Theater-AG des Gymnasiums Meckelfeld bringt “Blütenträume“ von Lutz Hübner auf die Bühne. Eine tragisch-komische Geschichte des Scheiterns.

In seinem Job als Automechaniker ist Heinz Hansen bereits "stillgelegt". In der Liebe geht der Rentner noch einmal volles Risiko. "Ein Flirt ist wie eine Tablette", sagt er, "die Nebenwirkungen erfährt man erst später." Mit sechs anderen "Best-Agern" lernt der ergraute Macho an der Volkshochschule das Flirten. Die Theater-AG des Gymnasiums Meckelfeld inszeniert in der Regie von Edwin Hagemann das Stück "Blütenträume" von Lutz Hübner. Die Gruppe reifer Flirtschüler in dem Ü55-Kursus ist das Porträt der Silver-Sex-Generation.

Die unbeholfenen Flirtsimulationen provozieren natürlich Gelächter. Dennoch lässt sich "Blütenträume" nicht auf eine reine Komödie reduzieren. Das Stück ist gleichzeitig eine tragische Geschichte des Scheiterns. Das Hormonchaos steigert sich bis zur Faust im Gesicht des kritikunfähigen Kursleiters.

Menschen im Spätherbst ihres Lebens wagen zaghaft den Sprung ins Unbekannte, weil sie sich zu jung fühlen, Enten zu füttern. Die Flirtschüler bilden schließlich eine Wohngemeinschaft. Am Ende können die gestandenen Persönlichkeiten doch nicht aus ihrer Haut. Weil sie es nicht mehr gewohnt sind, zusammen zu leben. Lutz Hübner schreibt authentisch, setzt das Problem einer immer älter werdenden Gesellschaft in Szene. "Eine Komödie mit Tiefgang", sagt Spielleiter Edwin Hagemann. Im vergangenen Jahr hatte "Blütenträume" auf dem Spielplan des Ernst-Deutsch-Theaters in Hamburg gestanden.

Eine besondere Konstellation der Schultheater-Aufführung ist, dass 16 bis 18 Jahre alte Mimen Omas und Opas Gefühlswirrwarr spielen. "In Mimik und Gestik ist es eine Herausforderung für unsere Schauspieler, sich 40 Jahre älter zu machen", sagt Edwin Hagemann. Theaterfarbe verhilft den Haaren der männlichen Darsteller zu einem Silber-Grau. Die jungen Frauen des Ensembles behalten ihre natürliche Haarfarbe, weil auch weibliche Best-Ager ihre Haare tunen. Das größere Problem: 60-Jährige bewegen sich etwas langsamer als 18-Jährige. Aber auch nicht so schleppend, dass die jungen Schauspieler in Zeitlupe verfallen müssten. "Das authentisch rüberzubringen, ist schwierig", sagt der 61 Jahre alte Hagemann.

Der Regisseur lässt sein blutjunges Ensemble gleich in drei Mundarten agieren. Das sorgt für Komik und zeigt, dass die Ü55-Generation noch weniger globalisiert daherkommt. Daria Selenov, 17, spricht mit betont russischem Akzent, dehnt die Vokale ins Unendliche. Max Benning, 18, gockelt als pensionierter Schuldirektor auf Sächsisch. Und Gerrit Bornhöft, 18, interpretiert den Harburger Malocher Heinz Hansen so herrlich mit typisch lang gedehntem Hamburger Slang, dass sein Spiel als Parodie auf den Komiker Heinz Strunk ("Fleisch ist mein Gemüse") wirkt.

Zwei passen nicht in den Senioren-Stadl. Die Karrierefrau Julia, gespielt von der 16 Jahre Marie Schümann, lernt bei den grauen Wölfen das Flirten, weil der "40 plus"- Kursus abgesagt werden musste. Auch Kursusleiter Jan ist jünger, aber auch früher gescheitert. "Ich teile aus, stecke nicht ein", beschreibt Jan Schulz, 18, die gleichnamige Figur, die er auf der Bühne verkörpert. Ein gescheiterter Schauspieler, der seinen Traumberuf hatte und jetzt mit alten Säcken in der Volkshochschule sitzt.

Das Schauspiel am Gymnasium Meckelfeld hat Tradition. Angefangen hat alles im Dezember 1981 mit der Aufführung von Weihnachtsgeschichten. Seitdem leitet Edwin Hagemann die Theater-AG. Oft standen Klassiker auf dem Spielplan: "Der Kleine Prinz" von Antoine Saint-Exupery, "Andorra" von Max Frisch und immer wieder Shakespeare: "Ein Sommernachtsraum", "Was ihr wollt" und "Viel Lärm um nichts". Schüler in Meckelfeld können das Fach "Darstellendes Spiel" wählen.

Wie ernst das Schultheater seine Aufführungen nimmt, zeigt, dass sich das jeweilige Ensemble von Oberstufenschülern vor seinen Aufführungen stets zu einer drei Tage langen Intensivprobe in eine Jugendherberge bei Stade zurückzieht. In Zeiten des auf zwölf Jahre verkürzten Abiturs fällt Schülern das freiwillige Engagement auf der Bühne immer schwerer. "Der Schulalltag hat sich verändert", sagt Edwin Hagemann, " wir müssen mehr und mehr Wochenendproben machen."

Fantasievolle Bühnenbilder sind ein Merkmal des Schauspiels am Gymnasiums Meckelfeld. In der Regel haben sie Schüler der Kunst-Leistungskurse geschaffen. Vor zwei Jahren was es das Bild der Wolkenkratzerschlucht einer amerikanischen Großstadt für die Aufführung von "Die zwölf Geschworenen". Im vergangenen Jahr zimmerte eine Tischlerei eine aufwendige Holztürenkulisse für das turbulente Wechselspiel "Der nackte Wahnsinn".

In ihrem neuen Stück bricht das Meckelfelder Schultheater auf dem ersten Blick mit der Tradition, das Bühnenbild aus dem Vorjahr übertreffen zu müssen. Doch das ist nur materiell der Fall. In seiner Kreativität geht es neue Wege, setzt Abstraktion und Minimalismus als Stilmittel des Kulissenbaus ein. Das Stück spiele in einem nüchternen, langweiligen Unterrichtsraum einer Volkshochschule, sagt Edwin Hagemann. Das sei eine Herausforderung für jeden Bühnenbildner.

Die Meckelfelder lösen das Problem eines Raumes ohne jede Wohlfühlatmosphäre mit wechselnd auf eine weiße Leinwand projizierten Farben. Sie sind Ausdruck der jeweiligen Emotionen. Blau steht für eine aggressive Stimmung. Bei heißen Flirts leuchtet das Bühnenbild tiefrot. "Das dynamische Bühnenbild ist ein Experiment", sagt Edwin Hagemann, "wir werden ja sehen, wie das beim Publikum ankommt."

"Blütenträume" von Lutz Hübner in einer Inszenierung der Theater-AG Gymnasium Meckelfeld, Donnerstag, 7., und Freitag, 8. März, jeweils 19.30 Uhr, Gymnasium Meckelfeld (Forum), Appenstedter Weg 100, Eintritt: 3 Euro (Erwachsene), 2 Euro (Schüler).