Harburger Linkspartei berät junge Menschen ohne Job und Wohnung und zeigt ihnen Wege zurück ins System. Etwa 80 Jugendliche unter 25 im Bezirk Harburg sollen ohne festen Wohnsitz sein.

Harburg. Nach aktuellen Schätzungen leben im Bezirk Harburg rund 80 Jugendliche unter 25 Jahren ohne festen Wohnsitz. Die Dunkelziffer dürfte weit höher liegen. Da sie zumeist bei Freunden oder Verwandten immer wieder für ein paar Tage unterkämen, so Jörn Lohmann, "erfüllen sie in der Regel nicht das typische Bild des Obdachlosen, sind es aber de facto". Sie sind nicht nur ohne eigenes Dach über dem Kopf, diese Jugendlichen sind in der Regel auch durch alle Raster des Sozialstaates gefallen.

"Sie bewegen sich in einem Teufelskreis, aus dem sie ohne Hilfe nicht mehr heraus kommen. Und was diese Jugendlichen zuerst mal brauchen, ist psychologische Hilfe, ist die Hilfe dabei, überhaupt wieder ins System der Jobcenter oder Jugendberufsagenturen hinein zu kommen", sagt Lohmann, der im Fraktionsbüro der Linken einen Vormittag in der Woche genau diese Jugendlichen berät und ihnen in ihrer Not erste Hilfe anbieten kann.

Lohmanns Kritik: Die Mitarbeiter der Jobcenter und der Jugendberufsagentur seien zum einen gehalten, Geld zu sparen. Zum anderen würden ihre Angebote und Sanktionen genau bei diesen Jugendlichen nicht greifen und lediglich abschrecken. "Wir sprechen hier von jungen Menschen, die familiäre und psychische Probleme haben, die erst gelöst werden müssen, bevor sie überhaupt daran denken können, eine Ausbildung anzufangen", so Lohmann. Und wer keine Meldeadresse habe, brauche sich gar nicht erst auf die Suche nach einer Arbeit zu machen. Ohne Arbeitsvertrag aber bekomme niemand eine Wohnung.

Lohmanns Beratung ist kostenlos. Er droht weder mit Sanktionen, noch will er den Jugendlichen oberlehrerhaft erklären, wie sie ihr Leben zu führen hätten. Aber sie kommen freiwillig in das kleine Beratungsbüro in der Julius-Ludowieg-Straße. "Zu mir kommen oft Jugendliche, die sie beim Jobcenter oder bei der Jugendberufsagentur weg geschickt haben", sagt Lohmann. Um sich für seine Beratungstätigkeit auf dem Laufenden zu halten, nimmt der gelernte Industriekaufmann kontinuierlich an Schulungen teil. Zudem kann er auf einen Beraterstamm aus Juristen zurückgreifen. "Zu mir kam eine junge Frau, die zu Hause rausgeflogen und bei Freunden untergekommen war. Das Jobcenter hat sie weggeschickt. Dort sagte man ihr, sie müsse zum Jugendamt gehen", schildert Jörn Lohmann einen seiner Fälle Zum Jugendamt sei er mitgegangen, weil das Mädchen schon da entmutigt gewesen sei. Auch das Jugendamt wollte nicht zuständig sein "und schickte uns zur Jugendberufsagentur. Auch dort hat man sie gleich wieder weggeschickt. Erst bei der nächsten Station hat sie dann Geld bekommen", sagt Lohmann. Das sei ein schlimmes Beispiel, andererseits könne er vielen Jugendlichen helfen, wenn er sie begleite. Jobcenter und Jugendberufsagentur nennt Lohmann aus seiner Erfahrung heraus "Leistungsvermeidungsanstalten".

Das Problem, sagt Sabine Boeddinghaus, stellvertretende Fraktionschefin der Linken in der Harburger Bezirksversammlung, sei auch, dass der Bezirk eigentlich für solche Jugendlichen Geld aus dem Topf "Sozialräumliche Hilfen und Angebote" ausgeben könnte, aber der Topf sei inzwischen leer. "Mit dem Geld hat der Bezirk die Kürzungen in der Jugendhilfe kompensiert. Damit geht die eigentliche Zielgruppe dieses Topfes mal wieder leer aus", so Boeddinghaus. Und die Wohnungsnot sei ein ganz großes Problem unter diesen Jugendlichen.

Jörn Lohmann erzählt von mehreren Fällen, in denen Jugendlichen im Jobcenter los geschickt würden, sie sollten sich erst eine Wohnung suchen. "Wenn sie dann tatsächlich, trotz Wohnungsnot, trotz hoher Mieten, geschafft hätten, einen Mietvertrag zu bekommen und damit zum Jobcenter zurück gehen, heißt es dort, es werde nichts dazu gezahlt. Die Jugendlichen hätten den Mietvertrag vom Jobcenter genehmigen lassen müssen, bevor sie ihn unterschreiben. Darüber hat sie aber vorher niemand aufgeklärt", sagt Lohmann.

Es seien viele junge schwangere Frauen, die ihn in seiner Beratungsstelle aufsuchten, sagt er. Die Zahl der Jugendlichen, so Lohmann, die in diesen Einrichtungen schon gescheitert seien, sei kaum zu beziffern. Und ein Hilfssystem mit Sanktionen aufzubauen, sei kontraproduktiv.