Die Fotogruppe der KulturWerkstatt Harburg zeigt “Werftbilder“ . Vom ungeheuren Reiz analoger Schwarz-Weiß-Fotografie

Harburg. Es war ein lausig kalter Tag im März des Vorjahres, als sich zwei Frauen und vier Männer des Fotozirkels der KulturWerkstatt Harburg auf den Weg zur Wilhelmsburger Schiffswerft "Theodor Buschmann" machten. Die frostigen Temperaturen nahm das Sextett aber gern in Kauf. Immerhin erhielten sie Zugang zu einem Ort, der "Unbefugten" normalerweise verschlossen ist. "Wann zeigen sich Schiffe schon mal auf dem Trockenen und halten auch noch still", beschreibt Theodor Stenzel die Faszination Werft.

Was bei diesem Besuch festgehalten wurde, ist ab Freitag in der neuen Ausstellung des Fotozirkels mit dem schlichten Titel "Werftbilder" zu sehen. 30 Fotos haben die sechs Hobbyfotografen "in einem demokratischen Verfahren" aus 80 ihrer Arbeiten ausgewählt. Der Besuch in der KulturWerkstatt am Kanalplatz lohnt umso mehr, als alle ausgestellten Werke ausschließlich Schwarz-Weiß-Fotos sind.

Wer jetzt Industriecharme im Stile einer längst vergangenen Epoche mutmaßt, irrt. Diese Schwarz-Weiß-Bilder sind alles andere als langweilig. "Für mich stehen hier eigenwillige Formen ganz unabhängig von Farbe im Vordergrund", sagt Petra Senst, die Cheforganisatorin der Schau. Für sie bietet diese Art der fotografischen Darstellung die einzigartige Möglichkeit, "den Dingen auf den Grund zu gehen, weil man beim Betrachten nicht durch irgendeine Farbgebung abgelenkt wird".

Bislang betätigte sich die Ingenieurin der Elektrotechnik zumeist als Malerin. Zwar fotografiere die gelernte Werkzeugmacherin gelegentlich auch, dann aber ausschließlich digital. Bis jetzt. "Es hat mich schon lange gereizt, mich der Fotogruppe anzuschließen. Vor allem die handwerkliche Seite der analogen Fotografie interessiert und reizt mich sehr. Nachdem ich diese wunderbaren Bilder gesehen habe, mache ich jetzt wohl Ernst", so Petra Senst.

Die Fotografen würden sich über Zuwachs freuen - noch dazu, wenn er weiblich ist. Denn zum zehnköpfigen, harten Kern zählen mit Thea Müller und Gilda Fernandez-Wiencken momentan nur zwei Frauen. Die jüngsten Mitglieder des Zirkels sind Anfang 40, ihr Nestor ist mit 71 Jahren Eugen Schanz. "Ja", bestätigt er, "Nachwuchs für unsere Art der Fotografie zu finden, ist nicht einfach." Die modernen Kameras mit Autofokus und voreingestellten Programmen würden es den Fotografen heute sehr leicht machen, gute Fotos zu schießen: "Selbst mit Handys gemachte Aufnahmen sind ja teilweise von exzellenter Qualität." Aber Fotografieren sei eben nicht gleich Fotografieren.

Die 1984 gegründete Gruppe hat sich ganz der analogen Fotografie verschrieben. "Bei uns kann man sie von der Pike auf lernen", sagt Theodor Stenzel, 67, bis 2009 Lehrer für Mathe, Physik und Informatik am ehemaligen Lessing-Gymnasium. Der große Reiz bestehe für ihn darin, wirklich alles selbst bestimmen und machen zu können.

"Wer kennt sich denn heute noch mit Blende, Belichtungszeit und Brennweite aus? Oder mit der Auswahl von Entwickler und Fixierlösung für die Arbeit in der Dunkelkammer", fragt Stenzel. Und ist froh, dass es die Filme für ihre fast archaische Art zu Fotografieren überhaupt noch gibt: "Zwar nur im Versand, aber immerhin." So würden die Mitglieder der Fotogruppe denn fleißig die klassischen Ilford-Filme FB4 mit 100 ASA und HP5 mit 400 ASA ordern und sie im Kühlschrank fein säuberlich deponieren.

Wenigstens einmal im Jahr tragen die Fotografen, zu denen auch der Profifotograf Hendrik Doose zählt, ihre besten Arbeiten zu einer Ausstellung zusammen. Zuletzt stand sie unter dem Motto "Lebensraum". Die Bilder zum Thema Wohnverhältnisse und Architektur wurden zuerst in der KulturWerkstatt gezeigt, später auch im Harburger Rathaus.

"Wir fotografieren aber nicht nur, wir üben auch Manöverkritik", berichtet Stenzel. Jeden zweiten Sonnabend im Monat gebe es um 13 Uhr in der KulturWerkstatt ein offenes Treffen, in der alle Fragen rund um die analoge Schwarzweißfotografie diskutiert werden könnten. Und jeden zweiten Dienstag führe die Gruppe zudem sogenannte Themenabende durch, etwa zur Porträtfotografie oder demnächst zur Daguerreotypie. Einem Verfahren aus dem 19. Jahrhundert, das nach dem französischen Maler Louis Jacques Mandé Daguerre benannt ist.

Zu den Höhepunkten zählen aber immer wieder die Exkursionen. Vor einigen Jahren weilte die Gruppe zum Thema "Schienen" am gewaltigen Rangierbahnhof in Maschen. Zweimal wurde auch schon der Fotokeller im Museum für Kunst und Gewerbe besucht. Ende 2011 und Anfang 2012 war schließlich zweimal die Buschmann-Werft am Reiherstieg das Ziel.

Eugen Schanz hatte die Idee: "Entstanden ist eine Fülle ungewöhnlicher Motive. Von besonderem Reiz sind für mich vor allem die Detail-Ausschnitte", sagt der ehemalige Schiffbauer. Da werde das auf den ersten Blick Unscheinbare, Unspektakuläre plötzlich ganz augenfällig, interessant und spannend.

Fotoausstellung "Werftbilder" , 23. März bis 12. Mai in der Kulturwerkstatt, Kanalplatz 6. Vernissage am Freitag, 22. März, 19 Uhr. Der Eintritt ist frei.