Auch in Niedersachsen müssen die Deiche erhöht werden. Spundwände direkt auf der Krone sind durchaus realistisch. Die Deiche sind unverzichtbar für die Sicherheit der Elb-Anlieger.

Bullenhausen. Den Anliegern des Elbdeichs stehen große Veränderungen bevor. Das Land Niedersachsen ist derzeit dabei, die sogenannten Bestickhöhen der Deiche neu zu berechnen. Die Folgen von Klimawandel und Elbvertiefung machen es notwendig, den Küstenschutz anzupassen und im Zuge dessen auch die Deiche zu erhöhen. Auch wenn noch nicht feststeht, wie genau diese Erhöhung aussieht, werden die hübschen grünen Hügel in ihrer jetzigen Form wohl Geschichte sein. Flutschutzmauern könnten direkt auf die Deichkrone gesetzt werden, flanieren bei bester Aussicht wäre dann nicht mehr so wie bisher möglich.

"Bis Ende des Jahres will die Forschungsstelle Küste die Berechnungen für die Elbdeiche auf niedersächsischer Seite vorlegen, erst dann wissen wir mehr", sagt Heiko Warnecke, Aufgabenbereichsleiter Küsten- und Hochwasserschutz in den Landkreisen Harburg und Lüneburg beim Niedersächsischen Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN). Er war am Freitag in den Seevetaler Ortsteil Bullenhausen zur traditionellen Frühjahrsdeichschau gekommen, bei der der Zustand des Deichs zwischen Fünfhäuser Straße und Seeve-Siel auf einer Länge von sechseinhalb Kilometern überprüft wird.

Der Landkreis Harburg und seine zuständige Untere Deichbehörde sind gesetzlich verpflichtet, zweimal im Jahr - jeweils zum Frühjahr und zum Herbst - mögliche Schäden an den Deichen zu dokumentieren und Ausbesserungen in Auftrag zu geben. "Ein wirklich großer Schaden ist bisher aber noch nicht aufgetaucht, sondern immer eher viele kleine", sagt Kreisrat Björn Hoppenstedt. Gleichwohl können so manche scheinbar nebensächlichen Dinge wie eine beschädigte Grasnarbe, Eisschollen, die im Winter ans Ufer schwappen, oder Schilder, die ins Erdreich geschlagen werden, größere Probleme bei der Sicherheit des Deichs nach sich ziehen als man zunächst denkt.

Die Deiche sind unverzichtbar für die Sicherheit der Elb-Anlieger. Und deshalb ist auch die Erhöhung der Deiche unverzichtbar, wenn der Meeresspiegel aufgrund des Klimawandels steigt und der Tidenhub, also der Unterschied zwischen dem Wasserstand bei Flut und dem Stand bei Ebbe, als Folge der Elbvertiefung immer größer wird. Hamburg habe bereits einen um 80 Zentimeter höheren Bemessungswasserstand als bisher ermittelt, erklärt Michael Schaper, Fachbereichsleiter Deichverteidigung und Deichaufsicht des zuständigen Landesbetriebs Straßen, Brücken und Gewässer. Er war ebenfalls zur Deichschau gekommen, denn der Elbdeich bei Bullenhausen grenzt direkt an Hamburger Gebiet.

Schaper rechnet damit, dass in der Hansestadt im Jahr 2016 der erste Spatenstich erfolgen wird, um die 80 Kilometer an Erddeichen und 25 Kilometer an Flutschutzwänden den zukünftigen Erfordernissen anzupassen. Da nicht alle Deiche und Wände auf einmal erhöht werden können, wird eine Prioritätenliste erstellt. Bis zu 35 Jahre werde es dauern, bis alles fertig ist, da pro Jahr lediglich 20 bis 25 Millionen Euro verbaut werden. Der Bemessungswasserstand soll bis zum Jahr 2050 seine Gültigkeit haben. Heißt: Nach dem Deichbau ist vor dem Deichbau.

Auf niedersächsischer Seite beobachtet man das Geschehen beim Nachbarn genau. Es gebe zwar Absprachen mit den Bundesländern Hamburg und Schleswig-Holstein, sagt Warnecke. Trotzdem herrsche beim Deichbau traditionell immer eine Art Wettstreit. Dass es unterschiedliche Höhen an den Stellen gibt, an denen zwei Länder aufeinandertreffen, hält er für durchaus realistisch. "Solange jeder seine eigene Bemessungsgrundlage für die Erhöhung hat und sich beim Bau für eine unterschiedliche Konstruktion entscheidet, wird das auch so bleiben."

Als mögliches Szenario einer Deich-Erhöhung nennt Warnecke vor allem das Einschlagen von Spundwänden in die Deichkrone. Ein höherer grüner Deich sei sehr schwer umzusetzen, denn bei einem Plus von einem Meter müssen in der Breite beiderseitig drei Meter hinzukommen. Allein aufgrund der räumlichen Enge am Elbdeich, der nahen Straße und der Häuser, hält er das für nahezu ausgeschlossen. Auch die umstrittene Flutschutzmauer am Südstrand in Bullenhausen, die erst nach jahrelangen Klagen gebaut werden konnte und im Mai fertig sein soll, wird von der Erhöhung nicht ausgenommen sein. "Wir haben sie so gebaut, dass sie theoretisch um einen Meter erhöht werden könnte."

Bürgerproteste der Elb-Anlieger dürften vorprogrammiert sein, doch denen sieht der NLWKN relativ gelassen entgegen. Man müsse den Leuten eben immer wieder klar machen, dass der Deich nicht in erster Linie eine Aussichtsplattform oder ein Spazierweg ist, sagt Warnecke. Er dient zum Schutz von Menschenleben und bewahrt bei Sturmfluten vor dem Ertrinken.