Der Verein Bäuerliches Hauswesen Bliedersdorf lässt ein historisch bedeutsames Hofgebäude neu entstehen.

Die größten organisatorischen Hürden eines rund zehn Jahre dauernden Marathons sind genommen: Rainer Kröger, Vorsitzender des Bliedersdorfer Vereins "Bäuerliches Hauswesen" und seine Mitstreiter strahlen vor Freude und Tatendrang. Sie wollen ihr einmalig schönes Ensemble auf dem Vereinsgelände an der Dohrenstraße um ein weiteres Schmuckstück bereichern. Mit dem Zuwendungsbeschluss des Landesamtes für Geoinformation und Landentwicklung Niedersachsen (LGLN), dem grünen Licht von der Gemeinde Bliedersdorf und der Samtgemeinde Horneburg und dem notwendigen Grundstückszukauf haben sie nun die besten Voraussetzungen, ihr lang gehegtes und mit allen Details geplantes Vorhaben in die Tat umzusetzen.

Die rund 150 Vereinsmitglieder wollen ein etwa 380 Jahre altes historisches Kleinbauernhaus wieder aufbauen und zu ihrem denkmalgeschützten Ensemble aus Schafstall, Durchfahrtscheune, Schmiede und Backhaus hinzufügen. Das klassische "Niederdeutsche Hallenhaus" aus der Elbe-Weser-Region liegt derzeit noch zerlegt in der Nottensdorfer Zimmerei von Dierk Heins. Dort haben die Vereinsmitglieder bereits mit der Restaurierung dieses Kulturerbes begonnen.

Stück für Stück werden sie dann Ständer, Kopfbänder, Riegel, Schweller, Rähm, Decken- und Kehlbalken und Sparren wieder zusammenfügen und - wo nötig - mit originalen Reparaturstücken ergänzen. Das Baumaterial hat der Verein aus drei historischen Abbruchhäusern geborgen. Allerdings erfordert ein solches Projekt neben großem Fleiß, handwerklichem Können und historischem Wissen auch eine Menge Geld und ein Areal, wo das Haus letztlich stehen kann. "Wir sind glücklich, dass wir seit Februar den Ratsbeschluss der Gemeinde Bliedersdorf zum Bebauungsplan Nr. 8 A "SO - Bäuerliches Hauswesen" haben und nun auch das nötige Geld bewilligt bekamen", sagt Rainer Kröger. Mit 190.000 Euro kann der Verein nun als Leader-Projekt vom LGLN geförderte Vorhaben verwirklichen. "Lienhard Varoga vom LGLN überbrachte den Bewilligungsbescheid über 103.000 Euro. Die Gemeinde Bliedersdorf und die Samtgemeinde Horneburg unterstützen es jeweils mit 30.000 Euro und der Rest von rund 27.000 Euro hat der Verein mit gemeinschaftlichen und ehrenamtlichen Einsatz dazu erarbeitet", sagt Kröger.

Jahrelang haben die Vereinsmitglieder Sachspenden zusammengetragen, im historischen Backofen Brote und Kuchen gebacken, die bei zahlreichen Festen auf dem Vereinsgelände neben anderen kulinarischen Verführungen reißend Absatz fanden. Die Frauen und Männer organisierten urige Bauernmärkte, Vereins- und Folklorefeste mit internationalen Gästen auf dem Vereinsgelände und anspruchsvolle Konzerte im historischen Schafstall. Erlöse aus den Veranstaltungen flossen in die Sparbüchse für das Hallenhaus.

Von Oktober 2010 bis April 2012 arbeiteten die Vereinsmitglieder rund 1.300 Stunden an der Restauration des Kleinbauernhauses in der Zimmereihalle Heins. Unterstützt wurden sie von Jugendlichen der Jugendbauhütte. Sie investierten so etwa 13.000 Euro in das Projekt, berichtet Kröger.

Die 9,10 Meter breiten Vorder- und Hintergiebel, die beiden 21 Meter langen Fachwerkseitenwände sind nun fertig. Restauriert sind auch Ständer und Deckenbalken, Kleinteile sowie die Herdwand. Fachmännisch angepasst wurden auch die Eichensparren für den Dachstuhl. Dazu wurden 170 schlanke, bis zu 13 Metern hohe Tannen im Wald geschlagen und geschält. Die Rundhölzer werden beim Wiederaufbau auf die Sparren genagelt um darauf das Reet zu nähen.

Geplant ist, das Haus zu den vier bäuerlichen Nebengebäuden als Hauptgebäude einzugliedern und es zum Mittelpunkt des Vereinslebens zu machen.

Ein weiterer wichtiger Schritt war vergangene Woche die Unterzeichnung des Kaufvertrages für ein 3500 Quadratmeter großes Kirchen-Grundstück neben dem Vereinsgelände, der von Kröger, dem Horneburger Architekten Jens Wilke, Pastorin Manuela Handelsmann und Kirchenvorstand Reinhard Kusel unterzeichnet wurde. "Nun muss nur noch die Kreisbaubehörde unseren Bauantrag bewilligen", sagen Kröger und sein Mitstreiter Klaus Krebber - dann können wir mit dem Aufbau beginnen.

Das "Niederdeutsche Hallenhaus" in Zweiständerbauweise hatte bis 1993 in Hagen-Börsten, im Landkreis Cuxhaven gestanden und wurde im Juli 1993 von Mitgliedern der Interessengemeinschaft Bauernhaus (IGB) sorgfältig auseinander genommen, um es für eine sogenannte Translozierung (Versetzung an eine andere Stelle) vorzubereiten. Der jüngste Teil des Hauses ist mit einer Giebelinschrift von 1779 datiert. Der Aufbau des alten Kernbaus wurde nach einer Dendrochronologie (Altersbestimmung des Bauholzes) der Bauernkriegzeit um 1635 zugeordnet. In einer älteren Verlängerung fand sich ein Jahreszahlbalken von 1747.

Erfahrung haben die Vereinsmitglieder mit der erfolgreichen Rekonstruktion historischer Gebäude. Die "Interessengemeinschaft Bauernhaus e. V." (IGB) verlieh dem Verein 2004 eine besondere Auszeichnung "für die Errichtung eines mustergültigen Dorfparks mit alten Gebäuden". Besonders stolz sind die Vereinsmitglieder darauf, dass zwei ihrer wieder errichteten Gebäude vom Niedersächsischen Landesamt für Denkmalpflege 2006 jeweils als Einzelbaudenkmale im Verzeichnis der Kultur- und Baudenkmale aufgenommen wurden. Der Schafstall und das Backhaus wurden mit viel Liebe zum Detail und handwerklichem Geschick originalgetreu wieder aufgebaut. Dazu sind in den Gebäuden Hausrat und Arbeitsgeräte zu sehen, wie sie einst zu Urgroßmutters Zeiten gebräuchlich waren. "Viele Bauernhäuser mit ihren Nebengebäuden und -anlagen sind interessante Zeitzeugnisse bäuerlicher und ländlicher Lebensart", sagt Krebber. "Solche Werte möchten wir erhalten und für spätere Generationen erlebbar machen."