Im Mobilcentrum Lönnies in Fleestedt bauen André Lönnies und sein Team Fahrzeuge für Menschen mit Handicaps um

Fleestedt . Der nagelneue schwarze VW T 5 Multivan steht jetzt schon seit zwei Monaten in der Werkstatt in Fleestedt in der Gemeinde Seevetal. Im Mobilcentrum Lönnies verpassen Werkstattleiter Stefan Hammer, 38, und Kfz-Mechatroniker Maximilian Sauerbeck, 22, dem Wagen ein komplett neues Innenleben. Er gehört einer Frau aus Bremen, die an einer schweren Muskelerkrankung leidet. Aber sie möchte weiter unabhängig und mobil sein. Deshalb lässt sie den Wagen in der Werkstatt von André Lönnies, 43, behindertengerecht umbauen.

Die beiden Kfz-Fachleute haben bereits einen neuen Fahrersitz eingebaut - einen sogenannten Transfersitzschlitten. Der fährt vor und zurück, kann sich bis zu 180 Grad drehen und ermöglicht der Rollstuhlfahrerin aus Bremen ein leichtes Umsetzen. Aber erst einmal muss sie ja ins Auto hinein kommen. Dafür bauen Stefan Hammer und Maximilian Sauerbeck jetzt einen so genannten Kassettenlift ein, der nach dem Einfahren unter dem Unterboden verschwindet.

"Die Anpassung des Fahrzeugs an den Kunden ist sehr individuell", sagt Geschäftsführer André Lönnies. So dauert der Umbau eines konventionellen Fahrzeuges in ein behindertengerechtes Fahrzeug in der Werkstatt an der Bürgermeister-Reichel-Straße 34 denn auch bis zu drei Monate.

Die Handarbeit in Fleestedt hat ihren Preis: Rund 50.000 Euro wird der Umbau des Volkswagens der behinderten Frau aus Bremen kosten. Der Wagen allein hat schon rund 60.000 Euro gekostet. "Auch die Lenkung und die Bremsen müssen speziell an die Kraftverhältnisse der Kundin angepasst werden", sagt André Lönnies. Deshalb bauen Stefan Hammer und Maximilian Sauerbeck eine Ausfallsicherung für die Servolenkung ein - wenn die Servolenkung versagen sollte, bleibt sie trotzdem weiter leichtgängig. Die Fahrzeugbatterie haben die beiden Kollegen bereits von der Fahrerseite auf die Beifahrerseite verlegt.

Für ihre spezielle Arbeit braucht das Team von André Lönnies Spezialteile aus der ganzen Welt. Der Elektromotor samt Hydraulikaggregat für die Servolenkung kommt von der Firma Drive-Master aus dem Bundesstaat New Jersey in den USA. Autoadapt aus Schweden liefert Einstiegshilfen, Schwenksitze, Schwenkhubsitze, Transfersitzschlitten und Rollstühle. Die Firma Kivi aus Italien liefern Handbedienungen, mit denen Menschen, die ihre Beine nicht mehr nutzen können, Gas und Bremse bedienen können. Die Firma AMF-Bruns aus Apen im Ammerland stellt Verladehilfen für Rollstühle her. Und die Firma Veigel aus Künzelsau in Baden-Württemberg liefert Handbediengeräte und Doppelbedienungen für Fahrschulen, die auch Kunden im Mobilcentrum Lönnies sind.

Die Fleestedter Werkstatt hat auch zehn Fahrzeuge zur Beförderung behinderter Schüler im Landkreis Harburg ausgerüstet. Gerade hat ein Fahrzeug, ein blauer VW Crafter, eine neue Rollstuhlrampe bekommen, dazu noch rollstuhlgerechte Gurtsysteme und eine Einstiegshilfe.

Mit zwei Vorführwagen, einem VW T 5 und einem VW Caddy, fährt André Lönnies zu seinen Kunden in ganz Norddeutschland. Die Fahrzeuge haben einen Lift, einen Transfersitzschlitten und lassen sich mit Hilfe eines Hebels beschleunigen und bremsen. Für die Internationale Automobil-Ausstellung Nutzfahrzeuge in Hannover haben die Fleestedter im September 2012 für Volkswagen einen VW Caddy behindertengerecht umgerüstet.

Auch für behinderte Kinder findet das Lönnies-Team Lösungen. Gerade haben die Kfz-Fachleute einen 220 Volt starken elektrischen Anschluss für Versorgungsgeräte in ein Fahrzeug eingebaut. Die Spezialgeräte beatmen ein schwer behindertes Kind während der Fahrt.

150 bis 200 Fahrzeuge baut das Mobilcentrum Lönnies pro Jahr um. Im Oktober 2010 hat sich André Lönnies selbstständig gemacht. Erst baute er mit einem Kfz-Mechaniker Fahrzeuge im Autohaus Stucke in Stelle um. Im Juni 2012 ist er nach Fleestedt gezogen und hat mittlerweile schon vier Mitarbeiter. "Um der steigenden Kundennachfrage gerecht zu werden, denken wir schon wieder über eine Vergrößerung des Standorts nach", sagt André Lönnies. "Die Menschen werden immer älter und wollen mobil bleiben. Mein Geschäftsfeld ist ein Zukunftsmarkt."

Gelernt hat André Lönnies ursprünglich den Beruf des Tankstellenkaufmanns bei Esso in Harburg. Er arbeitete bei der GLP Gesellschaft für Labor- und Praxisbedarf in Harburg, erst im Lager, dann im Vertrieb. Dann wechselte er zur Firma Reha Group nach Meckelfeld, die Fahrzeuge behindertengerecht umbaut - mittlerweile hat diese Firma den Landkreis Harburg verlassen. Nach acht Jahren als Berater und Niederlassungsleiter wagte André Lönnies den Sprung in die Selbstständigkeit.

Bei seiner Familie in Stelle kann der 43-Jährige abschalten: Ehefrau Katrin, 32, unterstützt ihren Mann, wo sie kann. Beide haben zwei Kinder: Alina, 8, und Thore, 2. André Lönnies' Motorrad, eine vom Vater geerbte Zündapp KS 175, steht seit Jahren ungenutzt in der Garage.

Aber für seinen Hamburger Sport-Verein, da nimmt sich der gebürtige Harburger regelmäßig Zeit: Am Sonntag, 28. April, fährt er mit seinem Kumpel Ingo, 49, wieder zu einem Auswärtsspiel "auf Schalke" nach Gelsenkirchen. "Mit dem HSV geht es leider seit Jahren nicht voran", sagt André Lönnies. "Aber eine Meisterschaft möchte ich mit meinem Verein schon bald mal wieder erleben."