Landessuperintendent Dieter Rathing ist zu Gast im Kirchenkreis Hittfeld. Die Kirche will sich vor Ort stärker engagieren.

Hittfeld. Vom Teebeutel bis zur Zukunft des Glaubens - wenn Dieter Rathing den Kirchenkreis Hittfeld besucht, kommen vielfältige Themen auf den Tisch. Zwei Wochen lang hat der Landessuperintendent des Sprengels Lüneburg in seiner Visitation mit Schulleitern der Region gesprochen, beim Fleestedter Posaunenchor vorbeigeschaut und sich ein Bild von großen Firmen wie der Ostfriesischen Teegesellschaft in Buchholz gemacht. Er hat beraten, gesprochen und zugehört, um die Stimmung der Basis zu erfassen.

Doch wie das mit der Basis nun mal ist, besteht sie aus vielen kleinen Einzelteilen. Beim Abschlussgespräch in der Hittfelder Superintendentur fällt es Dieter Rathing folglich nicht leicht, ein eindeutiges Resümee zu ziehen. Ja, wie sieht es denn nun aus, das Bild der evangelischen Kirche südlich von Hamburg? Rathing beginnt zunächst mit einem Lob. "Ich habe den Eindruck, dass der Kirchenkreis gut in die Öffentlichkeit ausstrahlt", sagt er. Das liege nicht zuletzt an der guten Arbeit des zuständigen Superintendenten Dirk Jäger und seines Teams.

Ihre Aufmerksamkeit richtet sich vor allem auf die rund 65.000 Mitglieder, die zu den insgesamt 18 Kirchengemeinden von Moisburg bis Meckelfeld gehören. Die Zahl entspricht im Gebiet des Kirchenkreises einem Anteil von 40 Prozent evangelisch-lutherischer Christen. "Auf die Landeskirche Hannover bezogen ist das relativ wenig", erklärt Rathing. Der Durchschnittswert betrage dort 60 Prozent. Zum Vergleich: Vor zehn Jahren lag die Zahl der Gemeindemitglieder im Kirchenkreis Hittfeld noch bei rund 72.000. Die Zahlen sinken kontinuierlich.

Dirk Jäger ist diese Entwicklung nicht erst seit gestern bekannt. "Viele Mitglieder sagen uns zum Beispiel, sie wollen die Gemeinde gerne vor Ort mit Spenden unterstützen, aber keine Kirchensteuer mehr zahlen." Die Positionen der Kirche in politischen Dingen wie etwa die Ablehnung der zunehmenden Ökonomisierung der Gesellschaft fänden sie gut, die Steuer hingegen nicht..

Für die evangelische Kirche bedeutet das, dass sie vor dem Problem steht, sich selbst zukünftig noch finanzieren zu können. Zu ihren Angeboten gehören Jugendsozialarbeit, Kindertagesstätten oder ambulante Pflegedienste. Dabei sind es gerade diese Angebote, mit denen die Kirche in der Vergangenheit in Verruf geraten ist - Jäger kommt auf das Thema Subsidiarität zu sprechen, also auf das Prinzip, dass gesellschaftliche Aufgaben nicht zuerst vom Staat, sondern eigenverantwortlich von gesellschaftlichen Gruppen ausgeführt werden sollen.

Wenn gesagt werde, die Kirche wolle an Kitas oder Altenheimen der Diakonie verdienen, werde verkannt, dass es eine staatliche Aufgabe sei, diese Angebote gegenzufinanzieren, erklärt der Superintendent. Man könne die Dumpingspirale nicht der Kirche anlasten, wenn der Staat seinen Verpflichtungen nicht nachkomme, sagt er. "Wir zahlen nach dem Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst." Auch andere Einrichtungen wie etwa die Arbeiterwohlfahrt hätten ähnliche Probleme, aber vor allem die Kirche rücke in den Fokus. "Vermutlich weil es keine Transparenz bei unseren Finanzen gibt", räumt er selbstkritisch ein. Seiner Meinung nach gibt es nur einen Weg für die evangelische Kirche, wie sie in Zukunft überhaupt bestehen kann: Sie muss ihre Arbeit vor Ort weiter ausbauen und an die Lebenswirklichkeit der Menschen andocken.

Nur so könne man das Image, um das es wie bei anderen Großorganisationen nicht gerade zum Besten bestellt sei, verbessern, sagt Jäger. Der Kirchenkreis Hittfeld plant deshalb, die Stelle eines Bildungsbeauftragten einzurichten, der die Freiwilligenangebote in den Gemeinden koordinieren soll. Ein anderes Beispiel ist der erfolgreiche Gottesdienst "Johannes 2.0" der Tostedter Konfirmanden - mit zeitlich beschränkten Redebeiträgen und einer Jugendband. 300 Besucher kamen.

"Wir wollen deutlich machen, dass der Glaube eine Relevanz im Leben hat", sagt Jäger. Viele Menschen litten zunehmend unter dem Druck in ihrem Privat- oder Arbeitsleben - da frage er sich, wann der Leidensdruck zu groß werde. Die große Chance der Kirche sei es, diesen Menschen, die nach Alternativen fragen, als lebendiges Beispiel eine Antwort zu geben, findet Jäger. Wenn man als "auskunftsfähiger Gesprächspartner mit Standpunkt" da sei, frage sich der Mensch gegenüber vielleicht, warum es einem so gut gehe - und setze sich so mit dem Glauben auseinander. Auch wenn er wisse, dass das am Ende nicht mit Masseneintritten in die Kirche zu belegen sei, könne das ein Weg sein.

Dieter Rathing drückt es noch einmal anders aus: "Wir tragen etwas durch die Zeit, das Menschen 2000 Jahre lang durch die Zeit getragen hat." Möglicherweise müsse man die Form immer wieder anpassen, aber die Inhalte blieben gleich. Er selbst trägt diese Sache mit, weil er davon überzeugt sei, sagt er. Nur leider dringe man mit der Botschaft, dass es zu ihrem Wohle ist, nicht immer zu den Menschen durch.