Bauunternehmer Manfred Petersen ersteigerte Grund und Boden in Höckel. Bauen darf er dort aber nicht.

Ein Baugrundstück, das keines ist, aber genauso viel kostet - und zudem jede Menge juristischer Ärger: Manfred Petersen fühlt sich von Gericht, Gemeinde und Gutachter schlecht informiert. Im März vergangenen Jahres erwarb der Bauunternehmer aus Bendestorf beim dritten Versteigerungstermin für 35.000 Euro ein unbebautes Grundstück am Ginsterring 6 in Höckel. Die Pläne schon in der Tasche, wollte der 72-Jährige dort seinen Alterswohnsitz errichten. Doch dann erfuhr er, dass er gar kein Wegerecht besitzt. Und ohne das ist ein Hausbau praktisch unmöglich.

"1986 Quadratmeter Fläche, ein unbebautes Grundstück in ansprechender Wohnlage mit weitläufiger Bebauung von Ein- und Zweifamilienhäusern, provisionsfrei" - so pries ein Makler das zur Zwangsversteigerung freigegebene Flurstück 25/34 in Höckel auf seiner Homepage an. Hansjoachim Kanitz, ein von der Industrie- und Handelskammer Lüneburg-Wolfsburg öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger, schätzte den Wert der Fläche auf 77.000 Euro. In seinem Gutachten ist zu lesen, dass laut der 1. Änderung und Ergänzung des Bebauungsplans Nr. 3 "Flidderberg" je vollendete 1500 Quadratmeter Grundstücksfläche höchstens eine Wohnung zulässig sei. Kanitz kommt zu dem Schluss, dass somit eine Bebauung mit einem Einzelwohnhaus mit 80 bis 90 Quadratmetern Wohnfläche denkbar wäre.

Eine Zufahrt, heißt es weiter, ist nicht über die Bundesstraße möglich, sondern nur über den Flidderberg und den unbefestigten Ginsterring. Und genau das ist die Krux: Denn der Ginsterring ist als Privatweg nicht für den öffentlichen Verkehr freigegeben. Eine Erschließung des Grundstücks ist somit nicht möglich. "Leider hat mich darüber im Vorfeld aber niemand informiert. Ich habe sowohl von der Baubehörde des Landkreises als auch vom Rechtspfleger Reinert gesagt bekommen, dass es eigentlich keine Probleme geben dürfte", behauptet Manfred Petersen.

Auch der hohe Kaufpreis sei für ihn ein eindeutiges Indiz dafür gewesen, dass es sich bei der Freifläche um Bauland handelt. "Für eine heruntergekommene Wiese mit Birken und Büschen hätte ich sicherlich nicht so viel Geld ausgegeben", betont der 72-Jährige.

Nach der Kaufabwicklung und einer Anzahlung von 7700 Euro an das Amtsgericht Tostedt stellte sich die Sache plötzlich ganz anders dar: Ein abschlägiger Bescheid des Landkreises Harburg landete auf Petersens Tisch. "Ein Wegerecht stehe dem Bauherrn nicht zu und kann auch nicht eingeräumt werden", teilte die zuständige Sachbearbeiterin der Baubehörde mit. Justizoberinspektor Reinert streitet ab, das Grundstück als Baugrundstück angepriesen zu haben; eine von Petersen eingeleitete Dienstaufsichtsbeschwerde gegen den Rechtspfleger wies der Direktor des Amtsgerichts ab. Pittelkow erklärte in einem Schreiben dazu, dass "in keinem Verfahrensstadium und von keinem Beteiligten versichert worden ist, dass die Zuwegung zu dem in Frage stehenden Grundstück gesichert ist. Eine solche Zusicherung findet sich weder in dem Gutachten des Sachverständigen Kanitz noch ist eine Zusicherung von Herrn Reinert gegeben worden. Mit dem Hinweis darauf, dass eine Zufahrt zu dem Grundstück über den Ginsterring möglich sei und der Feststellung, dass die Herbeiführung von Plansicherheit nicht Gegenstand des Gutachtens sei, sind dem Bietinteressenten alle notwendigen Informationen mitgeteilt worden."

Reinert selbst äußert sich nicht zur Sache. Auch Kanitz gab auf Nachfrage des Abendblattes zum Gutachten und auf die Frage, warum zu dem Gutachten nicht auch eine Plansicherheit gehört, keinerlei Auskünfte. Melanie Sutoris, Referentin Recht und Fair Play der IHK, wird da schon deutlicher: "Wenn eine Bewertung eines Grundstückes vorliegt, sollte man sich als Käufer auch darauf verlassen können. Unsere Sachverständigen sind deshalb angehalten, sich alle notwendigen Informationen zu beschaffen, um ein stimmiges Urteil abzugeben." Dazu zähle beispielsweise ein Vor-Ort-Termin, bei dem alle wichtigen Informationen zusammengetragen würden, die im Idealfall dann zu einer eindeutigen und verlässlichen Bewertung führten. Beschwerden darüber, dass der Wert einer Immobilie oder eines Grundstücks zu hoch geschätzt wurde, sind übrigens selten. "Meistens beklagen die Besitzer, dass der emotionale Wert nicht berücksichtigt wird", sagt Sutoris.

Der Direktor des Tostedter Amtsgerichtes betont allerdings, dass die Ausführungen des Sachverständigen eindeutig und allemal verständlich gewesen seien. "Die Aufgabe des Gutachters lautete: Stellen Sie den Wert des Grundstücks fest. Es ist weder unsere noch die Aufgabe des Sachverständigen, Plansicherheit zu gewährleisten. Jeder, der etwas kaufen möchte, hat alle Möglichkeiten, sich im Vorfeld umfassend zu informieren", sagt Pittelkow.

Letzte Chance für Manfred Petersen: die sogenannte Baulasterklärung, ein Nachweis des Miteigentums oder die Eintragung eines Wegerechts. Der Bendestorfer wandte sich daraufhin an den Bürgermeister der Gemeinde Handeloh, Heinrich Richter, und den Samtgemeindebürgermeister Dirk Bostelmann. "Die Sache wurde sogar öffentlich im Gemeinderat diskutiert", sagt Petersen. Doch die Politiker beschlossen mit sieben zu sechs Stimmen, dem Bauherrn kein Wegerecht einzuräumen. "Mir wurde vorgeworfen, ich wolle nur spekulieren und wäre an einer privaten Nutzung des Grundstücks überhaupt nicht interessiert. Außerdem solle sich dort wertvoller Baumbestand befinden. Das stimmt aber nicht. Außer ein paar Büschen und Birken ist da nix. Und auch das Argument der drohenden Zersiedlung ist Blödsinn."

Petersen reichte deshalb im Januar eine Verpflichtungsklage gegen die Gemeinde ein. Nun scheint tatsächlich Bewegung in die Sache zu kommen. Die Gemeinde strebt einen Vergleich an. Handelohs Bürgermeister Heinrich Richter erklärt, dass der Gemeinderat im Dezember noch der Auffassung gewesen sei, Petersen könne in diesem Fall "nicht besser behandelt werden als die Vorbesitzer", die auf dem Grundstück ebenfalls nicht bauen durften. "Und nach meinen Informationen muss Herr Petersen durchaus von der Problematik gewusst haben. Er ist als Bauunternehmer ja auch vom Fach und sollte so etwas einschätzen können", sagt Richter.

Nichtsdestotrotz sei die Gemeinde nun bemüht, eine Regelung zu finden und dem Bendestorfer "auf irgendeine Weise eine Erschließung seines Grundstücks zu ermöglichen." Das sei zwar politisch noch nicht beschlossen. "Aber nach dem, was ich bis jetzt gehört habe, ist die Mehrheit des Rates an einer einvernehmlichen Einigung interessiert." Die Abstimmung darüber findet am 14. März in der öffentlichen Sitzung des Gemeinderates statt.