Vor allem die Forderung nach Inklusion stellt das Albert-Einstein-Gymnasium in Buchholz vor neue Herausforderungen.

Buchholz. Aus Hans-Ludwig Hennigs Sicht ist es ein weit verbreiteter Irrtum, dass Gymnasien keine Schulsozialarbeiter benötigen. Der Leiter des Albert-Einstein-Gymnasiums, kurz AEG, in Buchholz weiß, dass das Bild einer heilen Schulwelt, in der die Bildungselite pflegeleicht im Klassenzimmer sitzt, nicht der Realität entspricht. "Die gesellschaftlichen Veränderungen sind auch bei uns längst angekommen", konstatiert er trocken. Immer mehr Kinder mit Förderbedarf in ihrer emotionalen und sozialen Entwicklung, Schüler mit Lernschwäche oder Aufmerksamkeits-Defizit-Syndrom besuchen auch die Gymnasien. Das stellt die Schulen zunehmend vor Probleme, die sich mit Beratungslehrern nicht lösen lassen.

Er blickt deshalb mit Sorge auf die Unsicherheit, die um die neue Stelle der Schulsozialarbeiterin Simone Düring besteht. Sie ist erst seit Februar dieses Jahres am AEG im Einsatz, doch ihre 20 Wochenstunden werden voraussichtlich nur noch bis Juli des kommenden Jahres über das Bildungs- und Teilhabepaket des Bundes mit 35.000 Euro finanziert - was danach geschieht, steht in den Sternen. Sollte es das Geld nicht mehr geben, würde vieles, das Simone Düring bis dahin aufgebaut hat, im Sande verlaufen.

Hilfe erhofft sich Hennig nun von den Politikern im Landkreis Harburg. Mit Heiner Schönecke, Landtagsabgeordneter der CDU, hat er bereits gesprochen. Auch Michael Grosse-Brömer, Erster Parlamentarischer Geschäftsführer der CDU, soll eingeschaltet werden. Ob dabei Konkretes herauskommt, wird sich zeigen. Geplant ist außerdem ein Gespräch mit Svenja Stadler, Bundestagskandidatin der SPD.

An den Projekten, die Simone Düring am AEG anstoßen will, ändert die Unsicherheit aber nichts. "Wir machen das jetzt, als würde es mit der Stelle ganz normal weitergehen", sagt sie. Was bleibt ihr auch anderes übrig? Es ist nicht zuletzt der Start der inklusiven Schule zum kommenden Schuljahr, der ihre Arbeit nötig macht und auch der letzte Auslöser war, eine solche Stelle überhaupt einzurichten. Inklusion bedeutet nämlich, dass Eltern, deren Kinder Bedarf an einer sonderpädagogischen Förderung haben, frei entscheiden, ob sie ihr Kind zur ersten und fünften Klasse auf eine allgemeine Schule oder eine Förderschule schicken. Heißt übersetzt: Auch Schüler beispielsweise mit geistiger Behinderung dürfen an einem Gymnasium angemeldet werden - etwa wenn die Eltern finden, dass dieses Umfeld gut für ihr Kind ist.

"Das alles ist eine enorme Herausforderung für uns", sagt der Schulleiter und meint damit vor allem die Frage, mit welchen Ressourcen die Lehrer die intensive Betreuung der Schüler gewährleisten sollen. Zudem ziehen die neuen Schüler auch eine Änderung der Unterrichtsform nach sich. Bisher werden alle Schüler am Gymnasium zielgleich unterrichtet. Damit ist gemeint, dass der Unterricht auf das Ziel "Abitur" ausgerichtet ist. Mit der Inklusion gibt es eine Verschiebung auf sogenannten zieldifferenten Unterricht. Das bedeutet, dass etwa Schüler mit geistiger Behinderung, bei denen das Abitur gar nicht das übergeordnete Ziel ist, anders unterrichtet werden müssen als die anderen Jugendlichen.

Dass die Schulsoziarbeiterin allein alle daraus entstehenden Schwierigkeiten unmöglich auffangen kann, ist dabei allen Beteiligten klar. "In vielen Fällen werde ich nur Hilfestellung leisten können", sagt sie. Vielmehr wolle sie dazu beitragen, dass bei den Schülern Toleranz und Verständnis für die anderen Jugendlichen entsteht.

Generell bezeichnet sie ihre Arbeit als ein "zusätzliches Scharnier" zwischen Schule und Jugendhilfe. Früher habe es festere Strukturen in den Klassen gegeben, heute seien viel mehr Reibungspunkte vorhanden. "Die Jugendlichen kommen mit einem ordentlichen Paket hier an", umschreibt sie das, was sich unter Begriffen wie fehlende soziale Kompetenz, Aggression oder Verrohung zusammenfassen lässt. Präventive Projekte zu den unterschiedlichsten Themen wie der Stärkung im Umgang mit Sexualität oder Cybermobbing sind die eine Möglichkeit, den Problemen zu begegnen. Auf der anderen Seite steht Simone Düring für Einzelberatung zur Verfügung.

"Die Schülerschaft bei uns ist heterogener geworden", sagt Hennig. Das liegt vor allem daran, dass immer mehr Eltern nach der vierten Klasse alles daran setzen, ihr Kind auf ein Gymnasium zu schicken, aus Angst, dass es ansonsten keine Chance in der Arbeitwelt mehr hat. So sollen sich Kinder auf das Abitur vorbereiten, die auf einer Realschule viel besser aufgehoben wären. Nimmt man dann noch den Druck und Stress hinzu, den die Umstellung von acht statt neun Jahre Gymnasialzeit auf die Schüler ausübt, hat man schnell eine mögliche Erklärung für die Zunahme von Konflikten.

Hinzu kommt eine spezielle Problematik am AEG. Die Schule ist Schwerpunktschule für die Förderung von Hochbegabten. "Gerade diese Schüler sind aber in ihrem Sozialverhalten nicht immer einfach", erklärt Hennig. Er hofft, dass all das genügend Gründe sind, um die Sozialarbeit auch an Gymnasien fortzuführen. Wann er darüber Gewissheit hat, weiß er nicht.