Der Kunstverein Harburger Bahnhof präsentiert drei junge Frankfurter Künstler mit Freude am Perspektivwechsel

Harburg. Einen Tag lang hat die Künstlerin Johanna Kintner einen Tintenstrahldrucker für sich schaffen lassen. So lange hat es gedauert, bis die Maschine ein 4,70 Meter langes und 2,50 Meter breites mosaikartiges Kunstwerk hervorbrachte. Dazu hat die 27-Jährige zuvor verschiedene Oberflächenmaterialien wie Filzteppich, Holzböden und Plastikmappen mit einem Scanner zusammengefasst.

Scannen ist kein künstlerischer Selbstzweck, nur weil es irgendwie modern erscheint. Die Technik entzieht der Arbeit die visuelle Greifbarkeit. Im übertragenen Sinne verliert der Betrachter die Perspektive und wird blind. "Schneeblind" heißt dann auch Johanna Kintners Installation. Zusammen mit zwei weiteren Künstlern der Städelschule in Frankfurt am Main zeigt sie demnächst Installationen im Kunstverein Harburger Bahnhof. Ausstellungseröffnung ist am Freitag. 12. April, um 19 Uhr. Der Perspektivwechsel auf abstrakter Ebene bildet die inhaltliche Klammer aller Arbeiten.

"FFM:HH" lautet der kryptische Titel der neuen Ausstellung des Harburger Kunstvereins. Die Abkürzung steht für einen Künstleraustausch zwischen dem Verein Basis in Frankfurt am Main und dem Kunstverein Harburger Bahnhof. Während drei junge Künstler aus Hamburg von der Hochschule für bildende Künste bereits in Frankfurt ausgestellt haben, revanchiert sich die Frankfurter Seite jetzt mit einem Gegenbesuch. Zum Konzept der Ausstellung gehört, dass die jeweiligen Kuratoren keinen Einfluss auf die Auswahl der Künstler in ihrer Ausstellung haben. Die beiden künstlerischen Leiterinnen des Kunstvereins Harburger Bahnhof, Isabelle Busch und Franziska Solte, haben Johanna Kintner, Artun Alaska Arasli und Daniel Jacoby also aufs Auge gedrückt bekommen. "Wir haben ein Blind Date", sagt Franziska Solte.

Der Kunstverein Harburger Bahnhof konnte sicher sein, Qualität zu bekommen. Die Städelschule in Frankfurt, eine Hochschule mit experimenteller Ausrichtung, genießt einen exzellenten Ruf. Künstler aus aller Welt bewerben sich. Die Dozenten suchen sich ihre Studenten aus.

Der Türke Artun Alaska Arasli lebt am Studienort Frankfurt und in Amsterdam. Seit einem Monat ist er in Hamburg, übernachtet in dem kostenlosen Künstlerhotel Openroom im Schanzenviertel und baut in dem Ausstellungsraum im Harburger Bahnhof seine narrativen Installationen auf. Seine Arbeiten sind inspiriert von Erzählungen oder auch Zeitungsartikeln. Ein Mordfall vor einem Monat in der Türkei, bei dem eine Frau wegen wertloser Juwelenimitate getötet worden war, und die Sage um den holländischen Goldschläger Jacob Godavaert, der im 15. Jahrhundert bei einem Raub ums Leben kam, spiegeln sich in einer Madonneninstallation des türkischen Künstlers wider. Das Pech der Räuber, dass damals Blattgold in der Malerei unmodern und damit die Beute wertlos wurde, bringt Artun Alaska Arasli mit aus verschiedenen Perspektiven fotografierten Madonnenbildern zum Ausdruck. Auf ähnliche Weise entzieht Daniel Jacoby Lima seiner Installation durch Perspektivwechsel jede Festschreibung. Eine Geschichte, zu hören aus einem Kopfhörer, verwirrt dabei den Betrachter. Die Ausstellung "FFM:HH" ist bis zum 12. Mai im Kunstverein Harburger Bahnhof, mittwochs bis sonntags 14 bis 18 Uhr, zu sehen. Der Kunstverein öffnet auch während der Langen Nacht der Museen am Sonnabend, 13. April. Im Programm: Lesungen mit dem Schauspieler Hans-Jörg-Frey (19 und 21 Uhr), der Film "Love is the devil" über Francis Bacon (22.30 und 24 Uhr).