Halter bedrohter Nutztierrassen wehren sich gegen Gesetz aus Hannover. Jetzt will Lüneburgs Landrat Manfred Nahrstedt vermitteln.

Lüneburg. Sie sind robuster als andere, und sie brauchen mehr Auslauf als andere: Die alten, in ihrem Bestand bedrohten Nutztierrassen in der sogenannten Archeregion im nordöstlichen Landkreis Lüneburg sind freiheitsliebende Tiere. Doch noch bis Ende April müssen die Halter ihr Federvieh in den Stall sperren - Kollegen ein paar Kilometer weiter östlich aber nicht. Jetzt will Lüneburgs Landrat Manfred Nahrstedt (SPD) zwischen Haltern und Hannover vermitteln.

Schützen durch Nutzen lautet das Motto der Archeregion. Denn nicht nur Wildpflanzen und Wildtiere sind bedroht, wenn Landwirtschaft zu intensiv betrieben wird, sondern auch Tiere, die nicht mehr zu den heutigen Hochleistungsrassen gehören. 55 gelten deutschlandweit als extrem oder stark gefährdet - unter ihnen das Vorwerkhuhn aus Hamburg, der Sperber oder die Diepholzer Gans.

Weit mehr als 70 Menschen haben sich im Kreis Lüneburg rund um die Elbe zur Archeregion zusammengetan, um im Bestand bedrohte Arten zu halten und zu erhalten. Einer von ihnen ist Gerd Stämmerling. Hinter seiner Werkstatt in Sückau mitten im grünen Land zwischen Boizenburg und Neuhaus rechts der Elbe laufen neben Brillenschafen auch diverse Exemplare des Deutschen Sperberhuhns und der Lippegans übers Gelände, allesamt Rote-Liste-Rassen.

Doch seit dem 1. März muss Stämmerling sie wegsperren. Trotz aller Bemühungen der Halter von robustem Geflügel - die Tiere gehören noch bis Ende April in den Stall. Hintergrund: die Angst vor der Vogelgrippe.

Das Problem: Laut den Arche-Aktiven brauchen die alten "Mistkratzer"-Rassen viel Auslauf unter freiem Himmel, im Stall werden sie aggressiv und legen nicht mehr richtig. Initiator Hartmut Heckenroth sagt: "Besonders nach dem Betrugsskandal in der Eier-Industrie muss die Aufstallpflicht in der Lüneburger Arche-Region schnellstens aufgehoben werden." Bereits vor drei Monaten habe er einen Brandbrief an die Lüneburger Behörde geschrieben.

Er versteht nicht, warum es unterschiedliche Regelungen zur Geflügelpest gibt. In Mecklenburg-Vorpommern, nur wenige Kilometer von den Ortschaften des Landkreises Lüneburg entfernt, dürfe das Federvieh das ganze Jahr über draußen bleiben. Auf niedersächsischem Gebiet aber müssten die Tiere per Gesetz aus Hannover während der Zugvögel-Saison insgesamt fünf Monate lang in den Stall gesperrt werden: vom 1. März bis 30. April und vom 1. September bis 30. November.

Laut Heckenroth werden nirgendwo sonst in Deutschland so viele vom Aussterben bedrohte alte Hühnerrassen gehalten wie auf den alten Elbmarschhöfen in Amt Neuhaus. Viele Produkte werden direkt ab Hof verkauft. Aber die strikten Regelungen zur Geflügelpest im Landkreis Lüneburg gefährden laut Heckenroth die Existenzen der kleinen Betriebe.

Der Kreis hat auf die Kritik bereits reagiert. Landrat Manfred Nahrstedt (SPD) äußert Verständnis für die engagierten Halter. "Nur wenige Kilometer von Amt Neuhaus entfernt - in Mecklenburg-Vorpommern - gilt die Aufstallpflicht nicht, das ist für die Bewohner der Archeregion nur schwer nachvollziehbar und bereitet den Haltern alter Geflügelrassen existenzielle Sorgen." Bevor der neue Landtag daher über die Änderung der Geflügelpest-Verordnung abstimme, will Nahrstedt die Mitglieder des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft, Verbraucherschutz und Landesentwicklung vor Ort sehen, damit sie sich ein Bild von der Situation machen können. Er hat die Hannoveraner Politiker für April oder Mai dieses Jahres ins Gebiet Amt Neuhaus eingeladen.

In seinem Schreiben heißt es: "Zahlreiche Versuche des Landkreises, gemeinsam mit dem Niedersächsischen Landwirtschaftsministerium eine ganzjährige Ausnahme von der Aufstallungspflicht für die Arche-Tierrassen zu ermöglichen, schlugen bisher fehl. Aufgrund der außerordentlich großen wirtschaftlichen Bedeutung der Geflügelwirtschaft für Niedersachsen sehe ich die Notwendigkeit, dass eine solche Ausnahmeregelung nicht nur jeweils ein Landkreis alleine verantwortet, sondern das zuständige Ministerium - vor dem Hintergrund übergeordneter landesweiter Erkenntnisse - eine solche Ausnahmegenehmigung mitträgt." Da es in der Region keine großen Geflügelbetriebe gebe, so der Landrat, sollte das Land eine Ausnahme für die Arche-Tiere an der Elbe unterstützen können.