Wenn die Umgehungsstraße in Dibbersen fertig ist, werden wohl Kunden ausbleiben. Ein 35-Meter-Werbepylon soll die Rettung sein.

Dibbersen. Die Umgehungsstraße in Dibbersen sollte eigentlich nur Positives bringen. Voraussichtlich vom Frühjahr 2015 an werden die Autos nicht mehr mitten durch den Ort hindurch, sondern um ihn herum fahren. Ruhe kehrt ein, und Dibbersen wird endlich nicht mehr in die zwei Bereiche rechts und links der B 75 zerteilt sein. Jetzt droht aber gerade diese Straße den Buchholzer Ortsteil auf andere Weise erneut in zwei Lager zu spalten.

Was für viele Bürger ein Grund zur Freude ist, erfüllt die Geschäftsleute nämlich mit Sorge. Sie fürchten, dass die Kundschaft ausbleibt, wenn statt derzeit täglich 26.000 Pkw nur noch schlappe 1500 Autos durch den Ort fahren. Das sind zumindest die Zahlen, die ihnen bekannt sind. Ihre Idee: Ein etwa 35 Meter hoher Turm mit Werbefläche, Werbepylon genannt, weist am Rande der neuen, 2,7 Kilometer langen und 17,2 Millionen Euro teuren Ortsumgehung auf ihre Geschäfte hin.

"Ohne den Werbepylon haben wir keine Zukunft", erklären die zehn Geschäftsleute entlang der B 75, die sich in der Werbegemeinschaft Dibbersen zusammengeschlossen haben, auf einem gemeinsam gestalteten Flyer. "Wir werden unsere Existenz verlieren." Die Verlegung der Bundesstraße stufen sie zwar als Gewinn für den Ort ein, sie selbst mache sie aber zu Verlierern.

Um für ihr Anliegen zu werben, haben sie eine Informationsoffensive gestartet, zu der auch ein Modell von Kreisel und Straße sowie eine filmische Simulation gehören. Der Film verdeutlicht, wie Autofahrer auf der Umgehungsstraße gar nicht mitbekommen, dass sich neben der Straße eine Ortschaft mit Geschäften befindet. Nur der Werbeturm macht sie sichtbar. Erste Gespräche mit Bürgern und Politikern hätten leider gezeigt, dass es wenig Zustimmung für ihren Vorschlag gebe, sagt Frauke Petersen-Hanson, Betreiberin des McDonald's.

Dabei sprechen aus ihrer Sicht die Fakten für sich. "Die Harburger Straße ist ein Standort wichtiger Dienstleistungsunternehmen", sagt sie. Die zehn Unternehmen - zu denen unter anderem noch die Aral-Tankstelle, Carwash, Baby One und das Parkett- und Laminathaus zählen - schaffen rund 130 Arbeitsplätze. Mit Blick auf die Steuereinnahmen sei es doch auch im Interesse der Stadt, dass die Geschäfte nicht gefährdet werden, fügt Heiner Frommann hinzu. Er ist Inhaber des gleichnamigen Hotel-Restaurants und Brauhauses, das sich seit 1656 an der Bundesstraße befindet.

Aus Sicht der Geschäftsleute liegt das Hauptproblem in der Bauweise der neuen Straße. Entgegen der ursprünglichen Planung sei sie nicht ebenerdig, sondern bis zu acht Meter tiefergelegt, sagt Hans-Werner Püttjer. Der Ort werde gar nicht mehr wahrgenommen. Da die Straße inklusive Lärmschutz und Mega-Kreisel autobahnähnliche Züge habe, halte er einen Werbeturm, wie es ihn sonst eher an Autohöfen gibt, für gerechtfertigt. Püttjer ist zwar kein Geschäftsinhaber, aber er besitzt so wie Heiner Frommann eines der Grundstücke, auf dem die neue Straße gebaut werden soll.

Diese Grundstücke wiederum könnten sich vielleicht als Rettungsanker der Kaufleute erweisen. Denn als der Bund vor anderthalb Jahren früher als erwartet die Mittel für den Bau freigab, waren die Vorbereitungen noch längst nicht abgeschlossen. Fast niemand hatte nach mehr als 30 Jahren Planungszeit damit gerechnet, dass es eines Tages tatsächlich losgehen könnte. Selbst die Geschäftsleute nicht, weshalb auch noch keine Rede vom Werbeturm war. "Wir dachten, die Sache ruht erst einmal, weil die Kassen leer sind", sagt Heiner Frommann.

Entsprechend langsam ging das Flurbereinigungsverfahren voran, das bis heute nicht beendet ist. "Viele wollen ihre Grundstücke gar nicht verkaufen", sagt Püttjer. Dazu zählten auch Heiner Frommann und er selbst. Geld käme für sie nicht infrage, sondern nur Ausgleichsflächen. Die seien in Dibbersen aber schwierig zu bekommen. Es gäbe da aber etwas, das die Sache beschleunigen könnte, und das wäre der Werbepylon. "Wenn wir den kriegen, würden wir die Fläche sofort zur Verfügung stellen", sagt Püttjer.

Zunächst hofft die Werbegemeinschaft auf ihre Überzeugungskraft. "Wir wünschen uns eine einvernehmliche Lösung", sagt Frauke Petersen-Hanson. Es könne nicht sein, dass der Geschäftsstandort Dibbersen beerdigt werde. Nach der Sommerpause wollen sie voraussichtlich eine Bauvoranfrage stellen und das Thema in die Politik bringen. Zuvor wollen sie die Öffentlichkeit über ihre Sorgen umfassend informieren. Die Stadtverwaltung zumindest meldet schon jetzt ihre Bedenken an. "Der Bebauungsplan sieht eine solche Werbefläche nicht vor", sagt Baudezernentin Doris Grondke. Außerdem sei es doch Ziel der Umgehungsstraße, den Verkehr aus Dibbersen herauszuhalten. "Da ist es vielleicht nicht so gut, ihn mit einem Werbepylon wieder hineinzuziehen."