Eisenbahn Bauverein nimmt eine weltweit bislang einzigartige Anlage in Betrieb. Das Eisheizungs-Projekt stößt auf großes Interesse bei Vertretern der Wohnungswirtschaft und Umwelttechnik.

Harburg. In Wilstorf, an der Roseggerstraße, schreitet der vor einem Jahr angefangene Bau einer hochmodernen "Eisheizung" voran. Ein Telekran hievte jetzt eine 14 Tonnen schwere Wärmepumpe an ihren Platz im künftigen Maschinenhaus. Zum Beginn der Heizperiode im Oktober soll die Anlage in Betrieb gehen und die ersten 240 Wohneinheiten der Baugenossenschaft "Eisenbahn Bauverein Harburg" (EBV) mit Wärme versorgen. Kommendes Jahr sollen alle rund 480 Wohneinheiten im Bereich Roseggerstraße, Metzenberg und Tilemannhöhe angeschlossen sein.

Es wird die in ihrer Art weltweit bislang größte Anlage sein. Mit ihr setzt die schon 92 Jahre alte Genossenschaft ihr seit Jahrzehnten praktiziertes Engagement im Umweltschutz fort. Der EBV fährt bereits seit 1994 mit Erdgasautos, nutzt Blockheizkraftwerke, Wärme aus Abwasser und war nicht zuletzt im Jahr 2000 wegen der Nutzung von Solarenergie mit dem Hamburger Solarpreis als "sonnigstes Wohnungsunternehmen ausgezeichnet worden.

Die Bezeichnung "Eisheizung" klingt zunächst paradox. Ingenieur Bernd Schwarzfeld von der Hamburger Firma Ökoplan, der im Auftrag des EBV das Projekt entwickelt hat, sagt jedoch, dass dem Speichermedium Wasser um den Gefrier- oder Kristallisationspunkt die meiste Wärmeenergie entzogen werden kann. Joachim Bode, Vorstand des EBV: "Unterm Strich haben alle was von der neuen Technik. Es gibt nur Gewinner. Die Umwelt, weil Klima schädigendes Kohlendioxid vermieden wird, unsere Mieter, die mehr als 50 Prozent der Heizkosten einsparen werden."

Die Eisheizung in Wilstorf besteht aus einem aus Beton geschütteten Wasserbehälter. Der befindet sich einen Meter unter der Erdoberfläche, ist acht Meter tief und hat einen Durchmesser von gut 20 Metern. Rund 1,5 Millionen Liter Wasser fasst dieser Bottich. Das Erdreich drum herum hat auch im Winter eine Temperatur von plus 15 Grad, so dass der Wasserspeicher niemals komplett einfrieren kann. Zudem wird warmes Wasser auch von Solarkollektoren der Hausdächer eingespeist. Mieter der Häuser haben über dem Wasserspeicher inzwischen wieder ihre Kleingärten angelegt.

Die jetzt angelieferte Gas-Absorptionswärmepumpe hat nach den Worten von Bernd Schwarzfeld eine thermische Leistung von 600 Kilowatt. Sie zieht die Wärmeenergie aus dem Zentrum des Wasserbehälters. Weil dem Wasser Wärmeenergie im niedrigen Temperaturbereich entzogen wird, genügt es auch, Außenwärme über Solarkollektoren mit normaler Lufttemperatur zuzuführen. Die Firma Isocal aus Friedrichshafen hat das System entwickelt, das bereits in ganz Europa nachgefragt wird. Bernd Schwarzfeld: "Selbst bei Regen und in der Nacht spenden die Kollektoren der Hausdächer genügend Energie, um Wasserspeicher mit Wärme zu versorgen". Gut 1000 Quadratmeter Kollektorfläche befinden sich auf den Hausdächern.

Bislang hatten die Wohnungen der gut 70 Jahre alten EBV-Mietshäuser in Wilstorf elektrische Nachtspeicherheizung. Sie haben inzwischen handelsübliche Heizkörper bekommen. Insgesamt werden vom EBV rund fünf Millionen Euro in die Umstellung von Beheizung und Warmwasserversorgung der Häuser gesteckt - rund 1,5 Millionen Euro mehr als beim Einbau konventioneller Gas-Brennwerttechnik. Wegen des Klimaschutzes gibt es nach EU-Recht für nachgewiesene Mehrkosten die Genehmigung für Förderung bis 52 Prozent. Die Hamburger Umweltbehörde, die Wohnungsbaukreditanstalt Hamburg und die Kreditanstalt für Wiederaufbau tragen die Förderung.

Das Eisheizungs-Projekt in Wilstorf stößt nach den Worten von Bernd Schwarzfeld auf riesiges Interesse bei Vertretern der Wohnungswirtschaft und auch der Umwelttechnik. "Wir haben pro Monat etwa ein bis zwei Besichtigungen vor Ort mit Vorträgen", sagt er. EBV-Vorstand Joachim Bode sagt: "Ich bin überzeugt, dass das Eisspeichersystem unter den drei Aspekten Energiekosten, Investitionskosten und Wartungskosten die günstigste Lösung bietet. Zudem werden durch den Betrieb jährlich mehr als 1200 Tonnen Kohlendioxid vermieden."

Zum Bau der Eisheizung hat auch bereits Hamburgs früherer Wirtschaftssenator Axel Gedaschko, jetziger Präsident des Bundesverbandes der deutschen Wohnungs- und Immobilienunternehmen Stellung genommen. Er sagt: "Die Wohnungswirtschaft kann einen wichtigen Beitrag zur Bezahlbarkeit der Energiewende leisten. Wohnungsunternehmen können die Energie dort produzieren, wo sie benötigt wird." Durch dezentrale Energieerzeugung und -nutzung könne beim bundesweiten Ausbau der Energienetze viel Geld gespart werden.