Architektenwettbewerb zeigt auch Entwurf für Gestaltung des Veddeler Markts. Die Wettbewerbsideen könnten Wirklichkeit werden, sollte die Freie und Hansestadt sie vorantreiben.

Veddel /Kleiner Grasbrook. Die "Alster des Südens" hat Olaf Scholz euphorisch den Spreehafen genannt, als Hamburgs Erster Bürgermeister dort im Januar mit dem Schneidbrenner den Abriss des Zollzauns einleitete. Wie der nach 110 Jahren neu gewonnne Zugang zum Wasser im Norden Wilhelmsburgs gestaltet werden könnte, zeigt jetzt zum ersten Mal der Gewinnerentwurf eines gemeinsamen städteplanerischen Wettbewerbs von Internationaler Bauausstellung und des Landesbetriebs Straßen, Brücken und Gewässer (LSBG): Das Hamburger Büro des Netzwerkes Studio Urbane Landschaften hat sich eine gewaltige, zwei Kilometer Sitzbank ausgedacht.

Aus dem Wettbewerb ist zudem eine Vision zur Wiederbelebung des Veddeler Marktes, heute nur noch eine Ortsbezeichnung, hervorgegangen. Ein Entwurf aus Rotterdam sieht vor, Hamburgs verloren gegangenen Kiez als Markplatz mit Geschäften und Ateliers wieder auferstehen zu lassen. "Die Wettbewerbsentwürfe sollen einfach mal zeigen, welche Chancen die beiden Orte haben", sagt Rainer Müller, Sprecher der Internationalen Bauausstellung Hamburg (IBA). Der Zeitpunkt der Veröffentlichung ist bewusst gewählt: Im Jahr 2016 wird der LSBG den Klütjenfelder Hauptdeich am Spreehafen und den Deich "Veddel Nord" um 1,20 Meter erhöhen. Wenn der LSBG die Ufer zur Baustelle macht, so die Idee, könnten doch stadtplanerische Ziele auch gleich verwirklicht werden.

15 stimmberechtigte Mitglieder haben der Jury angehört. Mit den verschiedenen Wettbewerbsentwürfen haben sich Hamburgs Oberbaudirektor Jörn Walter, Vertreter des Landesbetriebs Straßen, Brücken und Gewässer, der Hamburg Port Authority, aber auch ein Verkehrsexperte der Universität Kaiserslautern und Bürger der Elbinseln, der Wilhelmsburger Stadtteilbeiratsvorsitzende Lutz Cassel und der SPD-Bezirksversammlungsabgeordnete Klaus Lübke befasst. Am Ende gab es zwei Sieger: den Entwurf des Studios Urbane Landschaften für den Spreehafen und den Vorschlag des Planungsbüros West 8 aus Rotterdam.

Vermutlich Hamburgs längste Deichbank stellt sich das Studio Urbane Landschaften als architektonischen Clou für die "neue Wilhelmsburger Waterkant im Hafenland" vor. Die zwei Kilometer lange Sitzgelegenheit dient dabei gleichzeitig dem Hochwasserschutz, weil sie den Deich befestigt. Das Sitzbauwerk integriert das, was ein Uferpark noch so braucht: Beleuchtung, Abfalleimer, Sitzauflagen und Lehnen. Der Siegerentwurf sieht am Spreehafen noch eine viereinhalb Meter breite Uferpromenade vor. Auf glattem, strukturiertem Asphaltbelag sollen dort Skater, Inliner, und Fahrradfahrer ordentlich Fahrt aufnehmen können.

Weiter schlagen die Planer vor, dass eine Schafherde an der "Alster des Südens" dauerhaft weidet. Die Begegnung mit Schafen mitten in der Stadt stelle ein besonderes Erlebnis dar, heißt es in dem Entwurf.

Der Norden der Veddel ist heute ein unwirtlicher Ort, geprägt von dem inzwischen aufgegebenen Zollamt, Auto-Schienen- und Schifffahrtsverkehr. Der Veddeler Marktplatz existiert als solcher nicht mehr, ist nur noch ein Ortsname. Nur die Veddeler Fischgaststätte an der Tunnelstraße, beinahe jeder Hamburg-Reiseführer erwähnt das Kult-Lokal, erinnert daran, dass der Veddeler Marktplatz bis vor 70 Jahren einmal eine Ausgehmeile für das Quartier gewesen ist.

Restaurants, Tanzlokale und Varietés gab es im Norden der Veddel - manche behaupten sogar mehr als auf St. Pauli. Dem Planungsbüro West 8 schwebt zwar nicht die Auferstehung des Kiez bei den Elbbrücken vor. Aber den verlorenen Veddeler Markt möchten die Stadtplaner neu erfinden. Als Marktplatz mit Stadtteilfunktionen könne das Quartier aus seiner isolierten Lage befreit werden. Das Büro West 8 schlägt eine Bebauung vor, die Läden, ein Ärztezentrum, Künstlerateliers, einen Kindergarten, Restaurants und ein Hotel um den Marktplatz gruppiert. Irgendwo in dem Ensemble soll auch die Veddeler Fischgaststätte ihren Platz haben.

Die Wettbewerbsideen könnten Wirklichkeit werden, sollte die Freie und Hansestadt sie vorantreiben. Denkbar wäre, dass die Behörde für Stadtentwicklung und er Bezirk Mitte die Grundidee aufgreifen und in ihren Planungen konkretisieren. Während die zwei Kilometer lange Sitzbank im Spreehafen in einem Atemzug mir der Deicherhöhung im Jahr 2016 realisiert werden könnte, gilt die Wiederbelebung des Veddeler Marktes eher als unwahrscheinlich. Ein Investor müsste gefunden werden. Und das Quartier an einem Ende der HafenCity ist bei der Hafenwirtschaft als Lkw-Parkplatz oder Containerlager begehrt. "Aber wer", gibt IBA-Sprecher Rainer Müller zu bedenken, "will von der HafenCity aus auf Lkw schauen?"