Das Elektronikfachgeschäft an der Stader Straße gibt auf. 50 Prozent des Warenbestands sind bereits verkauft

Heimfeld. Die Endzeitstimmung ist schon deutlich spürbar. Präsentierte sich das Elektronikfachgeschäft Marquardt an der Stader Straße 136 von jeher gut sortiert, so werden die Angebotslücken jetzt mit jedem Tag größer. Seit 8. August tobt hier der Räumungsverkauf mit Preisnachlässen von bis zu 20 Prozent. Obwohl seitdem noch nicht mal eine Woche vergangen ist, sind bereits 50 Prozent des gesamten Warenbestands verkauft. Ende August muss alles raus sein, dann wird die traditionsreiche Harburger Firma ihre Pforten für immer schließen.

„Ist schon ein seltsames Gefühl“, sagt Geschäftsführer Oliver Krüger, 48. Immerhin habe sich das 1927 am Großen Schippsee gegründete Familienunternehmen trotz wachsenden Konkurrenzdrucks durch Großmärkte wie Media-Markt und Saturn und eines sich rasant wandelnden Käuferverhaltens 86 Jahre behauptet. „Doch in den vergangenen Monaten ist immer deutlicher geworden, dass man mit solch einem Ladengeschäft wirtschaftlich nicht überleben kann. Fachgeschäfte wie wir sind zu Ausputzern dessen geworden, was der Online-Handel übrig lässt“, sagt Krüger mit bitterem Unterton. Deshalb seien sie in der heutigen Zeit kein Geschäftsmodell mehr.

Zwei seiner zuletzt noch sechs Angestellten sind schon weg, die anderen vier verlieren Ende des Monats ihren Job. Dass Marquardt mal mehr als 20 Mitarbeiter an zwei Standorten beschäftigte, erfüllt Krüger mit Wehmut: „Aber wir reden hier über eine Branche, die sich so rasant verändert hat, wie kaum eine andere.“ Es tobt ein gnadenloser Kampf um Marktanteile, längst gibt es ein Überangebot an Waren, egal in welcher Sparte. Die einzelnen Produkte entwerten sich durch Neuentwicklungen und Überproduktionen immer schneller. „Ein Bewusstsein für die Werthaltigkeit seiner Waren zu entwickeln, hat die Elektronikbranche leider nie geschafft“, so Krüger.

Dennoch ließ der Diplomkaufmann nichts unversucht, das Überleben des Familienunternehmens zu sichern, das er von seinem Stiefvater Thomas Marquardt, Sohn des Firmengründers Hermann Otto Marquardt, übernahm. Erst im Oktober des Vorjahres verpasste er dem gesamten Geschäft einen neuen „Anstrich“. Das Logo der Einkaufsgenossenschaft Euronics, die 11.000 Händler in 25 Ländern repräsentiert verschwand, dafür firmierte Marquardt unter dem Label media@home. „Wir wollten nicht mehr als Teil eines Filialsystems wahrgenommen werden, sondern unsere Konzentration auf hochwertige Produkte und individuelle Beratung kommunizieren“, sagt Krüger.

Der Imagewandel bescherte Marquardt zwar etliche neue Kunden, das Fachgeschäft verlor aber auch einige. Nach dem Zwischenhoch im ersten Halbjahr 2012 durch die Fußball-Europameisterschaft sowie die Abschaltung des analogen Fernsehens und den damit verbundenen Zwang zur Umrüstung der TV-Technik wurde klar, dass sich vor allem Beratung und Dienstleistungen immer schwerer verkaufen lassen. „Könnten wir für jede Kundenfrage fünf Euro kassieren, wäre alles gut“, so Krüger. Allerdings werde der Amazon-Bewertung eines Geräts durch irgendeinen Nutzer inzwischen oft mehr Beachtung geschenkt, als der Aussage eines Fachverkäufers. Nicht einmal Liefer- und Installationsservice wollten viele Kunden noch angemessen bezahlen.

So sieht Krüger nicht nur den Elektronikfachhandel zunehmend unter Druck: „Wenn sich die Veränderungen im aktuellen Tempo fortsetzen, werden auch die Großmärkte große Probleme bekommen – so sie die nicht längst haben. Außer großen Showrooms a’ la Apple wird dann nicht mehr viel übrigbleiben, der eigentliche Kauf wird sich mehr und mehr ins Internet verlagern.“ In den Niederlanden spielt sich der Elektronikhandel schon jetzt zu 30 Prozent online ab, Tendenz steigend.

Was das für die Innenstädte bedeutet, ist bereits heute vielerorts zu besichtigen – auch in Harburg. Bestes Beispiel ist die Lüneburger Straße, die in den vergangenen Monaten zunehmend attraktive Geschäfte verlor. Beschleunigt wird diese Tendenz zudem durch Einkaufszentren wie das Phoenix-Center. Deshalb müssten sich Fußgängerzonen grundsätzlich neu orientieren, sagt Krüger: „Dass Geschäftsleute wie Klaus-Jürgen Hübner den Fokus auf studentisches Wohnen gerichtet haben, kann ein Weg sein.“ Wenn in der Folge auch mehr Augenmerk auf gastronomische Angebote gerichtet werde, könne eine Neubelebung gelingen.

Auch Oliver Krüger wird an den früheren Standort der Marquardt-Filiale zurückkehren. Allerdings nur, um von einem Büro dort noch für ein Jahr Kunden zu betreuen, die bei Neubauvorhaben Beratung bei der Platzierung und Installation technischer Geräte benötigen. „Erst wenn auch dieses Geschäftsmodell auf Dauer nicht funktionieren sollte, werde ich mich gänzlich neu orientieren.“