Beim traditionellen Ausmarsch der Gildeschützen vertrat Finanzsenator Peter Tschentscher Bürgermeister Olaf Scholz. Beim alljährlichen Spargelessen im Schützenzelt wird Klartext geredet.

Harburg. Harburgs Gildekönig Emil Woelke und seine Getreuen marschieren durch Harburg. Es ist Ausmarschtag. An diesem 21. Juni marschiert die Gilde an Kaiser Wilhelm II vorbei. Man darf sich feine Damen in langen, gestärkten Sommerkleidern und mit weißen Sonnenschirmen sowie ebenso feine Herren in Frack und Zylinder vorstellen, die diesem denkwürdigen Tag im Jahre 1913 in Harburg am Sand beiwohnen. Das ist jetzt ziemlich genau 100 Jahre her. Und seitdem hat sich Harburg, die Mode und vieles mehr geändert. Geblieben ist die Harburger Schützengilde und der Ausmarschtag zum Schützenfrühstück auf dem Schwarzenberg.

Auch heute, 100 Jahre nach des Kaisers Besuch, marschieren der Gildekönig und seine Schützen vom Harburger Rathaus zum Schwarzenberg mit ihren Gästen aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. Heutzutage ersetzt der Hamburger Bürgermeister den Kaiser. Und obwohl Olaf Scholz (SPD) erst zugesagt hatte, war er dann doch wegen einer Ministerpräsidenten Konferenz verhindert. Statt seiner war Hamburgs Finanzsenator Peter Tschentscher zum Schwarzenberg nach Harburg gereist.

Und ein richtiges Frühstück wird im Festzelt auf dem Schwarzenberg inzwischen auch nicht mehr serviert, sondern Suppe und Spargel. Aber noch heute treffen sich an diesem Tag viele Entscheider aus Harburg und Hamburg im Zelt. Ein deutliches Signal für den Schulterschluss zwischen Traditionsverein und Moderne ist die erstmalige Kooperation von Gilde und Technischer Universität Hamburg Harburg (TUHH) beim diesjährigen Vogelschießen. "Nirgends sonst trifft man so viele Menschen, mit denen man ins Gespräch kommen kann, mit denen man Ideen entwickeln kann. Es ist sehr schön, heute hier zu sein", sagt TUHH-Präsident Prof. Garabed Antranikian.

Eine Tradition aber lassen sich Gilde und Harburg nicht nehmen: Beim alljährlichen Spargelessen im Schützenzelt wird auch schon mal Klartext vor den mehr als 400 Gästen geredet. "Unser Harburger Sorgenkind ist die Innenstadt, um genau zu sein die Lüneburger Straße", sagt der 1. Patron der Harburger Gilde, Michael Gögel in seiner Begrüßungsrede. "Da verwundert es einen Harburger doch sehr, wenn er erfahren muss, dass der Senat zwar sieben Millionen Euro dafür übrig hat, um die Osterstraße in Eimsbüttel aufzuwerten, aber gerade mal 500.000 Euro in die Sanierung unseres Seevetunnels investieren mag", so Gögel weiter und fordert den Senator auf, diesen Besuch in Harburg dazu zu nutzen, "für Harburg in Hamburg Flagge zu zeigen". Tschentscher Replik im Schützenzelt fällt mager aus: "Die Lüneburger Straße hat das BID, und im Binnenhafen sind eine ganze Reihe wichtiger Projekte nicht zuletzt im Zusammenhang mit der Internationalen Bauausstellung umgesetzt worden. Das sind alles Dinge, die doch zeigen sollten, dass Harburg ein überaus wichtiger Bezirk ist", sagt Senator Tschentscher, bevor die obligate Suppe im Zelt serviert wird. Tradition ist es auch, dass nach dem Gastredner aus Hamburg der Harburger Bezirksamtsleiter seinen Wunsch an den Hamburger Senat äußern darf. Thomas Völsch (SPD) wünscht sich vom Hamburger Senat Unterstützung für das Neugrabener Freibad. "Wir haben zwar mit Bäderland einen guten Betreiber für dieses gerade für Neugrabener und Neuwiedenthaler Kinder so wichtige Freibad gefunden. Aber ich wünsche mir, dass der Senat uns dabei hilft, wichtige neue Geräte für das Bad anzuschaffen, und die ebenso wichtige Renovierung zu finanzieren", sagte Völsch und erntete damit tosenden Applaus im Festzelt. Wie mehrfach berichtet, stand das kleine Freibad in den vergangenen Jahren immer wieder vor der Schließung. Es ist hochgradig defizitär, erfüllt aber eine enorm wichtige, soziale Rolle im Quartier.

Und dann machte Harburgs Bezirksamtsleiter deutlich, dass der südliche Bezirk keineswegs ein von der Entwicklung Hamburgs abgehängter Bezirk sei. "Wir leben hier in einem wunderbaren Bezirk, mit wunderbaren Menschen. Der Bezirk Harburg hat in ganz Hamburg das größte Potenzial. Wohnen, eine herrliche Natur, Forschung, Lehre, Wirtschaft, Tradition und Moderne bieten hier unser Potenzial. Und wir können stolz sein auf Harburg als Industrie- und Kulturstandort mit einem eigenständigen Museum, dessen Direktor Professor Rainer-Maria Weiß ich hier heute strahlend vor mir sehe. Wir sind der starke Süden. Im Hamburger Süden wird Wohlstand produziert", sagt Völsch. Seine Majestät Peter Kreitmayr gibt noch Marscherleichterung, und dann wird der Spargel im Festzelt der Harburger Schützengilde serviert.

Im Anschluss marschieren die Schützen mit ihren Gästen noch über den Schwarzenberg, um die Denkmäler zu ehren, bevor der Festplatz endgültig den Harburgern zum Feiern ihres Volksfestes überlassen wird.