Im Welt-Gewerbehof in Wilhelmsburg finden 35 kleine Firmen Platz. Die Miete ist dort günstiger als im übrigen Hamburg.

Wilhelmsburg. Ein 1400 Quadratmeter großes Dach aus lichtdurchlässigem Polycarbonat wird sich im September schützend in acht Meter Höhe über den Welt-Gewerbehof in Wilhelmsburg legen. Die futuristisch anmutende Dachkonstruktion könnte Symbol sein für eine Funktion des Gebäude-Ensembles, die Soziologen und Stadtplaner brennend interessiert: Dem Gewerbehof für Existenzgründer und Kleinbetriebe wohnt die Idee inne, wirksame Bastion gegen das Gespenst der Gentrifizierung zu sein. Der lokal ökonomische Mikrokosmos mit 35 Betrieben soll mit seiner Eröffnung im September den Beweis antreten, dass bauliche Aufwertung eines Stadtquartiers möglich ist, ohne dass Einheimische verdrängt werden.

"Wir wollen keine Gentrifizierung im Gewerbebereich, sondern Flächen für Menschen, die schon hier leben", sagte Uli Hellweg am Mittwoch beim Richtfest für das IBA-Exzellenz-Projekt Welt-Gewerbehof. An der Rotenhäuser Straße werde ein Gewerbehof neuen Typs geschaffen, schwärmte der Chef der Internationalen Bauausstellung Hamburg.

18 potenzielle Existenzgründer haben schon Interesse bekundet

Mindestens eines von drei Kriterien müssen Mieter erfüllen, um in den Gewerbehof einziehen zu dürfen: Der Gewerbetreibende muss entweder bereits in Wilhelmsburg ansässig, Existenzgründer oder Migrant sein. 18 Existenzgründer und Kleinunternehmer haben bereist erklärt, Räume mieten zu wollen. Die für den Welt-Gewerbehof zuständige Gebäudemanagement Hamburg GmbH (GMH) zeigt sich zuverlässig, die übrigen 17 Gewerberäume vermieten zu können. Man habe mehr als ausreichend Interessenten.

Die Mieten im Welt-Gewerbehof sind niedriger als im übrigen Hamburg. Die Nettokaltmiete liegt bei 4,20 bis sechs Euro pro Quadratmeter. Auf der Elbinsel müssen Gewerbetreibende normalerweise mindestens 6,50 Euro pro Quadratmeter zahlen. Im übrigen Hamburg sind mindestens zehn Euro die Regel. In der City gibt es den Quadratmeter Gewerbefläche nicht unter 20 Euro.

Die günstigen Mieten sind möglich, weil die Freie und Hansestadt Hamburg sowie die Europäische Union den Welt-Gewerbehof fördern. Bei dem Projekt mit innewohnender Anti-Gentrifizierungsstrategie arbeiten die Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt, der Bezirk Mitte und die Internationale Bauausstellung zusammen. Die Europäische Union bezuschusst den etwa 7,3 Millionen Euro teuren Gewerbehof mit 730.000 Euro.

IBA-Chef Uli Hellweg begeistert die außergewöhnliche Entstehungsgeschichte des Gewerbehofs. Die Idee dazu hatten Bürger und Wirtschaftstreibende aus Wilhelmsburg. Bei einer Bürgerbeteiligung in den Jahren 2008 und 2009 hatten sie der IBA das Projekt vorgeschlagen.

Die Menschen im Viertel können Gökhan Fidan beim Backen zusehen

Gökhan Fidan, 27, leitet ein aufstrebendes Bäckereiunternehmen. Zurzeit betreibt er zwei Filialen in Wilhelmsburg und Altona. Im nächsten Jahr will er zwei weitere eröffnen: im neuen Luna-Einkaufszentrum am S-Bahnhof Wilhelmsburg und in Steilshoop. Gökhan Fidan richtet im Welt-Gewerbehof seine Produktion ein. Wer will, wird ihm beim backen zusehen können: "Ich schaffe einen Show-Room mit Verkauf", sagt er. Die Infrastruktur sei ideal, so Fidan, deshalb ziehe er in den neuen Gewerbehof.

Noch ist nur das Fundament gegossen. Aber zum 1. September wird Ute Grottker-Wiener einen 50 Quadratmeter großen Praxisraum beziehen. Sie ist selbstständige Psychotherapeutin, behandelt Kinder und Jugendliche bei Verhaltensauffälligkeiten und hilft ihnen, Ängste zu überwinden. Seit 2010 ist Ute Grottker-Wiener in Wilhelmsburg tätig, etwas beengt in der Diakonie. Ihr gefällt an dem Gewerbehof, dass die Mieter mitreden dürfen: "Es wird nach unseren Bedürfnissen gebaut", sagt sie.

Art Director Peter Niehuis wird mit seiner Werbeagentur "sign-D" in den Gewerbehof einziehen. Er betreut kleine und mittelständische Unternehmen. Niehuis hat das neue Erscheinungsbild des örtlichen Buchhändlers Lüdemann gestaltet und die Ausstellung "Die vielen Gesichter des Reiherstiegviertels - Eine Ausstellung zur Migrationsgeschichte" im Pavillon des Weltquartiers konzipiert. 20 Quadratmeter hat er gemietet. "Architektonisch passt es hier für mich am besten", hat Peter Niehuis seine Suche nach einem neuen Firmensitz beendet.

Insgesamt 2400 Quadratmeter Platz bietet der Gewerbehof. Zu den Mietern zählen noch ein Motorradbauer, ein Bootsbauer, ein Segelmacher und Künstler. Das auffällige Polycarbon-Dach wird voraussichtlich erst Mitte September folgen. Es gibt Lieferschwierigkeiten.