Katalog listet 46 Lärmschutzprojekte für Harburg auf. Doch dem Senat fehlt das Geld, den Krach zu mindern. “Es fehlt der Würgegriff der EU, dass diese Richtlinie und die Lärmaktionspläne auch umgesetzt werden.“

Harburg. Wie überflüssig EU-Richtlinien sein können, wissen die Bürger spätestens seit der Brüsseler Richtlinie zum Krümmungsgrad von Salatgurken. Diese Richtlinie wurde zwischenzeitlich von der EU wieder zurück genommen. Aber derzeit beschäftigen sich die Harburger Politik und der Hamburger Senat mit einer EU-Richtlinie, die in etwa ebenso viel Gehalt hat: die europäische Lärmschutz-Richtlinie. Seit fünf Jahren wird in Harburg in Lärmforen und in der Bezirksversammlung über dieses Thema diskutiert, es werden einzelne Projekte erarbeitet und Prioritäten gesetzt. Seit Oktober 2012 liegt nun ein Gutachten über die Ergebnisse des Harburger Lärmforums vor.

Die Expertise listet 77 Vorschläge von Bürgern zu einzelnen Lärmschutzmaßnahmen im Bezirk auf. Aus dieser Liste wurden 46 Projekte in einen Katalog aufgenommen. Am 31. Oktober stellte die Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt (BSU) darüber hinaus auch den Entwurf des "Lärmaktionsplans Hamburg - Stufe 2" vor. Bestandteil dieses Schriftstücks sind auch drei Projekte für besonders laute Abschnitte in Harburg: Winsener Straße, Buxtehuder Straße und Moorstraße. Der Senat berät derzeit über den Hamburger Lärmaktionsplan 2014. Für die Umsetzung aber fehlt das Geld.

Bei der jüngsten gemeinsamen Sitzung der Regionalausschüsse Süderelbe und Harburg sowie des Ausschusses für Wirtschaft, Umwelt und Verbraucherschutz wollte die CDU in der Harburger Bezirksversammlung vom Lärmexperten der BSU, Uwe Schacht, den neuesten Stand erfahren.

"Es fehlt der Würgegriff der EU, dass diese Richtlinie und die Lärmaktionspläne auch umgesetzt werden. Es fehlen auch die Richtwerte der EU, ab wie viel Dezibel Lärmbelastung die Richtlinie greifen soll. Unsere Aufgabe ist es, die Vorschläge der Bürger aus den Foren abzuarbeiten, die Umsetzung ist Sache der anderen Fachbehörden", erläuterte Uwe Schacht den Ausschussmitgliedern.

Fazit des Lärmaktionsplans: Der ÖPNV und der Radverkehr sollen gefördert, neue Lkw-Führungskonzepte erarbeitet, und Tempo 30-Zonen eingeführt werden. Der Lärmaktionsplan kommt zu weiteren Ergebnissen: So sind darin auch die Vorteile des passiven Schallschutzes aufgeführt, also der Einbau schalldämmender Fenster an den betroffenen Häusern, und das Aufbringen von Asphalt, der den Lärm reduziert. Doch Schacht machte aufkeimende Hoffnungen bei den Zuhörern im Sitzungssaal schnell zunichte: "Das Nachrüsten der Häuser an lauten Straßen mit passivem Lärmschutz würde die Stadt etwa fünf Millionen Euro pro Jahr kosten, und es ist in der Öffentlichkeit kaum vermittelbar, wenn wir an intakten Straßen mit offenporigem Asphalt Lärmschutz umsetzen, und viele andere Straßen im Stadtgebiet so kaputt sind, dass sie dringend repariert werden müssten, wir aber nicht das Geld für alle Maßnahmen haben."

Und auch der relativ kostengünstigen Einführung von Tempo 30 Zonen in lauten Straßen mit lärmgeplagten Anwohnern gibt Schacht wenig Chancen. Da spiele die Verkehrsbehörde nicht mit. Dennoch gibt es einen offiziellen Zeitplan, nach dem die beschlossenen Maßnahmen zum Lärmschutz ab 2014 theoretisch umgesetzt werden. "Wir rechnen damit, dass am Ende lediglich jene Projekte eine Chance auf Umsetzung haben, bei denen die Bürger den meisten Druck aufbauen. Das mag kurios klingen, ist aber so bei dieser EU-Richtlinie", sagte Schacht. Eine Chance sieht er in den nächsten fünf Jahren vor allem für die Einführung von Tempolimits. Machbar seien auch Lkw-Fahrverbote in den Nachtstunden. Viel leichter seien Lärmschutzmaßnahmen auf der Seite der Verursacher durchzusetzen, aber das sei nicht Gegenstand der Richtlinie. Das große Problem dieser Richtlinie aus Brüssel, so Schacht, sei die Tatsache, dass die EU zwar von "gesundheitsschädlichem Lärm" spreche, aber nicht definiert, was das genau und im Einzelnen sei.

Martin Hoschützky, Mitglied der CDU-Fraktion und einer der Antragsteller, brachte die größte Sorge seiner Kollegen auf den Punkt: "Sehr viele Bürger, die sich an den Lärmforen beteiligt und Ideen eingebracht haben, werden jetzt nach fünf Jahren Diskussion enttäuscht sein, weil ihre Vorschläge ja doch nicht umgesetzt werden."