Lutz Mühlhaus und Britta Rietzke sammelten 112.000 Euro Spenden und bauen ein Ausbildungszentrum in Westafrika.

Eißendorf/Bonthe . Zum 50. Geburtstag hat sich Lutz Mühlhaus, 52, ein persönliches Geschenk gemacht. Das Geschenk war eine Idee: "Ich stifte 20 Prozent meines Einkommens und 20 Prozent meiner Arbeitszeit einem wohltätigen Projekt." Sein Ziel: "Ich möchte Umverteilung konkret leben."

Auch Lutz Mühlhaus' Lebenspartnerin Britta Rietzke, 50, spendete fortan ein Fünftel ihres Einkommens und ein Fünftel ihrer Arbeitszeit. Seitdem arbeiten die beiden Eißendorfer jeden Montag an ihrem "Projekt".

"Uns war schnell klar, dass wir uns in Subsahara-Afrika engagieren wollen", sagt Britta Rietzke. Dann lasen sie einen Artikel im Harburg-Teil des Hamburger Abendblattes: "Er hilft den Ärmsten der Armen in Afrika". Es war die Geschichte von Mohamed Salia aus Sierra Leone, der mit Geld der Social Business Stiftung von Gerhard Bissinger und Silke Schwartau aus Finkenwerder Mikrokredite an Bürgerkriegswitwen im westafrikanischen Sierra Leone vergibt.

"Dort wollen wir auch helfen", beschlossen Lutz Mühlhaus und Britta Rietzke. Sierra Leone ist eines der zehn ärmsten Länder der Welt. 70 Prozent der Bevölkerung leben unterhalb der Armutsgrenze von 1,25 Dollar pro Tag. Seit dem Ende des Bürgerkrieges 2002 liegt das Land am Boden. Zwei Drittel der Menschen sind Analphabeten - und zwei Drittel sind arbeitslos. "Die Jugend des Landes ist ohne Hoffnung", sagt Lutz Mühlhaus, "der soziale Frieden ist gefährdet. Um Jugendlichen Perspektiven aufzuzeigen, müssen Allgemeinbildung und grundlegende Werte vermittelt werden."

Über Gerhard Bissinger aus Finkenwerder bekamen Lutz Mühlhaus und Britta Rietzke Kontakt zu Mohamed Salia in Sierra Leone, dessen Eltern während des Bürgerkrieges ums Leben gekommen waren. Mohamed Salia vermittelte die Eißendorfer an seinen Ziehonkel Joseph Ndanema, der in Gießen Entwicklungsökonomie studiert hat. Und der hatte eine gute Idee, die er im Juni 2011 in der Eißendorfer Doppelhaushälfte mit Lutz Mühlhaus und Britta Rietzke durchplante: "Wir bauen ein Ausbildungszentrum in Bonthe auf Sherbro Island!" Das Bonthe Youth Resource Center.

Heute, zwei Jahre später, haben Lutz Mühlhaus und Britta Rietzke, 112.000 Euro für das Projekt zusammengesammelt. Das Motto der beiden: "Change for the better" - Änderung zum Besseren. 62.000 Euro sammelte das Paar an Geldern ein, der Rest waren Sachspenden wie Notebooks, Drucker und Kopiergeräte, die komplette Ausstattung für eine Tischlerwerkstatt sowie eine Solaranlage für das Dach des Ausbildungszentrums - denn auf der Insel gibt es kein Stromnetz.

Mittlerweile ist der Bau des Ausbildungszentrums in Bonthe fast fertig - im Herbst soll der Ausbildungsbetrieb für 100 Jugendliche beginnen. Die Ausbildung dauert sechs bis zwölf Monate. Die Jugendlichen lernen Lesen, Schreiben und Rechnen. Und sie lernen eine Ausbildung in einem landestypischen Handwerk: Schneidern, Knüpfen und Färben, Kochen und Brotbacken, Haushaltsführung, Tischlern und Gemüseanbau.

Ausbildungsbegleitend werden die jungen Menschen mit Kursen in Buchhaltung, Betriebsführung und Unternehmensgründung auf eine Existenz- und Betriebsgründung vorbereitet, finanziert durch projektgestützte Mikrokredite. Außerdem gibt es Workshops für weitere 200 Jugendliche zu Gewaltvermeidung, HIV-Prävention, PC-Anwendungen und Vermittlung von Lebenskompetenzen. "Unser besonderes Augenmerk liegt auf der Gleichstellung von jungen Frauen", sagt Lutz Mühlhaus. "Aus den größtenteils frustrierten, verzweifelten und traumatisierten Jugendlichen sollen sich stabile und selbstbewusste Persönlichkeiten entwickeln, die ihr Leben in die Hand nehmen."

Zuletzt waren Lutz Mühlhaus und Britta Rietzke im April dieses Jahres in Sierra Leone. "Wir mussten die beiden 40-Fuß-Container mit den Sachspenden aus dem Hafen von Freetown befreien, die dort seit sieben Monaten herumstanden." Die Eißendorfer brauchten Genehmigungen von 27 Stellen mit mindestens einer Unterschrift. Stundenlang warteten sie auf eine Audienz beim Sozialminister und bei der Ministerin für Finanzen und Entwicklung - und ließen sich auch von deren Staatssekretären nicht abwimmeln.

Mit zwei Lkw ging die Fünf-Tonnen-Fracht zum Küstendorf Yagoi und dann mit drei Holzbooten, jeweils ausgestattet mit einem 15-PS-Motor, nach Bonthe. Dort trugen Jugendliche die Fracht auf dem Kopf in das Haus von Joseph Ndanema. Die schwersten Teile wurden mit dem einzigen Last-Mofa der Insel transportiert - Autos und Lkw gibt es nicht auf Sherbro Island.

Lutz Mühlhaus, von Beruf gesetzlicher Betreuer, nennt "ein sehr hohes Gerechtigkeitsgefühl" als Ansporn für sein Engagement. "Mit Ungerechtigkeit kann ich schlecht umgehen." Britta Rietzke, von Beruf Ökotrophologin, Yoga- und Rückentrainerin, ist seit mehr als zwei Jahrzehnten in der evangelisch-lutherischen Kirche engagiert. Als ihren Antrieb, in Afrika zu helfen, nennt sie "soziale Gerechtigkeit und Nächstenliebe". Um den Ausbildungsbetrieb in Sierra Leone für das erste Jahr zu gewährleisten, benötigt das Projekt für das erste Jahr noch 9600 Euro. Das Spendenkonto lautet: Bonthe Youth Resource Center, Hamburger Sparkasse, Bankleitzahl 200 505 50, Kontonummer 1262/203 621. Am Dienstag, 11. Juni, geben Lutz Mühlhaus und Britta Rietzke einen Reise- und Projektbericht: um 19.30 Uhr im Kirchencafé der Apostelkirche in Eißendorf.