Buchholz ist beim Mühlentunnel ins Stolpern geraten. Das Beispiel zeigt: Ausschreibungen sind komplexe Konstrukte

Buchholz. Und schon wieder eine Verzögerung. Die Nachricht, dass die Planungen für den Neubau des Buchholzer Mühlentunnels ins Stocken geraten sind, weil das im Vergabeverfahren zweitplatzierte Ingenieurbüro die Entscheidung vor der Vergabekammer noch einmal überprüfen lassen will (das Abendblatt berichtete), dürfte bei vielen Bürgern für Unverständnis sorgen. Ja, funktioniert denn gar nichts mehr in dieser Stadt? Schon beim geplanten Neubau der Turnhalle in Holm-Seppensen ist der Zeitplan gehörig in Verzug geraten, die Halle soll erst im Dezember 2014 fertig sein.

Es ist für Außenstehende schwer zu verstehen, was genau die Ursache für die aktuelle Verzögerung beim Mühlentunnel ist. Wie öffentliche Aufträge in Millionenhöhe ausgeschrieben werden - und dazu zählt der Tunnelneubau mit einem voraussichtlichen Auftragsvolumen von zehn Millionen Euro -, darüber weiß längst nicht jeder Bescheid. Selbst die Buchholzer Stadtverwaltung hatte keinerlei Erfahrung mit einem derartigen Millionenprojekt, Unterstützung gab es deshalb von einem erfahrenen Fachbüro, das die Verwaltungsmitarbeiter bei allen Schritten des komplexen Ausschreibungsverfahrens begleitete.

Dabei sollte man zunächst wissen, dass die Ausschreibung für die Planung des Mühlentunnels unter die Verdingungsordnung für freiberufliche Leistungen (VOF) fällt, deren Wertgrenze bei 200.000 Euro liegt. Heißt: Alles, was darüber ist, wird gemäß VOF behandelt, also auch der Mühlentunnel mit seinen Planungskosten von 500.000 bis 550.000 Euro. Andere Regelungen für die Vergabe öffentlicher Aufträge sind in der Verdingungsordnung für Bauleistungen (VOB) oder der Verdingungsordnung für Leistungen (VOL) niedergeschrieben, zu denen etwa Straßenreinigung und Winterdienst gehören.

Der 500.000 Euro teure Mühlentunnel-Planungsauftrag wiederum gliedert sich in insgesamt neun Leistungsphasen, zu denen unter anderem die Grundlagenermittlung, Vor- und Ausführungsplanung, Ausschreibung der Bauaufträge und Bauüberwachung gehören.

Da die VOF eine europaweite Ausschreibung vorsieht, hat die Stadt Buchholz im Herbst 2012 den Auftrag im Amtsblatt für die Europäische Union veröffentlicht. Darin hat sie kurz beschrieben, was gebaut werden soll und welche Kriterien der Bewerber erfüllen muss. 17 Bewerbungen von Ingenieurbüros aus dem ganzen Bundesgebiet landeten schließlich im Briefkasten der Verwaltung. "Die haben wir mit Hilfe des externen Fachbüros ausgewertet", sagt Jürgen Steinhage, Leiter des Fachbereichs Betriebe. Eine Rolle bei der Beurteilung spielten unter anderem die wirtschaftliche und finanzielle Leistungsfähigkeit des Unternehmens und die Art der Referenzobjekte.

Am Ende waren es fünf Firmen, die aus Sicht der Verwaltung für den Mühlentunnel in Frage kommen könnten. Sie wurden anhand eines Punktesystems bewertet und Anfang Januar dieses Jahres zu einer Angebotsabgabe aufgefordert, in der sie darlegen, für wie viel Geld sie die Planung machen könnten. An zwei Tagen hatten diese fünf dann Gelegenheit, sich einem Auswahlgremium persönlich zu präsentieren. In diesem Fall bestand das Auswahlgremium aus der Baudezernentin Doris Grondke, dem Fachbereichsleiter Stadtentwicklung Rolf-Peter Kaufhold, Jürgen Steinhage und den Leitern der beiden Fachdienste Straßenbau und Entwässerung. Sie haben jeder für sich eine Bewertung der einzelnen Bewerber abgegeben.

Das Fachbüro hat diese Wertung dann noch einmal überprüft und die Bewerber anhand der Punktevergabe in eine Reihenfolge gebracht. "Sie waren alle unglaublich eng beieinander, die Punkte reichten von 82 bis 87", sagt Steinhage. Trotzdem war klar, dass nur einer den Auftrag bekommen wird und vier in die Röhre schauen. Die drei auf den hinteren Plätzen haben diese Auswahl denn auch akzeptiert, nur beim Zweitplatzierten - der so wie der Erstplatzierte mit einem Büro im Hamburger Raum vertreten ist - regte sich Widerspruch. Er wandte sich an die Vergabekammer Lüneburg, die den Fall am Freitag, 21. Juni, verhandeln wird.

"Politisch gesehen, kann es uns eigentlich egal sein, ob nun der Erste oder der Zweite den Auftrag bekommt", sagt Bürgermeister Wilfried Geiger. Die Firmen hätten so eng beieinander gelegen, dass theoretisch jede den Auftrag hätte ausführen können. Nur wolle man selbstverständlich gern den Besten haben. Als ebenso selbstverständlich wertet er es, dass der Zweitplatzierte sein Recht nutzt, die Auswahl in Frage zu stellen. Für Buchholz sei es allein wichtig, dass es rasch zu einer Entscheidung kommt, damit die Planungen für den Mühlentunnel beginnen können.