Gudo Mattiat und Thomas Rutt haben ein Programm mit Texten von Wilhelm Busch aufgelegt

Rosengarten-Klecken. Gudo Mattiat, 71, aus Klecken sitzt auf seinem Sessel, beugt sich nach vorn und macht Handbewegungen, als würde er einen Haufen Essen in sich hineinschaufeln. Für einen Moment ist er ganz die dicke Emmy, als er aus dem Text "Die Riesendame der Oktoberwiese" von Joachim Ringelnatz liest.

"Bum", "Bum", "Bum", "Bum" ertönt es neben ihm - Thomas Rutt, 59, zupft an seinem Kontrabass, bevor er mit seinem Bogen über die Saiten streicht und tiefe, schräge Geräusche erzeugt, passend zum anschwellenden Gebrüll vom Vorleser Mattiat über die dicke Emmy: "Es müsste doch in dir, in deinem Leben sich irgendwo das Schmerzgefühl ergeben: Ein Dasein lang nicht Mensch noch Tier zu sein".

Diese kurze Kostprobe von Gudo Mattiat und Thomas Rutt aus Klecken, die seit zweieinhalb Jahren mit ihren musikalischen Lesungen regelmäßig im Landkreis Harburg auftreten, zeigt, wie das Zusammenspiel von Wort und Musik Texte viel lebendiger werden lässt als es das bloße Rezitieren vermag.

Mit Ringelnatz hat die Kooperation des pensionierten Lehrers und des Kinderarztes begonnen. Jetzt hat das Duo zwei neue Programme entwickelt, mit denen es die nächsten Monate durch das Hamburger Umland tourt: "... Der Vogel scheint mir, hat Humor - der andere Wilhelm Busch" und das Barock-Programm mit Gedichten aus dem 30-jährigen Krieg.

"Wilhelm Busch zu lesen ist ein alter Traum von mir", sagt Gudo Mattiat. Es hat ihn schon immer geärgert, dass viele Menschen beispielsweise die Max-und-Moritz-Texte des Dichters einfach nur lustig finden. Witz ist für Mattiat etwas anderes. "Max und Moritz ist böse Satire", sagt er und erinnert daran, dass die Jungen nach ihren bösen Streichen in einer Mühle zu Schrot gemahlen werden, was am Ende das ganze Dorf zufrieden stellt. "Das ist nur grausam." In seinen Lesungen hat er nun die Chance, den satirischen Busch vorzustellen.

Denn die kleinen gemeinen Verse liebt Mattiat. Er mag es, wie gnadenlos Busch mit Bigotterie und Spießertum umgeht, weil Mattiat selbst kein Freund davon ist. Vor allem aber seien Buschs Texte auch heute noch nach mehr als 100 Jahren aktuell, sagt Mattiat und spielt etwa auf den Kindermissbrauch in der Kirche an, der sich, wie er findet, in Busch' Text "Wie schade, dass ich kein Pfaffe bin" widerspiegelt. Denn am Ende heißt es da: "Und dich, du süßes Mägdelein, das gern zur Beichte geht, dich nähm' ich dann so ganz allein gehörig ins Gebet."

Ganz anderes erwartet die Besucher im Programm mit Gedichten vom 30-jährigen Krieg aus dem 17. Jahrhundert, das von seiner Dramaturgie lebt. Zunächst liest Gudo Mattiat Verse von Andreas Gryphius, die voller Todessehnsucht, Pessimismus und Verzweiflung sind. Im fortschreitenden Programm stellt Mattiat Gedichte etwa von Sigmund von Birken und Paul Fleming, die sich mit dem Frieden und der Liebe beschäftigen, vor. Und so wird auch die Sprache zum Ende hin frecher, ausgelassener, frivoler.

Egal, ob Busch oder Ringelnatz, den Besuchern wird eine Mischung aus Schauspiel, Lesung und Konzert geboten. Einfach nur vorzulesen liegt Mattiat fern. Der pensionierte Lehrer wollte eigentlich Schauspieler werden und hat am Thalia Theater und am Schauspielhaus in Hamburg auch kleinere Rollen übernommen, was beim Lesen nicht zu übersehen und zu überhören ist. Hinabgetaucht in die Rolle, gestikuliert er und spielt mit den Betonungen.

Im Laufe der Prosa oder in Sprechpausen ist dann Thomas Rutts Einsatz. Die vibrierenden und dunklen Töne seines Instruments unterstützen das Gelesene. Der Kinderarzt, der in seiner Freizeit in Jazz-Bands spielt, verstärkt die Text-Rhythmen in einzelnen Passagen, bringt Einwürfe und hebt so die Verse auf ein ganz anderes Niveau. Und er improvisiert jedes Mal aufs Neue. "Je nachdem, welche Emotionen ich wecken kann, arbeite ich die Sachen heraus, die hinter den Texten stecken", sagt der Kinderarzt. Für Gudo Mattiat ist die Kontrabass-Musik eine ideale Begleitung beim Lesen. "Thomas bringt ein Ritardando, dass ich gleich in den nächsten Vers hineingleite", sagt er.

Kaum hatten Mattiat und Rutt angekündigt, ein neues Programm aufgelegt zu haben, hagelte es Buchungen. Denn das Duo hat sich mit seinen Ringelnatz-Lesungen bereits einen Namen gemacht. Die Männer sind auch deshalb ein so gutes Gespann, weil sie eine Leidenschaft eint: Die für Texte mit Tiefe.