Das Natureum ist vollkommen neu gestaltet worden. Ausstellung thematisiert biologische Einzigartigkeit der Region

Balje. Es pfeift und zwitschert, zirpt und tiriliert, wie es an Sommertagen an den Außendeichen oder bei einer Wattwanderung zu hören ist. Kiebitz, Regenpfeifer, Rohrdommel und Uferschnepfe beleben neben Hunderten anderen Lebewesen die neue Ausstellung im Natureum Balje, Neuenhof 8, akustisch. Tieren und Pflanzen ganz nah und mit allen Sinnen zu erleben ist dort mit Beginn der neuen Saison in neuen Dimensionen möglich. Für rund 600.000 Euro komplett umgestaltet präsentiert sich die neue Dauerausstellung "Lebensader Elbstrom - Brücke zwischen den Welten" als sehenswertes Gesamtkonzept für wissbegierige Naturfreunde jeden Alters.

"Weltweit erstmalig wurde mit dieser Ausstellung ein Ästuar in dieser Form in einem Museum thematisiert", sagte Natureumsleiterin Clivia Häse bei der Einweihung. Der besondere Lebensraum dieser Flussmündung mit Ebbe und Flut, mit Salz- und Süßwasserzonen, Süß- und Brackwasserwatten wird Ästuar genannt und in allen Facetten erklärt. "Wanderfische, Zugvögel und Containerschiffe symbolisieren die Brücke der Elbe zwischen den Welten", sagte Häse.

Größer und heller, mit modernsten Hightech-Effekten für audiovisuelle Entdeckungen und interessanten Gestaltungsideen wurden die Exponate und Erlebniswelten so aufbereitet, dass die Fülle an Fachwissen spannend, spielerisch und gut verständlich vermittelt wird.

"Wir zeigen den einzigartigen Reiz der Elbmündung mit ihrer faszinierenden Tier- und Pflanzenwelt und die große Bedeutung der Elbe als Drehscheibe für Zugvögel, Wanderfische und den globalen Handel", erklärt die promovierte Biologin, die als geschäftsführendes Vorstandsmitglied der Stiftung Natureum fungiert. Anhand von Bildern, Exponaten und interaktiven Stationen können die verschiedenen Landschaftstypen der Region erkundet werden.

Die meisten Exponat-Ideen stammen von der Biologin Petra Nikolay, die seit Oktober 2011 als Kuratorin für die Ausstellungsthemen zuständig ist. Als Natureum-erfahrener Berater war der ehrenamtliche Stiftungsvorstand Eike Ingwer Schmidt Impulsgeber für viele Ausstellungsinhalte.

Nach dem Scheitern des geplanten, rund 25 Millionen Euro teuren Küstenwelten-Projekts auf dem großzügigen Natureums-Areal an der Ostemündung, hat das elfköpfige Natureum-Team mit rund 15 Handwerkern aus dem vorhandenen Fundus und enormer Kostendisziplin ein komplett neues Konzept für die neue Dauerausstellung maßgeschneidert. Möglich wurde das Projekt mit finanziellen Förderungen der Metropolregion Hamburg, der Deutschen Bundesstiftung Umwelt sowie den Zuwendungen von Sponsoren und Spendengebern aus der Region. Der Landkreis Stade buttert für sein Vorzeigeobjekt jährlich 450.000 Euro zu.

Das Ergebnis beeindruckt optisch mit ganz modernen Effekten, die bei einer Art Spaziergang durch die Küstenwelten Wissen vermitteln und Raum für Entspannung und Spiele lassen. Interessant dabei ist die Fußbodengestaltung, die wie eine Luftaufnahme den Blick auf die jeweiligen Regionen mit den ausgestellten Tierpräparaten oder dem Walskelett auch geografisch lenkt. Wasser, Land, Wiesen, Moore und Felsen scheinen ineinander überzugehen. Ob Außendeichgelände, Geestrücken oder Helgolandfelsen - überall gibt es typische Vertreter von Flora und Fauna zu entdecken. Was nun nach der Neueröffnung wie ein Kurzurlaub am Elbeästuar erscheint, ist vielfach clever verpackte Technik.

Gemeinsam mit Elektronik-Experten der Firma "Impuls-Design" wurden spezielle interaktive Stationen entwickelt und handwerklich umgesetzt. So zum Beispiel bei der "Elbesinfonie" in der 25 Vögel der Küstenregion zu sehen sind und an ihren Stimmen erkannt werden können. Was die Techniker nicht übernehmen konnten, musste Vogelexperte Thomas Bock vom Natureum richten. Seit acht Jahren durchstreift er mit Natureumsgästen die Außenbereiche des Elbe-Küstenparks und kennt die gefiederten Bewohner der Region und ihre Stimmen aus dem Effeff.

Damit das Küstenkonzert künftig von den Museumsbesuchern richtig dirigiert wird, und die Stimmen zu den jeweiligen Vögeln passen, hat Thomas Bock mit den Technikern Michael Koch und Stephan Berger vor der Generalprobe noch einmal alle Strippen und Kabel für die große Oper überprüft und angeschlossen. "Wichtig ist, dass wirklich jede Stimme hundertprozentig zum gezeigten Vogel passt", sagt Bock. Zudem organisiert der 52-Jährige, dass die Ausstellungen und Schautafeln im Freigelände konzeptionell auf die Exkursionen in den Innenbereichen abgestimmt sind.

Vier Monate haben die Natureumsmitarbeiter bis in die Nacht vor der Eröffnung mit Fachwissen und technischen Kniffen, aber vor allem mit viel Liebe und hohem persönlichem Einsatz die Elbmündung, das Watt, aber auch die Oste, Moore und Deichbereiche als Lebensräume sehenswert in Szene gesetzt. Einen weiteren maritimen Schwerpunkt setzt die gemeinsam mit dem Wasser- und Schifffahrtsamt Cuxhaven in der Galerie im Turm aufgebaute Ausstellung "Im Dienste von Schifffahrt und Umwelt - Die Aufgaben der Küstenwache in Nord- und Ostsee". Was es mit der Station "Ökologischer Rucksack" mit Jeans, Handy und Tomaten auf sich hat, ist ebenso spannend, wie die neue "Kinderlinie" auf der eine Küstenseeschwalbe die jüngsten Besucher durch die Ausstellungen mit Spielen und Aktionszonen begleitet.

Für das museumspädagogische Konzept wurde das Natureum vom niedersächsischen Bildungsministerium mit dem Prädikat "außerschulischer Lernort" ausgezeichnet. Es ist mit seinem weitläufigen Außengelände, samt Tiergehegen und Biotopen, Spielanlagen oder dem Schiffsanleger für Törns zu den Seehundbänken im Watt ein Bildungszentrum für Gruppen und Schulklassen. Aber vor allem ist es eine Freizeitattraktion für Familienausflüge und für Feriengäste aus dem Binnenland, die in der Elbe-Weser-Region Urlaub machen.

www.natureum-niederelbe.de