Blumen-Reinhardt und Fleischerei Quast in Heimfeld haben neue Inhaber und können weiter bestehen. Anwohner sind zufrieden.

Heimfeld. Ein Stadtteil in Aufruhr: Nachdem Ende Mai 2012 bereits das traditionsreiche Südwaren- und Spirituosengeschäft von Marietta

Flottran in der Gazertstraße dicht gemacht hat, kursieren jetzt hartnäckige Gerüchte, auch Blumen-Reinhardt und die Fleischerei Quast stünden vor dem Aus, würden ihre Pforten für immer schließen. Was ist dran an dem Gemunkel? Ein Ortstermin.

"Dass diese beiden Geschäfte irgendwann nicht mehr da sein könnten, ist für mich einfach unvorstellbar", sagt Annemarie Leonhardt, die wir in der Meyerstraße treffen. Die 73-Jährige ist in dem Viertel aufgewachsen. Natürlich hat ihre Familie bei Reinhardt und Quast eingekauft, das war geradezu selbstverständlich.

Dass die Angst vor dem Verlust beliebter Einkaufsmöglichkeiten in unmittelbarer Nachbarschaft jetzt auch in dem alten Wohnquartier zwischen Heimfelder Straße und Haakestraße grassiert, kommt nicht von ungefähr. Zur Jahreswende hatte das Abendblatt die Leerstände in der Harburger City dokumentiert. Dort waren knapp 30 Läden verwaist, weitere zehn hatten ihre Geschäftsaufgabe fürs erste Quartal 2013 avisiert.

Die Heimfelder waren bislang stolz und glücklich, dass in ihrem Stadtteil noch viele kleine Geschäfte existieren, die so manchen Trip ins Harburger Zentrum ersparen. Mit den Inhabern war man zumeist per Du, weil man sie seit Jahrzehnten kannte und im Ernstfall auch mal anschreiben lassen konnte. Doch seit Marietta Flottran nach 31 Jahren Mitte vergangenen Jahres aufgab, schwand die Gewissheit, dass in der neuen Zeit tatsächlich noch Platz für alteingesessene Traditionsgeschäfte mit individueller Note ist.

Die Blumenbinderei von Irena Reinhardt an der Ecke Feldner-/Meyerstraße gilt vielen als solch ein beliebtes Relikt vergangener Tage. 1970 hatte die Familie ihr erstes Geschäft in der Meyerstraße 8 eröffnet, 1998 erfolgte der Wechsel in den Laden auf der anderen Straßenseite. Dreimal in der Woche ist die 64-Jährige mit ihrem zehn Jahre alten Peugeot Expert zum Hamburger Großmarkt in die Amsinckstraße gefahren, wo sie an bis zu 25 Ständen ihre Ware orderte. Doch die immer härtere Konkurrenz durchs Internet und die Baumärkte hinterließen ihre Spuren. Und so hatte sie im Abendblatt-Gespräch im Dezember 2011 bereits angekündigt: "Im Mai 2013 soll Schluss sein. Ich denke, einen Blumenladen wird es hier dann nicht mehr geben."

Nun hat sich Irena Reinhardt schon viel früher zurückgezogen. Der Blumenladen wird aber, anders als von ihr befürchtet, weiter existieren. Übernommen hat ihn zum 1. Januar Marina Yavsan, 34. Ihr Mann Orhan Cukurlu, ein Blumengroßhändler, hatte auf dem Großmarkt vom Rückzug Irena Reinhardts gehört. "Da haben wir nicht lange gezögert und schon vor dem Jahreswechsel Kontakt zu ihr aufgenommen", berichtet Marina Yavsan.

Anfang 2012 hatte die gelernte Bürokauffrau bereits den Blumenladen im Ernst-Bergeest-Weg 55 in Marmstorf übernommen. Der Erfolg und ihre Leidenschaft für Blumen haben Lust auf mehr gemacht. "Heimfeld ist ein schöner Stadtteil. Und als wir hörten, wie viele treue Kunden es hier gibt, war die Entscheidung rasch gefallen", sagt die gebürtige Weißrussin.

Sehr zur Freude von Monika Prion und Sabine Pahl. Die beiden Floristinnen waren bereits in großer Sorge um ihre Jobs. Dass es für die beiden nun an alter Wirkungsstätte weiter geht, freut nicht nur sie. "Als unsere Stammkunden davon erfuhren, waren sie natürlich sehr erleichtert. Viele haben uns spontan gratuliert und nicht selten hörten wir ein ,Gott sei Dank' der Erleichterung", so Sabine Pahl.

Ähnlich schnell und reibungslos erfolgte auch der Wechsel in der Fleischerei Quast, keine 100 Meter die Meyerstraße rauf. Seit 1907 gibt es hier nicht nur Wurst und Fleisch, sondern eine Stimmung fast wie auf dem Jahrmarkt. Die wartenden Kunden quatschen und lachen - man kennt sich eben. Das war schon so, als hinterm Tresen noch das Ehepaar Thielmann stand. Und das hat sich auch nicht geändert, seit Regina Woelk das Geschäft am 1. Januar übernahm.

Für die 45-Jährige ist es eine Art Heimkehr. "Vor 20 Jahren habe ich hier mal für zwei Jahre als Verkäuferin gearbeitet. Ich bin dem Laden aber als Kundin treu geblieben, habe dort immer Wurst und Fleisch für meine Eltern eingekauft", berichtet Regina Woelk: "Als ich dann hörte, dass Matthias Thielmann aus gesundheitlichen Gründen aufhören muss, stand mein Entschluss fest."

Übernommen hat die Buchholzerin nicht nur das traditionsreiche Geschäft. Auch viele Rezepte und die Lieferanten ihres Vorgängers. "Viele Stammkunden kommen ja, weil sie die Qualität der Ware und bestimmte Produkte so schätzen", sagt Regina Woelk, die bereits 2005 ihre Meisterprüfung abgelegt hatte. Angebotsklassiker wie Leberwurst, Aufschnitt, Wiener und Leberkäse stellt sie denn auch selbst her. Und auch neue, eigene Kreationen wie eine Pfeffer-Lyoner, Spießbraten und gepökeltes Rindfleisch.

Zu einem echten Renner habe sich derweil ihr Lachsbraten mit Kräuterrand entwickelt. "Weil wir auch großen Wert auf einen abwechslungsreichen Mittagstisch legen, haben wir schon viele neue Kunden gewonnen", sagt "Gina" Woelk, die den Laden mit ihrer besten Freundin Stefanie schmeißt, die sie schon aus Jugendtagen kennt. Beide sind aber noch auf der Suche nach einer engagierten Mitstreiterin "auf Abruf".

Dass die engagierte Fleischersfrau auch über eine gesunde Portion Humor verfügt, bewies sie in ihrem Businessplan. Auf die Frage, was denn ihre größte Sorge für die nächsten Jahre sein, antwortete sie schriftlich: "Dass alle Kunden plötzlich Vegetarier werden." Trotz Pferdefleisch-"Skandal" ist davon in Heimfeld allerdings eher nicht auszugehen.