Schweißautomaten setzen Tausende Einzelteile zur Nordeuropäischen Erdgasleitung zusammen. Die Rohrstücke aus Stahl sind 18 Meter lang und mehr als eine Tonne schwer.

Harmstorf/Holtorfsloh . Rohre, Rohre, Rohre. Rund 700 Stahlrohre hat der Schweißfacharbeiter Marcus Tietz, 39, binnen eines Jahres im Landkreis Harburg zusammengeschweißt. An diesem Tag arbeitet er auf einem Feld in Holtorfsloh. Acht Rohre für die Nordeuropäische Ergasleitung (NEL), die von Lubmin in Vorpommern 450 Kilometer nach Nordrhein-Westfalen führen wird, schaffen er und seine Arbeiter an diesem Tag. Jetzt geht es darum, die letzten 35 Kilometer der Pipeline im Landkreis Harburg fertigzustellen.

Die Rohrstücke aus Stahl sind 18 Meter lang und mehr als eine Tonne schwer. 400 Arbeiter werden allein für den letzten Streckenabschnitt rund 2000 Erdgasrohre zusammenschweißen und unter die Erde bringen. Das Schweißen der Nähte erfolgt per Schweißautomat. "Die Maschinen sind effektiver als Menschen", sagt Marcus Tietz. Ein Schweißautomat pro Rohrseite schweißt die Rohre zusammen, er ist mit einem Zelt überdacht. Insgesamt beträgt die Schweißnahtlänge 4500 Millimeter.

Die Arbeiter setzen den Schweißautomaten auf ein Laufband und richten ihn ein. Dann startet der Automat und das Schweißen beginnt. Ein Schweißer muss das Gerät bedienen und den Ablauf überwachen. Die Ansätze oben und unten schleifen die Schweißer mit einem Winkelschleifer, den Rest der Naht putzen sie mit einer Bürste. Später werden die Schweißnähte noch geröntgt und mit einem Ultraschallgerät überprüft - denn der Druck, den das Gas haben wird, ist mit rund 80 Bar immens.

Zuerst haben Bagger den Mutterboden rund 20 Zentimeter tief abgetragen und an einer Seite des 36 Meter breiten Arbeitsstreifens aufgeschichtet. Nach dem Zusammenschweißen wird ein mindestens 2,50 Meter tiefer Graben ausgehoben. Kräne legen die Rohre in den Rohrgraben. Zuvor haben Arbeiter mit einem speziellen Tester geprüft, ob die Rohrisolierung schadhaft ist.

Dann kommt die Erde wieder in den Boden - die Rohre werden einen Meter unter der Erdoberfläche verlaufen.

Ein sogenannter Padder siebt die Steine heraus und wirft die Erde in den Graben. Bagger verdichten die Erde und zu guter Letzt wird der Mutterboden wieder aufgeschüttet.

Besonders anspruchsvoll sind Unterquerungen von Straßen, Eisenbahnschienen und Flüssen. Dann kommt die Presskolonne unter Tiefbaufacharbeiter Heinrich Peters, 55, aus Handeloh zum Einsatz. Die nächste Pressung erfolgt diese Woche unter der Luhdorfer Landstraße (L 234). Mit Hilfe von Pressluft werden die Rohre in den Erdboden unter den Hindernissen hineingerammt.

Die Arbeitsgemeinschaft NEL (ARGE NEL) unter Federführung des Tostedter Rohrleitungsbauunternehmens Vorwerk hatte den Zuschlag zum Bau der sogenannten Südvariante Winsen erhalten. Die 450 Kilometer lange NEL ist neben der 480 Kilometer langen Ostseepipeline-Anbindungsleitung (OPAL) eine der beiden Leitungen zum Abtransport der in Lubmin bei Greifswald über die 1200 km lange Ostseepipeline Nord Stream anlandenden Erdgasmengen aus Russland. Teile der NEL wurden bereits vergangenen Herbst mit dem zweiten Strang der Nord Stream in Betrieb genommen.

Weil Bürger und Verwaltungen aus Winsen und Stelle gegen den geplanten Trassenverlauf im Bereich Winsen geklagt hatten und vom Oberverwaltungsgericht Lüneburg im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes vorläufig Recht bekommen hatten, wurde die Leitung im Bereich Winsen umtrassiert. Jetzt läuft sie nicht nördlich, sondern südlich von Winsen. Der Weitertransport der für die NEL pro Jahr geplanten rund 20 Milliarden Kubikmeter Erdgas aus Russland musste um 80 Prozent reduziert werden und wird vorerst über die Anbindung der NEL an vorhandene Leitungsnetze vorübergehend mit Teilmengen geführt.

Die Verlegung der Trasse im Bereich Winsen kommt die Bauherrn - die W & G Beteiligungs-GmbH & Co. KG, die Gasunie Ostseeanbindungsleitung GmbH, die Fluxys Deutschland GmbH und E.ON Ruhrgas AG - teuer zu stehen. Die Leitung wird teurer, da sie sieben Kilometer länger als die ursprünglich geplante Nordvariante ist. Das allein dürfte mit rund 14 Millionen Euro zu Buche schlagen. Jetzt wird die Südvariante Winsen von Bütlingen über Rottorf, Luhdorf, Pattensen, Thieshope und Marxen bis nach Harmstorf führen.

"Wir mussten eine andere Trasse finden, denn bis zu einer endgültigen Gerichtsentscheidung bezüglich der Nordtrasse hätten noch Jahre ins Land gehen können", sagt Vorwerk-Diplom-Kaufmann Christian Weiß, 57. "Das galt es zu vermeiden, denn das Gas soll ja fließen."

Die ARGE NEL, zu der sich die Firmen Vorwerk (Tostedt), PPS Pipeline Systems (Quakenbrück) und Anton Meyer (Neuenhaus) zusammengeschlossen haben, zeichnet für einen rund 132 Kilometer langen Bauabschnitt von Hittbergen an der Elbe bis Achim im Kreis Verden verantwortlich. Mit der Südvariante Winsen läuft nun der letzte Bauabschnitt auf rund 35 Kilometern. "Im Herbst dieses Jahres soll dieser Bauabschnitt fertiggestellt sein", sagt Christian Weiß.

Die Südvariante Winsen haben Christian Weiß und seine Kollegen mit mehr als 200 Grundstückseigentümern und Pächtern abgestimmt. Die Gasrohre müssen mindestens 350 Meter entfernt von jeglicher Bebauung verlaufen. "Die Grundstücksverhandlungen waren geprägt von sehr viel Sensibilität", sagt Christian Weiß. "Es gab teilweise auch sehr schwierige Verhandlungen, aber schließlich haben wir alles einvernehmlich gelöst."