Kunstverein Buchholz präsentiert Bildhauer Gregor Gaida, dessen Werk eine unverwechselbare Handschrift zeigt

Eine das Establishment provozierende Episode kann das Fortkommen eines Künstlers beflügeln. Wer dem Bremer Bildhauer Gregor Gaida begegnet, mag sich kaum vorstellen, dass dieser höfliche und sich wohlartikulierende Mensch das Zeug zum Skandal hat. Tatsächlich aber hat der 38-Jährige eine meterlange Rille in den Boden der früheren Klosterkirche in Osnabrück , der Kunsthalle der Stadt, gefräst, weil das Teil seiner Skulptur „Attaboys“ ist. Bei dem gekonnt inszenierten Skandal spielt es keine Rolle, dass er dabei lediglich neu angefertigte Bodenplatten beschädigt hat. Die denkmalgeschützten Platten wurden zuvor ausgetauscht und nach der Ausstellung wieder eingefügt.

Den Boden im Ausstellungsraum des Kunstvereins Buchholz hat Gregor Gaida nicht einmal angeritzt. In seiner Einzelausstellung mit dem Titel „Poly-

exus“ zeigt er eine ältere Fassung seiner „Attaboys“. Die „Kind und Kreide“ genannte Skulptur ist aber nicht weniger spannend. Wie bei den „Attaboys“ hocken zwei Jungen, deren Gesichter Kapuzen bedecken, auf dem Boden. Sie schlitzen aber gewaltsam nicht den Fußboden auf, sondern ziehen wie in einem Spiel gemeinsam mit Kreide einen Strich auf den Boden.

Dadurch, dass der Künstler den beiden Jungen eine Kapuze aufgesetzt hat, erhöht er die emotionale Wirkung auf den Betrachter. „Oft bücken sich die Leute und schauen unter die Kapuzen, ob die Figuren ein Gesicht haben“, sagt Gregor Gaida und schmunzelt. An „Kind und Kreide“ zeigt sich ein wesentliches Element seiner Kunst: die Spiegelung, die geometrisch astreine Duplikation. Die beiden Jungen sind spiegelbildlich aufeinander bezogen. Die Kreidelinie sei die eigentliche Arbeit, sagt Gregor Gaida und dürfte damit überraschen. Die harmonisch wirkende Linie hat auch etwas Trennendes. Wohl deshalb auch sagt der Künstler „Für mich ist diese Arbeit bissig.“

Auf den ersten Blick bissig sind vor allem die Biester, die Gregor Gaida erschafft. Er setzt Körperteile von bekannten Tieren wie Vögeln, Ratten und Hunden neu zusammen und formt Kreaturen abseits der Wirklichkeit. dabei ist er kein Frankenstein der Bildhauerei: Gregor Gaida wählt aus einem Körperteil ein bestimmtes Teilstück aus und dupliziert das Fragment so oft hinzu, bis sich wieder ein geschlossenes Ganzes ergibt: ein fantastisches Fabelwesen, das einem irgendwie doch vertraut vorkommt.

Und da ist sie wieder, die Geometrie, die Gaida so sehr liebt. „Meine Arbeiten sind sehr exakt“, sagt er. Die Geometrie ist es, die seinen Biestern gleichzeitig eine gewaltige Ästhetik verleiht. Schöne Monster eben. „Mit ist wichtig , dass meine Kunst beim Betrachter zwei widersprüchliche Emotionen erweckt“, sagt Gregor Gaida, der von sich selbst sagt, harmoniesüchtig zu sein.

Die künstlerische Sprache, geometrische Elemente mit Lebewesen zu verbinden, sei einzigartig, sagt Sven Nommensen. Der Vorsitzende des Kunstvereins und Kurator der Ausstellung bescheinigt Gregor Gaida eine unverwechselbare Handschrift. Nur die Surrealisten vor 120 Jahren hätten diesen „Kick“ gehabt wie heute der Bremer, etwas Absurdes zu schaffen.

Aber verbunden mit mathematischer Präzision habe es so etwas noch nicht gegeben. Möglicherweise entwickelte der in Polen geborene Künstler diese unverwechselbare Handschrift, weil er erst vergleichsweise spät im Alter von 27 Jahren das Kunststudium aufgenommen hat.

„Bei uns zu Hause hing kein Bild an der Wand“, sagt Gregor Gaida. Er habe sich den Zugang zur Kunst selbst erarbeitet. Seine Mutter sei stolz auf ihn, sagt er, und man spürt, dass ihn das freut. Gaida arbeitet viel am Computer. Er zeichnet keine Skizzen auf Papier. Der Bildhauer hat zusammen mit anderen Künstlern in Bremen eine 300 Quadratmeter große Atelierhalle gemietet. Für seine Kunst aus Holz und Aluminium benötigt er zusätzlich einen 120 Meter großen Maschinen- und Materialpark.

Nur wenigen gelingt es, dauerhaft von der bildenden Kunst zu leben. Gregor Gaida hat eine Stufe erreicht, die viele Künstler nie erklimmen. Er hat zwei Galeristen, die ihn betreuen: die Galerie Parrotta in Stuttgart und die Galerie Alexander Ochs, die ihn in Berlin und Peking vermarktet.

Sven Nommensen erwartet die geometrisch schönen Biester Gaidas bald in größeren Ausstellungshäusern. Auch ein Jonathan Meese habe seine erste Ausstellung in Freiburg an der Elbe gehabt. Dieser Hinweis zeigt, dass Nommensen dem Bremer offenbar viel zutraut. Der Kunstverein Buchholz freue sich jedenfalls, Gregor Gaida noch präsentieren zu dürfen.

Gregor Gaida, selbst so gar nicht Biest, gibt das Kompliment höflich zurück. Ihm bedeute die eigene Ausstellung im Kunstverein sehr viel: „Die Einzelausstellung ist etwas Besonderes für einen Künstler.“ Erst wenn er seine Exponate zusammen sehe, sagt Gregor Gaida, fange er zu verstehen an, was er mache und das es einen Sinn ergebe.

Gregor Gaida: „Polyexus“, Kunstverein Buchholz, Kirchenstraße 6, bis 8. September, Öffnungszeiten: Dienstag bis Freitag 16 bis 18 Uhr, Sonnabend und Sonntag 11- 17 Uhr.