Das Hamburger Abendblatt stellt Harburger vor, die sich für den Erhalt der Niederdeutschen Sprache einsetzen

Sie kämpfen gegen das Aussterben einer Sprache und haben dabei auch noch Spaß. In Theatern, Folkloregruppen oder Verlagen engagieren sich Menschen für den Erhalt der Niederdeutschen Sprache, die einmal die Lingua Franca der Hanse, das Englisch des nordeuropäischen Mittelalters, war.

Dass man mit Plattdeutsch sogar Geld verdienen und außergewöhnlich erfolgreich sein kann, zeigen uns Personen wie Yared Dibaba, Ina Müller oder Gerd Spiekermann. Sie sind bis in den Süden der Republik bekannt und haben eines gemeinsam: Sie machen Lust auf Platt.

Doch nicht nur überregional, nicht nur durch Gesang und Unterhaltung, kann eine Sprache erhalten bleiben. Die liturgischen Gesänge der katholischen Kirche konnten das Latein schließlich auch nicht vor dem Tode retten. Eine Sprache muss im direkten Umfeld und im Alltag verwendet, wenigstens gehört werden, um zu leben. In Harburg gibt es deshalb Institutionen, die sich ganz der Niederdeutschen Sprache widmen.

"De Vereen wendt sik an alle Börger, de ehre Sprook mehr as een akustisches Verstännigungsmittel is", heißt es in der Satzung des Vereins "Plattdüütsch leevt". Der Verein ist einer der aktivsten im Süderelberaum und veranstaltet unter anderem den Wettbewerb "Schoolkinner leest Platt", bei dem kürzlich die Klasse 3 b der Schule Schnuckendrift in Neugraben den mit 500 Euro dotierten ersten Preis gewann.

Mehr als ein akustisches Verständigungsmittel - das ist Plattdeutsch für viele, die sich um die Regionalsprache kümmern. "In unserer Freizeit tragen wir Tracht und singen auf Platt. Wir sind ein großer Freundeskreis", sagt Carina Kaiser, die der Finkenwerder Folkloregruppe "Finkwarder Speeldeel" vorsitzt. Die 34-Jährige hat von klein auf Plattdeutsch mit ihren Großeltern gesprochen, doch um dem Verein beizutreten, muss niemand "Plattsnacker" sein. "Wir wollen niemanden zwingen, niemandem Plattdeutsch aufdrängen. Stattdessen lernt bei uns jeder spielerisch, mit der Musik."

Das Konzept der Speeldeel funktioniert - nicht einmal zu Beiträgen muss sie ihre Mitglieder zwingen. Geld verdient die Gruppe allein durch ihre Auftritte.

Ein ganz anderes Konzept verfolgt der Plattdeutsche Rat für Hamburg, bei dem Uwe Hansen, ehemaliger Ortsamtsleiter auf Finkenwerder, Mitglied ist. "Plattdeutsch ist eine Sprache, der man nicht nur begegnen, sondern die man wie eine Fremdsprache erlernen kann", sagt er. Durch die Initiative des Rates gibt es seit 2010 in Hamburg an zehn Grundschulen ab der ersten Klasse das Wahlpflichtfach Plattdeutsch.

Außerdem stellte der Rat vor zwei Jahren Ortsschilder auf Finkenwerder auf, auf denen sowohl der Hochdeutsche Name des Stadtteils "Finkenwerder", als auch sein Niederdeutsches Pendant "Finkwarder" zu lesen sind.

Diese Idee würde Uwe Hansen auch gern im Bezirk Harburg umgesetzt sehen, vor allem weil sich "der Bezirk Harburg in viele Stadtteile gliedert, die sich sehr individuell sehen." Zweisprachige Stadtteil-Ortsschilder seien eine günstige und ästhetische Möglichkeit, Plattdeutsch in den Alltag zu rücken.

Um solche Ortsschilder zu verwirklichen, ist der Plattdeutschrat jedoch auf Mithilfe des Bezirks angewiesen. Der steht den dadurch entstehenden Kosten laut Hansen jedoch skeptisch gegenüber. Die Ortsschilder auf Finkenwerder kosteten jeweils rund 80 Euro. "Man muss die Schilder ja nicht sofort allesamt austauschen. Stattdessen könnte man ältere Schilder, die ohnehin erneuert werden müssen, durch zweisprachige Schilder ersetzen", schlägt Uwe Hansen vor.

Doch zurück nach Finkenwerder - wo Plattdeutsch eine Stellung wie in keinem anderen Stadtteil Hamburgs inne hat. Das liegt zum einen daran, dass Finkenwerder tatsächlich eine Insel ist und bis zum Ausbau asphaltierter Anbindungen recht abgeschottet in der Elbe lag. Außerdem gab es bis vor 30 Jahren keine weiterführende Schule auf Finkenwerder, weiß Uwe Hansen. Nur auf weiterführenden Schulen wurde Bildung anhand des Hochdeutschen vermittelt.

Diese Tatsache wurde der Regionalsprache später zum Verhängnis. Als Bildung für die meisten Norddeutschen zugänglich wurde, begann Plattdeutsch, als ungebildet zu gelten - und blieb eine Zeit lang verpönt. Eltern wollten ihren Kindern durch die Sprache der ländlichen Bevölkerung nicht die Zukunft verbauen. So entstand ein Vakuum.

Die damalige Generation kann ihren Kindern heute oft kein Platt mehr beibringen, weil sie es selbst nicht beherrscht. "Wir können nicht leugnen, dass die Zahl der Native-Speaker sinkt. Doch die Zahl der Interessenten - der Leser und Hörer - bleibt gleich. Vor allem in Hamburg gehört Plattdeutsch einfach irgendwie dazu", sagt Uwe Hansen.

Leider hat die Region es lange versäumt, Plattdeutsch dazugehören zu lassen. "Wenn man auf das Oktoberfest ohne Dirndl geht und Hochdeutsch spricht, wird man schief angeguckt. Hier ist es umgekehrt", sagt Carina Kaiser.

Um Plattdeutsch wieder dazugehören zu lassen, machen sich Vereine viele Gedanken. Die Sprache muss sich modern präsentieren im 21. Jahrhundert und darf nicht durch Pedanterie erstickt werden. "Wenn ein junger Mensch versucht, Platt zu reden, und durch einen Muttersprachler ausgelacht wird, traut er sich erst mal nicht mehr", sagt Klaus Voßberg, 1. Vorsitzender der Amateur-Theatergruppe "De Nedderdütsche". Leider beobachte er dieses kontraproduktive Verhalten viel zu häufig.

Die "Finkwarder Speeldeel" kann sich leisten, durch ihre moderne Art anzuecken. "Wir machen keine Folklore, sondern Pop-Folklore. Wenn wir zehnminütige Tänze auf der Bühne zeigen würden, würde uns keiner sehen wollen. Deshalb kürzen wir sie", erzählt Carina Kaiser. Vor allem bei alteingesessenen Plattsnackern stoße das nicht immer auf Gegenliebe.

Trotzdem kann sich der Süderelberaum nicht beschweren, zu wenige Initiativen zum Erhalt des Niederdeutschen zu haben. Mit Sandra Keck ist die Plattdeutsch-Szene Harburgs gar im renommierten Ohnsorg-Theater vertreten, welches oft Aufführungen auf der Bühne im Helms-Saal zeigt.

"Im Gegensatz zu anderen Bezirken wird in Harburg viel für das Plattdeutsche getan. Wenn überall so viel geschehen würde wie hier, stünde Plattdeutsch heute ganz anders da", meint Uwe Hansen.