Lokale Nachrichten im digitalen Zeitalter bleiben gefragt. Die Medienlandschaft kommt in Bewegung

Harburg. „Ich bin von meinen Kollegen oft beneidet worden“, sagt Prof. Dr. Rainer Maria Weiss, Vorstand des Archäologischen Museums Hamburg. Zwei Tageszeitungen und zwei Anzeigenblätter verbreiten lokale Nachrichten. Welches andere Museum in Hamburg erhält schon so viel Aufmerksamkeit wie die beiden im Bezirk Harburg angesiedelten Museen, neben dem Archäologischen Museum auch das stadtgeschichtliche Helms Museum? Und Harburgs Bezirksamtsleiter Thomas Völsch merkte an, dass einige Mitarbeiter im Rathaus oder auch in der lokalen Politik sogar schon der Ansicht waren, zu sehr unter Kontrolle der Presse zu stehen.

Das Hamburger Abendblatt hatte Entscheidungsträger aus der südlichen Hamburger Metropolregion wegen der laufenden Veränderungen im regionalen Tageszeitungsbereich zu einem Gedankenaustausch ins Privathotel Lindtner nach Heimfeld eingeladen. Lars Haider, Chefredakteur des Hamburger Abendblatts, sieht im Journalismus den Garanten für den Fortbestand der Demokratie und er erklärte: „Wenn Journalismus nur noch als Ware angesehen wird, dann wird er sterben. Blogs und Facebook schaffen keinen Ersatz für journalistische Arbeit. Was würde passieren, wenn niemand mehr über die Bezirksversammlung berichtete? Es würde zur Erosion der Mitbestimmung führen.“

In Harburg endet am 30. September die Ära der Lokalzeitung Harburger Anzeigen und Nachrichten, kurz HAN, nach 169 Jahren. Das Hamburger Abendblatt, das wie berichtet zum Anfang des kommenden Jahres zusammen mit weiteren Print-Objekten vom Verlagshaus Axel Springer an die Funke Mediengruppe verkauft werden soll, wird in Zukunft verstärkt aus der südlichen Metropolregion – mit Schwerpunkt auf Bezirk und Landkreis Harburg – berichten. Das Abendblatt will sich in der Südregion auch auf der Titelseite verstärkt mit lokalen Nachrichten präsentieren.

Bezirksamtsleiter Thomas Völsch sagt, er würde sich mit seinem Tablet PC bereits vor Dienstbeginn die neuesten Nachrichten verschiedener Zeitungen ansehen. Im Rathaus schaue er in die gedruckten regionalen Tageszeitungen. Heinz Lüers, Vorstand der Sparkasse Harburg Buxtehude, sagt, dass er ebenfalls Nachrichten aus dem Internet beziehe und einen Teil aus den Regionalzeitungen. Er hofft, dass künftig mehr aus der Region berichtet wird, auch in der Gesamtausgabe des Abendblatts. Lüers: „Wir sind natürlich auch an den Werbemöglichkeiten interessiert“, sagt er. Bauunternehmer Arne Weber, Entwickler des Immobilienprojekts Channel Hamburg im Binnenhafen Harburg, bedauert das Ende der HAN: „Wo werden die Familienanzeigen künftig zu finden sein?“, fragt er. Wie Weber machten auch andere Gäste deutlich, dass sie gebürtige Harburger sind. Prof. Dr. Rolf Wiese, Direktor des Freilichtmuseums Kiekeberg, wertete dies als Bekenntnis zur Heimat. Nachrichten aus der Nachbarschaft würden immer einen hohen Stellenwert haben.

Wilfried Geiger, Bürgermeister von Buchholz, sagt: „Wir wollen wissen, was im Dorf, in der Stadt im Landkreis los ist. Da erwarte ich einfach mehr als bisher.“ Auch Andreas Schmidt, Sprecher der Gemeinde Seevetal, wünscht sich mehr. „Für Nachrichten aus der Region, zwischen Balje im Westen und dem Amt Neuhaus im Osten reichen vier Seiten nicht aus“, meint er. Wilfried Seyer, Wirtschaftsförderungs GmbH im Landkreis Harburg, erwartet, dass das Abendblatt in Zukunft mehr Themen aus Niedersachsen bringt. Er weist auf den Generationswandel hin: Seine Kinder zum Beispiel leben in der Stadt, fahren kein Auto, informieren sich im Internet und schauen dort auch TV. Zeitungen haben sie nicht.

Gert Thies-Lembcke, Hotel Lindtner sagt: „Zeitungen sollen zeitnah über lokales Geschehen berichten. Da gab es Versäumnisse.“ Carsten Matthies, Gartenfachzentrum Seevetal, ergänzt: „Guter Journalismus ist für mich wichtig.“ Michael Gögel, Erster Patron der Schützengilde wünschte sich mehr Nachrichten aus den Vereinen. Frank Ilse, Leiter der Abendblatt-Redaktion Harburg & Umland versprach: „Wir werden präsenter sein.“