Bezirk Harburg will Grünfläche an der Winsener Straße gegenüber Busdepot bebauen. Anwohner wehren sich. Im Bauamt der Harburger Bezirksverwaltung aber hält man dieses Projekt für den großen Wurf.

Harburg. Die einen nennen es "städteplanerischen Murks". Die anderen nennen es "Schaffung funktionaler Grünflächen". Eine der letzten Baulücken an der Winsener Straße, die gewiss zu den lautesten Straßen Hamburgs zählt, soll geschlossen werden. Die Rede ist von der Fläche gegenüber dem Busdepot, Höhe Hausnummer 80. Wo jetzt ein Kinderspielplatz, alter Eichenbestand und eine Grünfläche zu finden ist, soll ein geförderter Geschosswohnungsbau entlang der Straße entstehen mit Wohnungen für junge Familien, Studierende und Senioren.

Im Erdgeschoss wird eine Kita mit etwa 100 Plätzen eingerichtet, zur Winsener Straße hin sollen Geschäfte einziehen. Baubeginn könnte schon in diesem Jahr sein. Laut offizieller Vorstellung des Bauprojektes der Harburger Bezirksverwaltung wird das Bauvorhaben als "Erhalt und qualifizierte Entwicklung der öffentlichen Grünfläche in direkter Nachbarschaft" mit "hoher Wohnqualität in innerstädtischer Lage" beschrieben.

Vor knapp einem Monat wurden die Anwohner vom Bezirksamt Harburg zu dem Vorhaben angeschrieben. Sie haben im Rahmen der "Nachbarbeteiligung" die Möglichkeit, ihre Einwendungen zu erheben. Einer der Angeschriebenen ist Heinrich Küpers. Er wohnt in der Winsener Straße 68. Wenn er aus seinem Fenster schaut, sieht er Grünfläche und Kinderspielplatz. Seine Argumente, die er auch als Einwendung beim Bezirksamt abgegeben hat, wiegen schwer. "Es ist städtebaulich völliger Murks, diese Baulücke zu schließen und damit eine wertvolle Grünfläche insbesondere für Kinder, die an dieser viel befahrenen Straße leben, zu zerstören. Zudem ist diese Fläche überaus wichtig als Absorbtionsfläche für den Feinstaub. Man schafft hier ohne Not eine Straßenschlucht und erhöht damit die Lärmbelastung erheblich", sagt Heinrich Küpers.

Dass dieser Neubau Wilstorf und vor allem den Straßenzug Winsener Straße nun ausgerechnet für den Durchgangsverkehr attraktiver machen soll, so ein Argument des Bezirks, das erschließt sich auch Küpers Nachbarn, Elisabeth und Mohammed Reza Shahrasbi, nicht. Der Verkehr rolle dann "nur an einer weiteren Häuserfront vorbei". "Der gewählte Standort liegt gegenüber dem Busdepot, wo durch den Busverkehr vermehrt Feinstäube anfallen", heißt es weiter in Shahrasbis Einwendung.

Seine Familie habe mit drei heranwachsenden Kindern an der "stark befahrenen B 4 neben dem Busdepot einiges an Straßenlärm und Feinstaubbelastung auszuhalten", schreibt Friedrich Körner, ein weiterer Anwohner. "Unsere Eingangstür ist jede Woche von Neuem von schmierigem Staub zu reinigen, den Lärm haben wir mit Lärmschutzfenstern abzumildern versucht. Die Grünfläche mit den Bäumen auf der gegenüberliegenden Seite mildert die Belastungen bisher deutlich ab", und der Straßenlärm werde bisher noch nicht durch eine gegenüber liegende Häuserfront reflektiert, schreibt Körner an das Bezirksamt. Die neuen Nachbarn müssten denselben Lärm und Feinstaub ertragen, wie die Anwohner jetzt schon jeden Tag.

Im Bauamt der Harburger Bezirksverwaltung aber hält man dieses Projekt für den großen Wurf. "Eigentlich müssten sich die Anwohner über die Pläne freuen. Aber Bauen ist eben unpopulär. Nur müssen wir abwägen zwischen den beiden Fragen: Brauchen wir mehr Wohnungen oder mehr Grünflächen?", sagt Harburgs Baudezernent Jörg Penner. Penner erklärt die Rochade, die den Wohnungsbau an dieser Stelle überhaupt erst ermöglicht hat: Laut altem Bebauungsplan sollte die ganze Fläche in eine Parkanlage umgewandelt werden. Das sei nie gelungen, weil der hintere Teil der Fläche in Privatbesitz gewesen sei. Alle Versuche der Stadt, die Fläche zu kaufen, seien am Eigentümer gescheitert.

Jetzt habe der Eigentümer dem Verkauf der hinteren Fläche zugestimmt. Dafür gibt die Stadt dem Eigentümer das Bauland entlang der Winsener Straße. "Wir werden nun also hinter dem Neubau eine Parkanlage anlegen mit einem Spielplatz und damit die Fläche insgesamt aufwerten. Das Spielplatzheim wird nicht wieder eröffnen, weil die Nachfrage zu gering ist", sagt Penner. Zu den alten Eichen befragt, sagt Penner: "Ja, da muss ein bisschen was weg."

In der neuen Häuserzeile, so Penner, sei ein Durchgang zur Parkfläche geplant. So blieben der Park und die Grünfläche für die Anwohner der ganzen Winsener Straße erreichbar. Küpers Gegenvorschlag für die Wohnbebauung wird aufgrund der neuen Besitzverhältnisse auf dieser Fläche hinfällig. "Würde man in dem Bogen die hintere Fläche bebauen, dann könnten die Eichen davor stehen bleiben, die Spielplätze blieben erhalten und die Grünfläche entlang der Winsener Straße auch", sagt Heinrich Küpers. Es geht uns nicht darum, gegen neue Nachbarn zu opponieren, aber man kann diese Aufgabe städteplanerisch weitaus besser lösen, als dies mit den uns vorliegenden Planungen der Fall ist", sagt Heinrich Küpers.