Mitsprache bringt keinen Frieden: Initiativen sehen das Bürgerbeteiligungsgremium zur Verlegung der Wilhelmsburger Reichsstraße als gescheitert an.

Wilhelmsburg. Die Klagegemeinschaft "Rechtsschutz Lebensqualität Wilhelmsburg" wird voraussichtlich am Donnerstag, 11. Juli, darüber entscheiden, ob sie gegen den Planfeststellungsbeschluss zur Verlegung der Wilhelmsburger Reichsstraße vor Gericht ziehen wird. Wie Mitglieder dem Abendblatt sagten, soll am Abend der Rechtsbeistand der Klagegemeinschaft, der Hamburger Verwaltungsrechtsexperte Rüdiger Nebelsieck, bei der Gesellschafterversammlung seine Einschätzung zu den Erfolgsausichten einer Klage geben.

Einer der etwa 200 Mitglieder der Klagegemeinschaft ist Manuel Humburg, Hausarzt in Ruhestand und Vorstandsmitglied des in Wilhelmsburg einflussreichen Vereins Zukunft Elbinsel. Geht es nach ihm, sollte die Verlegung der Wilhelmsburger Reichsstraße in der geplanten Form vor Gericht bekämpft werden. "Ich werde bei der Gesellschafterversammlung dafür votieren, den Klageweg zu beschreiten", sagte Humburg am Montagabend in der abschließenden Sitzung des bezirklichen Beratungsgremiums Verkehr im Wilhelmsburger Rathaus. Die wesentlichen Empfehlungen des Gremiums seien in dem Planfeststellungsbeschluss nicht berücksichtigt worden, so Humburg. Aus seiner Sicht sei die Bürgerbeteiligung gescheitert.

Auch Lutz Cassel, Vorsitzender des Stadtteilbeirats in Wilhelmsburg, hatte sich von dem in Hamburg einmaligen Bürgerbeteiligungsgremium, eigens geschaffen für das Bauvorhaben zur Verlegung der Wilhelmsburger Reichsstraße, offenbar mehr versprochen. "Wir haben alle gehofft, dass das Beratungsgremium Verkehr ein Erfolg sein würde", sagte Cassel. Es sei aber an den Strukturen Hamburgs gescheitert. Daran, dass der Senat egal welcher Couleur mache, was er wolle.

Dabei gilt das Beratungsgremium Verkehr des Bezirks Mitte als Modell für eine Bürgerbeteiligung, die in ganz Hamburg Schule machen könnte. In dem Gremium kamen Vertreter von Bürgerinitiativen, der Wirtschaft und der politischen Parteien zusammen, um einen Kompromiss auszuhandeln. Die Stadt bezahlte sogar den Wunschgutachter der Bürgerinitiativen, Hermann Knoflacher, für eine Expertise.

Im Kern riet der österreichische Autokritiker, die verlegte Reichsstraße deutlich schmaler als die vorgesehenen 28 Meter zu bauen, die zulässige Höchstgeschwindigkeit von ursprünglich Tempo 100 auf 40 bis 80 Kilometer pro Stunde zu senken und eine ständige Geschwindigkeitsüberwachung vorzusehen.

Gemessen an den Hauptforderungen Knoflachers habe das Beratungsgremium die Planung zur verlegten Reichstraße doch beeinflusst, widerspricht Klaus Franke von der Hamburger Behörde für Wirtschaft, Verkehr und Innovation der Einschätzung der Bürgerinitiativen. Die Innenbehörde habe zugesagt, das Höchsttempo 70 auf der neuen Reichsstraße zu prüfen. Da die Hamburger Bürgerschaft dies in einem Beschluss fordert, gilt es als wahrscheinlich, dass die zulässige Höchstgeschwindigkeit tatsächlich gegenüber der ursprünglichen Planung gesenkt wird.

Peter Pfeffermann von der Planungsgesellschaft Deges stellte am Montag in Wilhelmsburg in Aussicht, dass die vier Fahrspuren der verlegten Reichsstraße mit Hilfe von Fahrbahnmarkierungen um jeweils 25 Zentimeter schmaler gestaltet werden könnten. Die Spuren würden dann statt 3,50 Meter, nur noch jeweils 3,25 Meter breit sein. Das sei die niedrigste Grenze, so Pfeffermann, das entspräche einer Fahrsteifenbreite im städtischen Bereich. Die Straßenbreite bliebe aber bei 28 Metern. Ferner prüfe die Innenbehörde laut Franke Blitzkästen und Dialogdisplays an der verlegten Reichsstraße aufzubauen. Dialogdisplays signalisieren Autofahrern, dass sie zu schnell fahren.

Der SPD-Bürgerschaftsabgeordnete Metin Hakverdi sieht deshalb die Arbeit des Beratungsgremiums als Erfolg. "Wenn die Straße verlegt und 70 gefahren werden sollte, Blitzanlagen dafür sorgen, dass tatsächlich 70 gefahren wird, die Straße am Ende anders aussieht, dann ist das ausschließlich der Arbeit dieses Gremiums zu verdanken", sagte Hakverdi.

Auch der Gremiumsvorsitzende Thorsten Schulz, Regionalbeauftragter des Bezirks Mitte für Wilhelmsburg, teilt die Auffassung der Initiativen nicht, dass das Beratungsgremium gescheitert sei. Es habe den Behörden Denkanstöße gegeben. Die Bürgerschaft habe sich mit dem Positionspapier beschäftigt. Thorsten Schulz: "Wir haben das maximale an Bürgerbeteiligung erreicht."