64 Täuflinge haben sich am Sonntag an der Horster Mühle und mitten in der Seeve zu ihrem Glauben bekannt

Horst. Jürgen Pommerien sieht ein wenig aus wie Johannes der Täufer aus, wie er da barfuß und mit gerafftem Talar mitten in der Seeve steht. „Meine Täuflinge bitte zu mir kommen!“, ruft der Pastor des Winsener und Buchholzer Krankenhauses mit schallender Stimme. Auch an den anderen Taufstationen beißen die Pastoren die Zähne zusammen und gehen ins Wasser. Die Festgesellschaften folgen ihnen im Gänsemarsch und stellen sich der Reihe nach am Ufer auf. Sie werden ebenfalls ins äußerst kühle Nass hineinsteigen, hinein zu ihrem Pastor und zu einer Taufe, die sie wohl lange im Gedächtnis behalten werden.

Es war eine Veranstaltung der besonderen Art, die am gestrigen Sonntag am Fuße der Horster Mühle mehrere Hundert Besucher anlockte. Die vier evangelischen Kirchengemeinden Maschen, Bendestorf, Jesteburg und Ramelsloh hatten erstmals ein Tauffest unter freiem Himmel ausgerichtet, bei dem sich 64 Kinder, Jugendliche und Erwachsene mit dem Wasser der Seeve taufen ließen. An sechs Stationen standen die Pastoren Ann Margret Bär, Sabine Bokies, Ellen Kasper, Hans-Georg Wieberneit, Georg Stiller und Jürgen Pommerien in Gummistiefeln oder barfuß in den Fluten und ließen die Täuflinge zu sich kommen.

Unter den Mutigen, die sich von 14,1 Grad Celsius Wassertemperatur nicht schrecken ließen, waren auch Claudia Schwencke, 34, und ihr Mann Guido, 35. Sie hätten lange nach dem passenden Ort für die Taufe ihres Sohnes Lasse Paul, neun Monate, gesucht, sagt Claudia Schwencke. Zunächst hätten sie die Elbtaufe in Erwägung gezogen. Aber da schien es ihnen doch ein wenig zu groß. „Die Taufe an der Seeve ist zwar auch keine kleine Veranstaltung, aber irgendwie doch noch ein bisschen persönlicher.“

Dass Lasse – genauso wie seine zweijährige Schwester Lilli – getauft werden soll, stand für die Eltern von Anfang an fest. „Für uns bedeutet das, dass er danach von Gott behütet wird, mehr noch, als wir es jemals tun können“, sagt Claudia Schwencke. Nach der Veranstaltung an der Seeve wollen sie im Familienkreis mit zwölf Erwachsenen und fünf Kindern feiern, bei Kaffee und Würstchen im Garten.

Ob das bei dem Wetter tatsächlich wie geplant möglich war, könnte fraglich sein. Als der Taufgottesdienst etwa zur Hälfte herum ist, setzt Regen ein und die Besucher werden nicht nur von unten nass, sondern auch von oben. „Wir waren zwei Wochen an der Ostsee, das hat uns abgehärtet“, nimmt ein Mann das Ganze mit Humor. Uli Luckas, der Töchterchen Hanna auf dem Arm trägt, ist für die Taufe der Kinder von Freunden extra aus Berlin angereist und lässt sich ebenfalls vom Wetter nicht aus der Ruhe bringen. „Das ist mal eine ganz andere Taufe als sonst“, sagt er. Ins Wasser der Seeve hinein wollte er trotzdem nicht, er begnügt sich lieber mit einem Platz am sicheren Ufer. „Meine Frau ist Taufpatin, die ist mit reingegangen.“

Auch Sarah Sophia Banerjea und Julian Schulz haben keine Minute gezögert, sich von ihren Schuhen und Socken zu trennen. Getauft wurde ihre Tochter Felina Sofie Banerjea, die 14 Monate alte Urenkelin der Horster Küsterin Brunhilde Banerjea. „Anfang des Jahres hat meine Enkeltochter angefangen, sich über die Taufe ihrer Tochter Gedanken zu machen“, erzählt Brunhilde Banerjea, die selbst aber nicht in die Seeve gestiegen ist. „Erst wollten wir Felina im Michel taufen lassen. Das hat dann aber nicht geklappt“, sagt sie. Die Taufe an der Seeve wurde zur Alternative, die sie nicht bereuten. „Das war ein richtig schöner Augenblick im Wasser“, sagt Mutter Sarah Sophia Banerjea, als sie wieder trockene Füße hat. Sie sei sich sicher, dass Felina den besonderen Moment wahrgenommen habe.

Ihre Großmutter ist ebenfalls begeistert von der Atmosphäre an der Mühle. „Das Tauffest ist für Horst ein echtes Novum und hat einen sehr bodenständigen und ursprünglichen Charakter – fast vergleichbar mit der Taufe im Jordan, auch wenn die Seeve natürlich ein ganz anderer Fluss ist“, sagt Brunhilde Banerjea. Für sie persönlich besiegele die Taufe die Zugehörigkeit zu Gott. „Das ist wie ein Mantel, der einen ein Leben lang begleitet.“

Offen ist jetzt nur, ob das Tauffest an der Horster Mühle eine einmalige Aktion im Kirchenkreis Hittfeld bleibt oder sich zu einer regelmäßigen Veranstaltung entwickelt. „Wir müssen mal schauen, wie es weitergeht“, sagt Pastor Jürgen Pommerien. Er selbst habe nicht gezögert mitzumachen, sondern gleich große Lust gehabt. „Hier ist ein wunderbarer Ort und die Taufe ist hier viel ursprünglicher.“ Bereits im Vorfeld war Pastor Ann Margaret Bär überrascht gewesen, dass so ein großes Interesse an der Veranstaltung besteht. „Damit hatten wir gar nicht gerechnet.“ Pastorin Bär war es auch, die von Seevetaler Familien als erstes angesprochen wurde, ob man nicht mal ein solches Fest ausrichten könne.