Ihr Name ist Programm: Die ehrenamtlichen Zukunftslotsen von Harburg beraten in ihren Sprechstunden Jugendliche und Erwachsene.

Harburg. Sie nennen sich Zukunftslotsen. Und ihr Name scheint wirklich Programm zu sein, denn ihr Hilfsangebot richtet sich an all jene, die im Jargon der Sozialpädagogen bildungsbenachteiligte Menschen heißen und ihre Zukunft mit mehr Bildung gestalten wollen. "Wir wollen für jeden Ansprechpartner, Kümmerer und Türöffner sein, der unzufrieden mit seiner Situation ist, und etwas daran ändern möchte", sagt Udo Bonorden, einer der derzeit 34 Harburger Zukunftslotsen. Bonorden ist pensionierter Schulleiter eines Gymnasiums. Seine Freizeit nutzt er, um sich ehrenamtlich für insbesondere junge Menschen zu engagieren, deren sozialer und familiärer Hintergrund ihnen nicht die besten Bildungschancen ermöglicht haben.

"Projektziel ist es", so heißt es in dem Konzept des Modells "Zukunftslotsen", das vom Bund und von der EU gefördert wird, "die Bildungsbeteiligung bildungsbenachteiligter Personen zu erhöhen". Die Zukunftslotsen, so das Konzept, sollen dort ansprechbar sein, wo sich "ihre Zielgruppe aufhält", wie beispielsweise in Moscheen, Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe oder in Kitas. Sinn und Zweck ist es, die Schwelle für die Menschen möglichst niedrig zu halten, dort auf sie zuzugehen, wo sie sich aufhalten.

Die ehrenamtlich arbeitende Zukunftslotsin Ursula Ehmcke-Tewis erklärt, wie das in der Praxis aussehen kann. "Eine allein erziehende Mutter kam zu mir und erzählte, ihr Kind male so gern. Sie war überzeugt, dass das Mädchen Talent hat, konnte sich aber keinen Malunterricht leisten. Ich kenne eine Künstlerin, die Unterricht gibt. Die rief ich an. Jetzt bekommt das Mädchen gegen Vorlage des Bildungsgutscheins Unterricht", sagt Ehmcke-Tewis. Das Angebot richtet sich an Menschen, deren Hemmschwelle, sich an Ämter, Behörden oder staatliche Institutionen zu wenden und dort in Sachen Bildungschancen oder konkreten Weiterbildungsmöglichkeiten zu informieren, zu groß ist.

Die Harburger Zukunftslotsen beraten in ihren Sprechstunden über die Möglichkeiten, Unterstützung bei der Erziehung zu erhalten, über die verschiedenen Beratungsstellen im Bezirk, sie wissen, welcher Träger kostenfreie Hausaufgabenhilfe leistet, welche Eltern-Kind-Gruppen und welche speziellen Angebote es für Migranten gibt. Jeden Dienstag in der Zeit von 10 bis 12 Uhr können sich beispielsweise Ratsuchende in der Diyanet Moschee an der Maretstraße15 an Gülcan Gökdemir wenden. Die Türkin ist, wie ihre Mitstreiter auch, in Schulungen auf dieses Ehrenamt vorbereitet worden. "Als ich nach Deutschland kam, wusste ich auch nicht, wohin ich mich wenden konnte, wenn zum Beispiel meine Kinder in der Schule Probleme hatten oder wo man türkische Arbeitszeugnisse übersetzen lassen kann", sagt sie. Heute berät sie ihre Landsleute. Das Angebot der Zukunftslotsen ist mehr als eine reine Verweisberatung. Sie hören sich die Sorgen der Menschen an und nutzen bei ihrer Arbeit ihr eigenes Netzwerk.

Vor mehr als zwei Jahren war Harburg der erste Bezirk, der sich im Rahmen des Projekts Lernen vor Ort mit Zukunftslotsen engagiert hat. Inzwischen geht das Projekt in die Zuständigkeit der Bezirke über, Altona und Eimsbüttel starten jetzt auch.

Das Beratungsangebot ist bewusst niedrigschwellig gehalten. Niemand muss sich zur Beratung anmelden, niemand muss Fragebögen ausfüllen, und die Beratung ist kostenlos. Alle Lotsen leben auch im Bezirk Harburg, kennen sich hier aus und haben hier ihre Netzwerke. "Leider wissen noch viel zu wenige Menschen, die Hilfe brauchen könnten, dass es uns gibt", sagt Karl-Heinz Lorenz, der jeden Dienstag als Zukunftslotse im Haus der Kirche, Hölertwiete 5, von 10 bis 12 Uhr seine Beratungszeit hat. Es sei besonders wichtig, so Bonorden, zuerst mit den Menschen, die "traumatische Erfahrungen mit unserem Bildungssystem bereits gemacht haben", ins Gespräch zu kommen, ihnen die Angst davor zu nehmen, die eigene Situation ändern zu wollen.

Weil in einem ersten Gespräch zwischen Ratsuchenden und Zukunftslotsen vor allem erste Ängste genommen werden sollen, werden die ehrenamtlichen Zukunftslotsen in speziellen Schulungen unter anderem in Gesprächsführung trainiert. Bonorden, der während seiner Berufstätigkeit unter anderem auch mit Jugendlichen auf dem zweiten Bildungsweg gearbeitet hat, wünscht sich wie die andere Ehrenamtlichen auch, dass mehr Jugendliche und Erwachsene die Hilfestellungen der Zukunftslotsen in Anspruch nehmen. "Offensichtlich sind wir in Harburg doch noch nicht so bekannt", sagt der pensionierte Pädagoge.