Der “Gedeckte, großräumige Schiebewandwagen“ der Baureihe Hbis-ww 299 ist ein bedeutender Teil der Harburger Industrie-Geschichte.

Harburg. Null Grad zeigt das Thermometer, von Frühling immer noch keine Spur. Ein eisiger Wind weht über den Lotsekai im Harburger Binnenhafen. Für den Fahrer des Schwerlastzuges ist es Millimeter Arbeit. Er rangiert seinen Auflieger, auf dem der alte Eisenbahnwaggon geladen ist, parallel zur Kaimauer, wenige Meter neben dem Kulturkran der Harburger Kulturwerkstatt. Dann ist das Werk vollbracht, die Männer befestigen jetzt den Waggon der Baureihe Hbi-ww 299 an Stahlketten.

Mit dem Kran werden jetzt 13,8 Tonnen Stahl vom Auflieger des Schwertransporters hochgehievt und etwa zwei Meter weiter auf Schienen im Lotskai gestellt. Mehrmals muss der Kran den Oldtimer wieder ein kleines Stück hoch zeihen, bis die Räder exakt auf den Schienen aufsitzen. Nach etwa 20 Minuten steht der Waggon. Nach rund 1 Millionen gefahrener Kilometer auf Europas Schienen wird der "Gedeckte, großräumige Schiebewandwagen", ein ausrangierter Güterwagen im Binnenhafen bleiben und von den Mitgliedern der Harburger Kulturwerkstatt genutzt. Gorch von Blomberg, Mitglied der Kulturwerkstatt, freut sich. Mit dem ersten von insgesamt drei Waggons dieser Baureihe, könne die Kulturwerkstatt zum einen den "Kultur-Umschlag" im Binnenhafen und das Ensemble um den ebenfalls von der Kulturwerkstatt unterhaltenen alten Mulch Kran komplettieren. Zum anderen planen die Mitglieder der Kulturwerkstat in einem der geschlossenen Waggons und ein Café.

"Diese Waggons gehören zur Industrie-Geschichte Harburgs. Denn sie wurden in dem Harburger Ausbesserungswerk der Bahn zwischen Hannoverscher Straße und Schlachthofstraße gewartet", sagt Gorch von Blomberg. Gewartet und repariert wurden die Waggons hier in Harburg von 1968 bis 1995. Das Ausbesserungswerk wurde geschlossen drei Waggons auf dem Lotsekai neben dem Mulch Kran abgestellt. Der Gleisstrang wurde entwidmet, also stillgelegt und von den Gütergleisen im Binnenhafen abgetrennt. Die Deutsche Bahn entfernte die ausrangierten Waggons. Jetzt kommen sie, einer nach dem anderen, zurück.

Bereits im Jahr 2006 hatte das Denkmalschutzamt Hamburg die drei Waggons der Kulturwerkstatt angeboten. Damals aber hatten die Ehrenamtlichen gerade den Mulch Kran übernommen. "Schon das Projekt, den Kran zu sanieren und dann zu übernehmen, war bei uns damals umstritten. Die drei Waggons auch noch zu übernehmen, hätte unseren Verein zu der Zeit einfach überfordert. Umso glücklicher sind wir jetzt, dass es uns gelungen ist, Waggons dieser Baureihe zu organisieren und hierher zu bekommen", sagt Gorch von Blomberg. Unterstützt wurde die Kulturwerkstatt dabei von den Firmen Dierkes Partner und August Prien.

In den Waggons wollen die Mitglieder der Kulturwerkstatt unter anderem ihre Bühnentechnik und den Greifer des Mulch Krans lagern. Geplant ist auch einen dritten, offenen Waggon mit Schüttgut zu befüllen, um mit dem Kran Demonstrationen durch zu führen. "Wir sehen dieses Ganze als Ensemble und als wichtigen Teil der Geschichte Harburgs und des Binnenhafens", so von Blomberg.

Und künftig werden die Waggons auch in das Programm im und rund um den Harburger Kulturkran integriert. Seit Jahren organisieren die Mitglieder der Kulturwerkstatt am Kulturkran Konzerte und Veranstaltungen, und bei Vorführungen kommt die sanierte Technik des ausrangierten Krans zum Einsatz. Künftig werden also auch die Waggons beim Kulturprogramm im Harburger Binnenhafen eine Rolle spielen. Gorch von Blomberg nennt dieses Ensemble ein Denkmal der Harburger Industriekultur, die eben so wichtig sei, wie die Entwicklung des Harburger Binnenhafens zum angesagten Wohnquartier. "Es ist der raue Charme dieses Harburger Binnenhafens, der nicht zerstört werden darf", sagt Gorch von Blomberg. Aus diesem Grund sollen die alten Waggons ihre Patina behalten.