Drängler und Temposünder gefährden sich und Andere. Sie müssen mit hohen Strafen rechnen. Unterwegs mit den Beamten der Verkehrsstaffel

Harburg. Sie machen das, was für andere Autofahrer verboten ist. Sie rasen durch die Straßen Hamburgs. Polizeihauptkommissar Manfred Schwab, 52, arbeitet seit 1978 bei der Polizei und nun seit mehr als acht Jahren bei der Verkehrsstaffel Süd. Sein Kollege, Polizeikommissar Martin Lipicar, ist 35 Jahre alt und sechs Jahre dabei. Die beiden Zivilpolizisten sind mit Zivilwagen unterwegs, mal mit Berliner, Dresdener oder Hamburger Nummernschild. Ihr Aufgabengebiet: Raser und Drängler stoppen. In einer Schicht legen Lipicar und Schwab schon mal 300 Kilometer im Dienst-BMW zurück.

Auch wenn die Geschwindigkeitsvergehen in den vergangenen Jahren laut Manfred Schwab zurückgegangen sind, gebe es noch immer genug Fahrer, die es besonders eilig hätten. Nicht jede Überschreitung des Tempolimits ist ein Fall für die Verkehrsstaffel. Schwab und Lipicar sind zuständig für die schlimmen Vergehen.

"Erst bei 31 Stundenkilometern drüber steigen wir aus", sagt Martin Lipicar. Den typischen Raser gebe es nicht. Alle Altersgruppen seien vertreten, Teenager oder Rentner, die den Fuß nicht vom Gaspedal bekommen. Wobei es im Schnitt öfter Männer seien.

Aber auch den beiden von der Verkehrsstaffel geht ab und zu mal ein Raser durch die Lappen. Hauptkommissar Schwab erinnert sich an einen Ferrari mit tschechischem Kennzeichen, der ihm mit gut 300 Sachen davonfuhr: "Da hat man keine Chance", so Schwab. Als Beweismittel bei der Raserüberführung dient das "Proof Video Data System" (ProViDa). Dabei wird eine Weg-Zeit-Berechnung vorgenommen. Das System berechnet die Durchschnittsgeschwindigkeit des Rasers, wobei mindestens eine Strecke von 300 Metern benötigt wird, um ein aussagekräftiges Ergebnis zu erhalten. Zudem werden Verkehrsdelikte durch eine Front- und Heckkamera aufgezeichnet. Die Geschwindigkeit, die im ProViDa-Fahrzeug angezeigt wird, ist geeicht und somit auch rechtskräftig, gilt vor Gericht als Beweis. Als Nachteil sieht Lipicar allerdings, dass die Polizei dazu gezwungen sei, die Fahrzeuge anzuhalten. Und das sei bei Motorrädern oder Autos mit sehr viel PS manchmal schwer bis unmöglich.

Ein ganz normaler Freitag für Martin Lipicar und Manfred Schwab: Viel Verkehr auf den Autobahnen, keine Chancen für Raser. Aber es dauert keine halbe Stunde, bis die beiden Beamten einen schwarzen Toyota entdecken, der auf der Wilhelmsburger Reichsstraße mit Tempo 125 unterwegs ist. Erlaubt sind hier 70 Stundenkilometer. Lipicar und Schwab überholen den Wagen. Am Steuer des Toyotas sitzt ein junger Mann. Für ihn endet die Fahrt jetzt auf dem Parkplatz der nächsten Tankstelle. Die Polizisten steigen aus und gehen zum schwarzen Wagen. Schnell stellt sich heraus, dass der Fahrer überhaupt keine Papiere dabei hat. Und der Toyota sei "von einem Kumpel" geliehen, sagt er. Er wird seinen Führerschein nun nächste Woche bei der Verkehrsstaffel vorlegen müssen. "Er wird mit einer Strafe von 240 Euro und vier Punkten in Flensburg rechnen müssen. Außerdem bekommt er einen Monat Fahrverbot", sagt Martin Lipicar später im Dienstwagen, nachdem die Beamten den Toyota-Fahrer haben weiter fahren lassen.

Kurze Zeit später fällt den beiden Beamten der nächste Raser auf. Auf der Finkenwerder Straße ist ein junger Mann mit satten 105 Sachen unterwegs, und damit 55 Stundenkilometer schneller, als erlaubt. Gestoppt von den beiden Polizisten zeigt sich der 27 Jahre alte Fahrer des Audi einsichtig. Ein Blick auf den Bußgeld-Katalog zeigt: Dem 27-Jährige drohen vier Punkte, zwei Monate Fahrverbot und 280 Euro Bußgeld.

Auch am Maschener Kreuz hat es jemand offenbar besonders eilig. Martin Lipicar schaltet mit der Fernbedienung die Kamera ein. Kollege Schwab tritt das Gaspedal durch und folgt dem Auto. Lipicar misst mit der Kamera die Durchschnittsgeschwindigkeit des Rasers. Sie wird gespeichert, um später, falls es zu einer Gerichtsverhandlung kommt, als Beweismittel zu dienen. Die Messung lohnt sich: Der Mann fährt mit 162, also mehr als dem Doppelten der erlaubten 80 Kilometer pro Stunde. Die Strafe für den jungen Mann auch hier: 280 Euro, vier Punkte, Fahrverbot für drei Monate. "Weil er die Höchstgeschwindigkeit um 100 Prozent überschritten hat, könnte ihm noch eine schlimmere Strafe drohen. Wenn er den falschen Richter erwischt, wird daraus vielleicht Vorsatz", so Lipicar.

Ein wenig später entdecken Schwab und sein Kollege einen Opelfahrer auf der Überholspur, der viel zu dicht auf seinen Vordermann auffährt. Schwab sitzt am Steuer des Polizeiautos. Um diese Situation mit der Videokamera zu erfassen, fährt der Polizist in Schlangenlinien hinter dem Drängler. "War das ein Mittelfinger?", fragt Lipicar mit Blick auf den Wagen auf der rechten Fahrspur seinen Kollegen. Schwab nickt. "Den hätte ich gerne mal gesprochen.", sagt Martin Lipicar. Also wechselt Schwab auf die rechte Spur. Die Beamten stoppen den Autofahrer, der ihnen den Stinkefinger gezeigt hat. Er habe sich durch die "merkwürdige" Fahrweise der Beamten bedrängt gefühlt, erklärt der junge Mann. Ein paar Euro wird er zahlen müssen. Ihm droht Führerscheinentzug.

Keine Viertelstunde später schlängelt sich ein dunkler VW-Bus durch die Billhorner Brückenstraße. Laut ProViDa-Messung hat der Fahrer mehr als 100 Stundenkilometer auf dem Tacho. Erlaubt ist hier aber nur Tempo 50. Der 24-jährige Fahrer erklärt: "Ich hatte es eilig und habe den Platz ausgenutzt, dumm gelaufen." Die Überschreitung bringt ihm Punkte in Flensburg und eine Geldbuße. Das Fazit: fünf Einsätze in weniger als drei Stunden. Für Polizeikommissar Martin Lipicar ist das nur "alltäglicher Irrsinn".