Der 65-Jährige, der seit elf Jahren Sterbende begleitet, ist zum Bürgerfest des Bundespräsidenten eingeladen

Todtglüsingen. Rolf Klasing, 65, gehört zu den Menschen, die gerne geben. Er gibt Sterbenden das, was sie sich für ihre letzten Stunden wünschen, ist für sie da, bis sie nicht mehr atmen und spendet Angehörigen Trost. Seit elf Jahren begleitet der pensionierte Polizist aus Todtglüsingen Sterbende bis in den Tod. Zudem engagiert er sich seit 1997 in der Freiwilligen Feuerwehr Todtglüsingen. Dennoch, erzählte seine Frau Gisela Klasing, sagt er über sich selbst: „Ich bin nicht wichtig.“

Eben weil er sich und sein Handeln nie in den Vordergrund stellt, hat sich Tostedts Samtgemeindebürgermeister Dirk Bostelmann dafür eingesetzt, dass Rolf Klasing am Bürgerfest des Bundespräsidenten Joachim Gauck teilnehmen kann. „Rolf Klasing ist ein sehr hilfsbereiter, stark engagierter Mensch, der sich nie nach vorne drängt“, sagt Bostelmann. Und jetzt ist Rolf Klasing einer von rund 4000 Menschen, die der Bundespräsident für Freitag, 30.August, zum Bürgerfest in den Park vom Schloss Bellevue eingeladen hat, um so ihr ehrenamtliches Engagement zu würdigen.

Als der Brief aus Berlin vor einigen Wochen eintrudelte, dachte Rolf Klasing, es sei ein Scherz. Es wäre nicht das erste Mal gewesen, dass Freunde ihn auf den Arm genommen hätten. Doch die Bundesadler-Prägung auf dem Umschlag sah verdächtig echt aus. Ein Anruf in Berlin brachte schnell Klarheit. „Ich freue mich natürlich, dass meine Arbeit gewürdigt wird“, sagte Rolf Klasing, betonte aber, bescheiden wie er ist, dass er nur ein Teil der Hospizgruppe sei, die inzwischen 30 Ehrenamtliche umfasse.

Neben elf Frauen war er allerdings der Mann der ersten Stunde, als die ambulante Hospizgruppe Tostedt 2002 gegründet wurde. Ein Einsatz aus seiner Polizistentätigkeit vor mehreren Jahren, zu dem er gerufen worden war, hatte den Anlass dazu gegeben. Ein älterer Mann war gestürzt, und der Notarzt, der damals im Dienst gewesen war, hatte erkannt, dass der Mann nicht mehr lange leben würde und sich aus seinem Dienst ausgeklinkt, um sich um den sterbenden Mann zu kümmern. „Das fand ich faszinierend.“

Als Mann schwer kranke Menschen bis in den Tod zu betreuen, war damals ein Novum und blieb es auch lange Zeit. Acht Jahre lang war Rolf Klasing der einzige Mann unter den Sterbebegleiterin im Landkreis Harburg. Damit hatte seine erste Sterbende, eine Dame im hohen Alter, so ihre Schwierigkeiten. Es brauchte ein bisschen, bis er ihr Vertrauen gewonnen hatte. „Sie sind ein Mann. Was wollen sie hier?“, habe die Frau gesagt, so Rolf Klasing. Am Ende hatte sie ihn jedoch so sehr ins Herz geschlossen, dass sie ihn als Alleinerben einsetzen wollte.

Vielleicht lag es an seinem Grundsatz, an dem er immer fest hält: „Der Sterbende hat Recht. Alles, was er möchte, versuchen wir auch möglich zu machen.“ Selbst eine Abschiedsfeier, die sich ein 49-Jähriger, der schwer an Krebs erkrankt war, sehnlichst gewünscht hatte, stellte er auf die Beine. Er beschaffte Bierzelt, Sitzgarnitur und Grill. Bis heute sind die Eltern ihm dankbar für sein Engagement, und zwischen ihnen und den Klasings hat sich ein herzliches Verhältnis entwickelt. „Die regelmäßigen, meist wöchentlichen Besuche, waren für unseren Sohn immer etwas Besonderes“, schrieben die Eltern später in einem offenen Gemeindebrief. „Vor allem die guten Gespräche und die einfühlsame Anteilnahme hat er sehr geschätzt und immer dankbar angenommen.“

Für den Abschied hat Rolf Klasing ein festes Ritual. Er öffnet das Fenster, damit die Seele entweichen kann, betet und segnet den Verstorbenen, wenn möglich, zusammen mit den Angehörigen. Jede Sterbebegleitung ist für ihn eine Beziehung. Und im eigenen Umgang mit dem Tod hält er es mit diesem Spruch, den er gerne zitiert: „Der Tod kann ein Leben beenden, aber keine Beziehung.“

Rolf und Gisela Klasing sind gespannt, was sie in Berlin erwartet. Und ihre vier Kinder finden: „Endlich hat’s mal den Richtigen getroffen.“