Birgit zum Felde rief vor eineinhalb Jahren die psycho-soziale Notfallversorgung der Johanniter-Unfall-Hilfe ins Leben

Winsen. Der Notruf-Pieper schlägt Alarm. Manchmal mehrmals im Monat. Meistens mitten in der Nacht. Dann ist Birgit zum Felde von einer Sekunde auf die andere hellwach. Sie weiß: Ihre Hilfe wird gebraucht. Ein Mensch ist gestorben - und daheim wartet ein Angehöriger, dem sie in den kommenden Stunden Trost und Zeit spenden wird. Seit eineinhalb Jahren macht sie das jetzt schon. Ehrenamtlich und engagiert, wie 23 weitere Männer und Frauen, die sich für die Johanniter-Unfall-Hilfe zu Kriseninterventionshelfern haben ausbilden lassen. Mit der psycho-sozialen Notfallversorgung (PSNV) ergänzen sie das Angebot der kirchlichen Notfallseelsorge in der Region.

Wenn Birgit zum Felde sagt: "Ich kann mir keine schönere Aufgabe vorstellen als diese", klingt das nicht verklärt, sondern aufrichtig und empathisch. Der 46-Jährigen ist klar, dass sie nicht über ein unterhaltsames Hobby spricht, dem man bei Gefallen nachgeht. Wenn sie mit ihrem Team-Kollegen und der Polizei nach einem Unfall zum Partner, Kind oder sonstigem Angehörigen eines Toten aufbricht, übernimmt sie kurzfristig Verantwortung für das Seelenheil eines Menschen, der in einer akuten Krise steckt. Weil eben ein geliebter Mensch plötzlich aus dem Leben scheidet und eine scheinbar niemals mehr zu füllende Lücke hinterlässt.

Doch genau deshalb ist ihr die Arbeit als Kriseninterventionshelferin so wichtig. "Eine Todesnachricht lässt die meisten völlig rat- und hilflos zurück. Fast alle sind dankbar, wenn dann jemand da ist, der zuhört, Trost spendet, beim Umgang mit der Trauer hilft. Das sind meine persönlichen Erfahrungen, die ich aus den vergangenen Monaten im Einsatz mitgenommen habe und die mich darin bestärken, etwas Sinnvolles zu tun", sagt die gelernte Krankenschwester.

Mit der Idee, eine psycho-soziale Notfallversorgung unter dem Dach der Johanniter-Unfall-Hilfe zu initiieren, ging Birgit zum Felde lange Jahre schwanger. Ausschlaggebend waren ihre Einsätze als Rettungssanitäterin. "Es ist mir immer sehr schwer gefallen, einen Trauernden allein zurückzulassen. Ich dachte, das muss doch irgendwie anders gehen", erinnert sie sich. Der frühe Tod der eigenen Mutter und ihre Erfahrungen auf der Intensivstation in der Asklepios-Klinik in Harburg verstärkten diesen Wunsch. "Aber ich wusste auch, dass es dafür kein Geld gibt. Die Ausrüstung, die wir für unsere Arbeit brauchen, ist teuer. Deshalb habe ich das immer wieder verworfen - bis vor eineinhalb Jahren." Anfang 2011 begann sie gemeinsam mit ihrem Mann dann eine Ausbildung zur Fachausbilderin für Kriseninterventionsdienste. Zurück im Johanniter-Ortsverband Buchholz, fing sie an, interessierte Menschen auszubilden und ein Team aufzubauen. Am 1. Dezember 2011 ging die PSNV dann offiziell an den Start. Seither ist das Angebot von Polizei, Feuerwehr und Rettungsdienst 34 Mal in Anspruch genommen worden.

Der Ablauf ist immer gleich: Die Rettungsleitstelle informiert die Krisen-Helfer über einen Funkalarm-Empfänger, ruft sie zu laufenden Reanimationen, zu schweren Unfällen, die sich meistens nachts oder früh morgens auf der Autobahn ereignen, zu Fällen häuslicher Gewalt oder Vergewaltigungen. Zu zweit brechen die Johanniter dann zum Einsatzort oder zur Polizeiwache auf. Dort gibt es ein kurzes Briefing, was genau vorgefallen ist. Die Überbringung der Todesnachricht ist Polizeibeamten und Ärzten vorbehalten. "Danach übernehmen wir und versuchen herauszufinden, was der Trauernde in dem Moment am meisten braucht", sagt Birgit zum Felde. Eine Umarmung zum Beispiel, oder Trost spendende Worte. "Das wichtigste bei unserer Arbeit ist aber zu schweigen."

Zur Aufgabe der Kriseninterventions-Helfer gehört auch die Leichenbeschau. "Abschied nehmen ist wichtig, aber nicht um jeden Preis. Denn einige Tote sind stark entstellt. Will ein Angehöriger trotzdem in die Leichenhalle, bereiten wir ihn darauf vor, was er dort sehen wird, begleiten ihn, wenn er das möchte." Die PSNV ist übrigens ein einmaliger Service. "Wir fahren, wenn wir das Gefühl haben, dass die Personen wieder in der Lage sind, alleine für sich zu handeln. Dann haben wir unser Ziel erreicht." Nicht immer gelingt es Birgit zum Felde, die erlebten Schicksale an der eigenen Haustür abzuschütteln. "Wenn ich von einem schweren Autounfall nach Hause komme und ich weiß, dass meine Töchter unterwegs sind, rufe ich sie an und bitte sie, vorsichtig zu fahren. Das bin ich mir schuldig."