In Workshops setzten sich Neuntklässler aus Tostedt mit rassistischer Gewalt und Diskriminierung auseinander

Tostedt. Eigentlich sind es harmlose Zahlen: 18, 88 und 14. Was bitte soll das mit Rechtsextremismus zu tun haben? Eine ganze Menge, erfahren die Neuntklässler aus Tostedt in dem Workshop "Mode, Schmuck... - Symbole der rechtsextremistischen Szene", den sie gestern während des Jugendkongresses gegen Extremismus - für Toleranz und Vielfalt" im Oberstufenzentrum des Tostedter Gymnasiums besuchten.

Die Zahlenkombination 88 steht für HH als achten Buchstabe des Alphabets, gemeint ist "Heil Hitler". Die 18 ist eine Kombination für Adolf Hitler. Taucht eine 14 auf, sind die 14 Words des Naziterroristen David Lane gemeint: "We must secure the existence of our people and a future for white children". Übersetzt heißt das: "Wir müssen den Fortbestand unserer Rasse bewahren und auch die Zukunft arischer Kinder sicherstellen."

Was nichts anderes ist als ein Aufruf, andere auszurotten. Wie Maik Bischoff von der Arbeitsstelle Rechtsextremismus und Gewalt (ARUG) erklärte, hat die rechtsradikale Terrorzelle NSU aufgrund dieser 14 Wörter versucht, 14 Morde in Deutschland zu begehen. "Da sieht man, wie gefährlich Worte sein können", sagt der Fachmann Maik Bischoff.

Rund 120 Schüler der neunten Klassen aus der Erich-Kästner-Realschule, Töste Realschule, Schule am Düvelshöpen und Gymnasium Tostedt, nahmen gestern an den Workshops des Jugendkongresses unter anderem zu den Themen Gewalt und Ausgrenzung im Sport, Rechtsextremismus und neue Medien teil. Weitere 150 Neuntklässler hörten sich zum selben Thema einen Vortrag der Polizei und des Staatsschutzes zum Thema "Zivilcourage" an.

Die Schüler erfuhren vor allem eines: Dass es Rechtsextremismus abseits von Hitlergruß, Glatze und Hakenkreuz gibt. Dass man ganz genau hinschauen muss. Wer hätte beispielsweise gedacht, dass die Rechtsextremisten Che Guevara als Symbol für ihre Szene missbrauchen? "Das war doch der, der sich gegen den Diktator in Kuba eingesetzt hat", sagte Sarah, 15, aus Tostedt, als Maik Bischoff die Schüler in seinem Workshop nach ihrer Einschätzung von Symbolen, CD-Cover und Liedtexten befragte.

"Che Guevara kämpfte genauso gegen den Staat, wie es die Rechtsextremisten heute tun, deshalb drucken die Nazis ihn auf ihre Shirts - nur ohne Stern", erklärte er. "Die Rechtsextremistische Szene nutzt ganz viele Dinge, auf die wir nicht gleich kommen. Und genau darin liegt die Gefahr."

Dazu zählt auch der Schriftzug "Consdaple", in dem das verbotene Wort NSDAP steckt. Die Rechtsextremisten verpacken es in dem Kunstwort, und schon können sie sich mit einem solchen Schriftzug legal zeigen. Ganz besonders legte Maik Bischoff den Jugendlichen ans Herz, sich die so genannte schwarze Sonne zu merken. Sie ähnelt einem Wagenrad und hat mehrere Siegrunen in sich.

Und Musik war ein zentrales Thema. Wie menschenverachtend sind die Texte? Wie geht die Band mit rechtsextremistischem Publikum um? Distanzieren sich die Musiker öffentlich vom Rechtsextremismus oder nicht? Solche Fragen stellt sich Maik Bischoff in seiner Analyse. Sein für manche Schüler überraschendes Fazit lautet: Die Band "Frei.Wild" bewegt sich in einer Grauzone, ist rechtsoffen, während sich die Band "Böhse Onkelz" schon vor Jahrzehnten vom Rechtsextremismus distanziert hat und zum Teil mit ARUG zusammenarbeitet.

Inwiefern die Rechtsextremisten Musik für ihre Zwecke nutzen, machte der Workshop mit dem Titel "Einstiegsdroge "RechtsRock" deutlich. Der Referent Frank Ziemann vom niedersächsischen Verfassungsschutz führte den Schülern vor, mit welchen Werbefilmen beispielsweise die rechtsextremistische Gruppierung "Besseres Hannover" um Jugendliche buhlte.

Das Video der Gruppe, die im vergangenen Jahr verboten wurde, zeigt zunächst triste Bilder eines offenbar arbeitslosen unglücklichen Mannes zur Melodie von "Spiel mir das Lied vom Tod". Dann heißt es "Ändere was, komm' zu uns". Darauf ertönt Rockmusik, die Bilder werden freundlicher, aktiver. "Es ist ein schleichender Prozess", sagt Frank Ziemann. "Die langweilige Musik bindet einen, weil man sie kennt, und dann leitet der Film über zur aktiveren Musik. Deshalb bleiben vielleicht einige Jugendliche am Video hängen."

Uwe Neumann, Leiter des Tostedter Gymnasiums, und die Jugendlichen zogen gestern ein positives Fazit des Jugendkongresses. "Die Schüler sind sehr stark für das Thema sensibilisiert worden", sagt Neumann. Und den Jugendlichen selbst gefiel besonders, dass sie in den Workshops stark in die Arbeit einbezogen wurden.

Schade nur, dass der Workshop "Tostedter Verhältnisse - Was geht mich das an? - Diskriminierung, Ausgrenzung und Gewalt im Alltag" im ersten Workshop-Durchlauf von keinem einzigen Schüler besucht wurde.