Opposition befürchtet weiteren Verfall des Ortszentrums. Auch Kundenzentrum soll nach Harburg verlegt werden. Die jüngsten Botschaften haben den Optimismus bei vielen Bürgern schwinden lassen.

Neugraben. Gemessen an den vielen Plänen, die für Neugraben in der Vergangenheit präsentiert worden sind, hätte der Stadtteil eigentlich einer lichten Zukunft entgegensehen können. Die jüngsten Botschaften aber haben den Optimismus bei vielen Bürgern schwinden lassen. Zuletzt hatte Harburgs Chefstadtplaner Carl-Henning von Ladiges nicht nur die Wohnbebauung östlich und westlich der Marktfläche und die Umgestaltung der Alten Bahnhofstraße kassiert, selbst die Ansiedlung eines zweiten Vollsortimenters gilt als gescheitert. Nun sollen auch noch Abteilungen des Sozialen Dienstleistungszentrums (SDZ) Süderelbe nach Harburg verlagert werden und der Fortbestand des Kundenzentrums steht ebenfalls zur Disposition.

"Damit ist für Neugraben auf Jahre keine Entwicklung mehr möglich", sagte der FDP-Abgeordnete Immo von Eitzen bei der jüngsten Sitzung der Bezirksversammlung (BV) am Dienstagabend im Rathaus. Bei der gleich mehrere Anträge zu Neugraben auf der Agenda standen. Für den Liberalen sei die SPD mit ihren Plänen "falsch abgebogen", Nun gelte es, diesen Fehler zu korrigieren. Von Eitzen forderte unter anderem eine rasche Öffentliche Plandiskussion zum B-Plan NF70 - und erntete damit heftigen Widerspruch.

Harburgs Baudezernent Jörg Heinrich Penner verwies darauf, dass das Planverfahren längst tot sei und von der Bezirksversammlung mit klarer Mehrheit beerdigt worden sei. "Deshalb ist der FDP-Antrag das falsche Signal. Mit einer Neuaufnahme würde sich die BV lächerlich machen", so Penner.

Nicht viel besser erging es dem FDP-Antrag, die Planungen für das Zentrum Neugraben ohne die Fußgängerbrücke weiterzuführen und das Viadukt zugunsten "einer attraktiven Fußgängerzone mit entsprechender Aufenthaltsqualität" mittelfristig abzureißen. Laut Heinz Beeken (SPD) sei es viel vernünftiger, die Brücke wieder zu ertüchtigen. Das habe im Übrigen sogar der Stadtteilbeirat befürwortet. "Der Abriss zum jetzigen Zeitpunkt wäre vorschnell und kurzsichtig, zumal die Brücke auch für die Verkehrssicherheit wichtig ist", so Beeken.

Emotionsgeladen gestaltete sich dann auch die Debatte um die Verlagerung von Abteilungen des SDZ Süderelbe nach Harburg. Um die vom Senat geforderte Konsolidierung des Haushalts umzusetzen, plant das Bezirksamt Anträge für Leitungen der Grundsicherung, zur Hilfe zum Lebensunterhalt und zur Pflege sowie der Leistungen für Asylbewerber künftig nur noch im SDZ Harburg anzunehmen und zu bearbeiten. Dadurch soll es zu "Einsparungen im Personal- und Sachhaushalt bei gleichzeitiger Verbesserung des Dienstleistungsangebots im leistungsfähigen SDZ im Kerngebiet" kommen, die in der Vorlage des Bezirksamts mit 182 000 Euro beziffert werden.

Gegen diese Pläne lief die versammelte Opposition Sturm. "Wie diese Einsparungen tatsächlich realisiert werden sollen, bleibt mir absolut schleierhaft", so die Grünen-Abgeordnete Heinke Ehlers. Zumal die Höhe in keiner Relation zu fragwürdigen Investitionen des Bezirksamts an anderer Stelle, etwa der Aufhübschung des Gloriatunnels, stehe. Die Linke wies darauf hin, dass jede Einschränkung, von einer Teilverlagerung bis zur Schließung immer diejenigen ausgrenze, die alt, gebrechlich, in ihrer Bewegungsfreiheit eingeschränkt oder arm sind. "Die Menschen in den Neugrabener Quartieren haben ein berechtigtes Interesse an einem leichten Zugang zu Beratung und Unterstützung ihres Alltags", so die stellvertretende Fraktionsvorsitzende Sabine Boeddinghaus.

An dieser Stelle sind sich die Linken absolut einig mit den Christdemokraten - auch im Hinblick auf den Erhalt des Kundenzentrums Süderelbe. Das nach Vollendung eines Neubaus an der Knoopstraße ebenfalls nach Harburg verlagert und mit dem Kundenzentrum Harburg fusioniert werden soll. "Derartige Überlegungen stehen im krassen Gegensatz zum immer wieder beteuerten Ziel, die Bezirke zu stärken", so Fraktionschef Ralf-Dieter Fischer.

Mehr als 32.000 Fälle seien im Jahr zu bearbeiten, deshalb müssten bürgernahe "Vor-Ort-Angebote" zwingend gesichert werden. Fischer: "Die Beurteilung über die Zukunft des Kundenzentrums darf nicht nach fiskalischen, sondern muss nach sozialen und menschlichen Gesichtspunkten entschieden werden." Zumal sich bei einer negativen Entscheidung der Verfall des Neugrabener Ortszentrums fortsetze und dieser Standort damit weiter kaputt gemacht werde.