Zeit nach der Fusion der beiden Harburger Schulen cirka 113 Stellen vor. „Momentan dürfte die W 5 um die 40 Vollzeitstellen haben, bei uns sind es 50. Ich gehe davon aus, dass sich dieses Verhältnis bis 2016 umkehren wird und dann bis zu 60 Stellen im sozialpädagogischen Bereich angesiedelt sind und 50 in der Handelsschule“, sagt Bruhn. In jedem Fall werde die Verteilung der Vollzeitstellen aber dem Bedarf in der jeweiligen Fachrichtung Rechnung tragen.

Dass Teile des Kollegiums der W 5 nun wieder die „alten ideologischen Grabenkämpfe“ zwischen Sozialpädagogen und Wirtschaftsfachleuten heraufbeschwören, kann Bruhn nicht verstehen. „Diesen Gegensatz gibt es so nicht mehr wirklich, sozialpädagogisches Denken ist uns alles andere als fremd“, sagt er. Vieler seiner H 10-Lehrer seien gar große Kritiker neoliberaler Positionen: „So weit, wie einige Heimfelder Kollegen glauben, sind wir gar nicht voneinander entfernt. Auch wir können mit schwierigen Schülern inzwischen ganz gut umgehen.“

Verwundert von der offenen Aversion gegen die Fusion im Kollegium der W 5 zeigt sich auch Andreas Schüler vom Personalrat der Handelsschule: „Wir sind frühzeitig auf die Heimfelder zugegangen und haben im Mai sogar gemeinsam ein Kennenlernfest organisiert.“ Dabei habe Schüler eine große Offenheit und sogar eine gewisse Neugier gespürt. „Ich schätze 50 bis 60 Prozent aller Heimfelder Lehrer war bei uns. Größere Ressentiments kamen kaum zum Ausdruck“, so Schüler. Er selbst habe die Kooperation immer als Bereicherung gesehen, nie als Gefahr.

Zumal es schon jetzt eine enge Zusammenarbeit gibt. So teilen sich beide Schulen mehrere Lehrer und auch Räumlichkeiten werden bereits jetzt gemeinsam genutzt. „Wir nehmen die Bedenken der Heimfelder aber trotzdem Ernst“, sagt Wolfgang Bruhn, der sein Pendant Eckhard Soost auch beim erfolgreichen Kampf um die Nachbesetzung von dessen lange vakanter Stellvertreterposition unterstützt hat. „Ich werde den Fusionsprozess von einem Moderator begleiten lassen“, sagt er. Bis 6. September können die Schulen noch ihre Stellungnahmen abgeben. Am 20. November soll der Schulentwicklungsplan dann vom Senat beschlossen werden.