Flüchtlinge kommen nun doch nicht nach Undeloh. Diskussion über Willkommenskultur im Landkreis - ein Besuch vor Ort

Undeloh. Im 400-Einwohner-Dorf Undeloh in der Lüneburger Heide ist die Welt noch in Ordnung an diesem Vormittag. Der Kutscher Jürgen Waltemate, 46, spannt seine beiden Pferde vor. Ein paar Tagesausflügler promenieren an Fachwerkhäusern vorbei. Einige kehren ein bei Fleischermeister Günter Franz, 75, an der Hauptstraße Zur Dorfeiche und bestellen Würste für sich und ihre Hunde. Das Landhaus Calluna an der Heimbucher Straße wirbt mit den Worten: "Kosten Sie auch unsere von Mutti erstellten Fruchtaufstriche. Unser hochgelobtes Heidjer-Frühstück wird auf feinem Rosenthal-Geschirr angerichtet und in einem besonders ansprechenden familiären Ambiente eingenommen." Aber in den zahlreichen Pensionen und Ferienwohnungen herrscht noch tote Hose, weil der März noch nie so kalt war wie seit 100 Jahren.

Gesprächsthema seit Tagen im Ort sind indes die Asylbewerber, die 29 Männer. Die sollen nun doch nicht nach Undeloh kommen. Denn der Landkreis Harburg hat am Dienstag eine Kehrtwende gemacht: "Die Flüchtlingsunterkunft in Undeloh wird nicht realisiert", verkündete Landrat Joachim Bordt (FDP). Die Männer aus fernen Ländern, die ursprünglich im Café Hermann Löns in Undeloh unterkommen sollten, werden jetzt möglicherweise in Hanstedt ihr Quartier beziehen: in der Winsener Straße 57/58. Dort hatte die Samtgemeinde Hanstedt in den 1990er-Jahren drei Häuser in Leichtbauweise für Asylbewerber errichtet. Der Landkreis wird in der nächsten Woche Gespräche mit der Samtgemeinde Hanstedt führen. Derzeit sucht der Landkreis Harburg noch Unterkünfte für 300 Asylbewerber.

"Grundsätzlich sind wir Undeloher nicht gegen Asylbewerber - aber 29 Flüchtlinge wären für unserer Dorf einfach zu viel gewesen", sagt der Vorruheständler Wilhelm Meyer, 59, Mitglied der Ortswehr Undeloh, an diesem Vormittag. Vor 25 Jahren sei schon mal eine kurdische Familie mit sechs Kindern ins Dorf gekommen. "Die wurden von der Gemeinschaft integriert. Ich habe denen ein Radio ausgeliehen. Nach zwei Jahren sind die Kurden nach Hanstedt gezogen."

Auch Rettungsassistent Thomas Bäger, 48, sagt, er sei nicht gegen Asylbewerber. "Aber unsere Infrastruktur ist einfach nicht geeignet. Hier gibt es keinen Arzt und keinen Supermarkt, nur einen Schlachter und einen Bäcker. Die Busse fahren nur selten. Wenn ich die ganze Zeit in Undeloh spazieren müsste, wäre das doch kein Leben. Die Asylanten wollen doch auch mal etwas anderes sehen als unser kleines Dorf." Fleischermeister Günter Franz, 75, als Achtjähriger aus Schlesien in Richtung Westen geflüchtet, pflichtet Thomas Bäger bei: "Die Flüchtlinge hätten gar nicht in das Café hinein gepasst. Das wäre eine Zumutung gewesen. Der Landkreis hat richtig entschieden, nachdem er lange nichts begriffen hat."

Nirgendwo sonst im Landkreis Harburg war der Widerstand gegen eine Flüchtlingsunterkunft so groß gewesen wie im Heideort Undeloh. Der Gemeinderat hatte einstimmig dagegen gestimmt, dass Flüchtlinge in das Café mitten im Ort ziehen werden. Auf der Ratssitzung waren deftige Worte gefallen: "Unsere Gäste wollen hier entspannen und nicht Dunkelhäutige oder Frauen mit Kopftuch sehen", monierte ein Einwohner. "Wer schützt unsere Frauen und Kinder vor den Asylanten?", fragte ein anderer. "Die kommen aus einem anderen Kulturkreis und werden bestimmt im Garten Lagerfeuer anzünden. Das kann ich meinen Feriengästen nicht zumuten."

Nun also der Rückzieher des Landkreises. Offiziell argumentiert Landrat Joachim Bordt, der avisierte Betreiber der Asylunterkunft, Human Care aus Bremen, habe eine Kehrtwende gemacht, weil eine solche Unterkunft eine größere Grundakzeptanz bei den Dorfbewohnern erfordere. "Ich kann die Entscheidung von Human Care verstehen. Wünschenswert wäre es gewesen, wenn es in Undeloh eine bessere Willkommenskultur gäbe", sagte Landrat Bordt dem Hamburger Abendblatt auf Anfrage.

Gleichwohl könne er "die Sorgen und Nöte der Undeloher verstehen. Aber wir sind nicht eingeknickt vor den Protesten der Undeloher Bürger. Ich rechne nicht damit, dass es in anderen Gemeinden im Landkreis Harburg Widerstand gegen Flüchtlingsunterkünfte geben wird. Wir sind bestrebt, Unterkünfte an Orten zu finden, wo die Grundakzeptanz für Asylbewerber groß ist. Ich bin zuversichtlich, dass uns das mit Unterstützung der Städte und Gemeinden gelingen wird."

Aus Sicht des Landkreises sei indes auch ein kleiner Ort wie Undeloh "als Flüchtlingsunterkunft gut geeignet". Auch das Café Hermann Löns mit seinem Aufenthaltsraum, seiner Kochgelegenheit und den Schlafzimmern sei passabel gewesen. Ein Heimleiter hätte vor Ort gewohnt, unterstützt durch einen Sozialarbeiter. Ein Fahrdienst hätte die Flüchtlinge zu Behörden, Vereinen, zum Einkaufen und zum Arzt gefahren. Sprachkurse hätte es vor Ort gegeben.

Im Ort ist man indes überwiegend ganz froh darüber, dass die Asyldebatte jetzt erst mal vorüber "und der Kelch an uns vorübergegangen ist", wie es ein Undeloher ausdrückt. Eine Undeloherin hat gehört, dass zwei Feriengäste wegen der Asyldebatte bereits abgesagt hätten - ob die Gäste Angst vor Flüchtlingen hatten, oder sie von der Gesprächskultur im Undeloher Gemeinderat angewidert waren, weiß sie nicht.

Ja, und es gibt auch Menschen, wie Klaus Henkel, 73, aus Eyendorf, der mit seinem Westie Kathy, 7, fast jeden Tag zum Gassi- und Essengehen nach Undeloh kommt, die sagen: "Die Asylanten wollen doch nur von unserem Wohlstandskuchen abhaben. Undeloh ist ein Touristenort. Wenn die Ausländer kommen, dann bleiben die Touristen weg." Sogar eine Hamburgerin aus dem feinen Stadtteil Uhlenhorst, die einmal im Monat "wegen der guten Luft und der Ruhe" nach Undeloh zum Wandern kommt, sagt, "die Asylanten hätten den Eindruck von der schönen Gegend hier verfälschen können".

Nur der Jung-Undeloher Benjamin Hörler, 22, Einzelhandelskaufmann auf Arbeitssuche, spricht sich an diesem Tag ganz deutlich für Asylbewerber in Undeloh aus: "Sie hätten eine faire Chance verdient, zu zeigen, dass sie sich hier integrieren können."

Wer Undeloh in Richtung Egestorf verlässt, fährt an einem großen Stein vorbei. Er trägt auf Plattdeutsch die Aufschrift: "Undeloh grüßt sien Gäst". Dieser Gruß aus der Heide scheint nicht gemeißelt zu sein für Menschen aus anderen Kulturen.