Eine Hundegruppe der Johanniter-Unfallhilfe besucht Demenzkranke in Marmstorf in der Tagespflege.

Marmstorf . "Wir werden immer sehnsüchtig erwartet. Alle schauen aus dem Fenster und winken, wenn wir kommen", erzählt Sonja Eikhof. Die Leiterin der "Hunde im Besuchsdienst" des Harburger Regionalverbandes der Johanniter-Unfallhilfe freut sich sichtlich über die gute Annahme des neuen Projekts. Seit Januar 2011 besucht sie regelmäßig mit einzelnen ihrer insgesamt zwölf ausgebildeten Hunde, die von zehn Betreuern geführt werden, an Demenz erkrankte Senioren. Die Patienten der Tagespflegeeinrichtung "Haus am Feuerteich" in Marmstorf werden von den vierbeinigen Therapeuten, die zur Begrüßung vor Freude jaulen, ebenso ungeduldig erwartet.

Für ihre Besuche in Schulen und Pflegeheimen werden Sonja Eikhof und ihre ehrenamtlichen Mitstreiterinnen Jutta Truckenboldt-Baron und Heidrun Buchholz nicht bezahlt. Allerdings kommt die Hilfsorganisation des Johanniterordens für die Kosten des Hundeführerscheins und die Dienstkleidung auf. Besonders gut geeignet für die spielerische Arbeit mit Kindern und Senioren sind die sogenannten Elos. Das ist eine Mischung der Rassen Eurasier, Bobtail und Chow-Chow. Mit ihrem ruhigen Gemüt haben sie Spaß daran, sich von fremden Menschen streicheln und füttern zu lassen. Sie gehen voll in ihrer Arbeit auf.

Doch nicht jeder Elo ist für diese Aufgabe geeignet. "Erst wird geprüft, ob der Hund lernfreudig und geduldig ist und keine Berührungsängste hat", sagt Jutta Truckenboldt-Baron. Die Übungsleiterin der Hundeschule Winsen weiter: "Auch wenn wir den Menschen gern helfen, steht an erster Stelle immer das Wohl des Hundes." Die trainierten Streicheltiere müssen auch dann die Ruhe bewahren, wenn sie einer der Besuchten etwas zu eng in den Arm nimmt. Nach den Besuchen wird das Verhalten der Hunde von den Betreuern daher genau beobachtet und in einem Protokoll festgehalten. Meistens sind die Hunde nach ihren Spieleinsätzen sehr ausgelassen und nicht gewillt, "Feierabend" zu machen.

Sprichwörtlich "schnuppern" können junge Hunde bei den Besuchen ab einem Alter von acht Monaten. Nach dem Dienst in der "Junghundegruppe" müssen sie ein Jahr später die zweite Stufe der Begleithundeprüfung des Verbands für das deutsche Hundewesen bestehen. Zur Vorbereitung darf jedes geprüfte Team aus Hund und Mensch bei ihren Besuchseinsätzen ein ungeprüftes Duo mitnehmen. Die verschiedenen Einrichtungen besuchen die Teams im Abstand von zwei Wochen. "Das Tolle daran ist, dass die Hunde sich auch nach längerer Zeit sofort wieder an die Umgebung erinnern", freut sich Heidrun Buchholz. "Wir können daran anknüpfen, wo wir letztes Mal aufgehört haben", so die 42 Jahre alte Physiotherapeutin weiter.

Doch noch viel mehr als die Hunde gehen die Patienten während der Besuchszeit auf. Die in einem Kreis sitzenden knapp 20 Senioren sprechen plötzlich miteinander, kommentieren das Geschehen und reagieren ganz spontan auf das Verhalten der Hunde. Zwei ältere Damen beginnen wie junge Mädchen zu kichern. Wenig später applaudiert die gesamte Seniorengruppe, als der fünfjährige Elo Couerby über ein Hindernis springt. Das alles sind soziale Eigenschaften, welche die meisten der Senioren schon seit langer Zeit in sich versteckt hielten. Den Hunden gelingt es aber mit viel Vertrauen und Geduld, sie wieder an die Oberfläche zu bringen. Der treue Hundeblick zaubert auch denjenigen Zweibeinern ein Lächeln ins Gesicht, die zuvor noch große Angst vor den Tieren hatten. Manchmal fangen Menschen, bei denen man die Hoffnung schon fast aufgegeben hätte, in der Anwesenheit der Hunde nach langer Zeit wieder an, zu sprechen. Die vierbeinigen Therapeuten merken gar nicht, wie sehr sie ihren Spielpartnern helfen. Für die Hunde macht es keinen Unterschied, ob jemand krank oder gesund ist, alt oder jung. Der Spaß und die positive Stimmung in der Gruppe wird von den Tieren genau so wahrgenommen wie von den Demenzkranken, sagt Physiotherapeutin Sonja Eikhof.

"Ein wesentliches Anzeichen von Demenz ist es, dass der Verstand nachlässt, die Gefühle aber erhalten bleiben", so Eikhof weiter. "Durch die Hunde empfinden die Erkrankten wieder Fürsorge und Zuneigung. Für eine gewisse Zeit vergessen sie zu vergessen und beginnen, sich wieder zu erinnern." Am Anfang des Besuchs zeigt ein älterer Mann auf sein Namensschild und fragt, warum dieser Name auf seinem Schild stehe. Er wirkt verwirrt und abwesend. Nachdem Jutta Truckenboldt-Barons fünfjährige Hündin Heidi ihm zum Abschied "Pfötchen gegeben" hat, ist er wie verwandelt. Er lächelt sogar.

Der 86-jährige Kay Brockmeyer aus Marmstorf erzählt, dass er früher einen Wolfshund namens Sherito besaß, der seiner Familie während des Zweiten Weltkrieges ein Reh riss, und sie so einige Tage vor dem Hunger schützte. Gerne hätte er auch jetzt wieder einen Hund. Da das jetzt leider nicht mehr möglich ist, freut er sich umso mehr auf die Besucherteams. Lächelnd erklärt er: "Jetzt habe ich wenigstens einen Hund, der mir zu einem Viertel gehört. Das ist doch auch schön." Kay Brockmeyer spricht klar und überlegt. Es ist jedoch zu erkennen, dass dem 86-Jährigen der Umgang mit Hunden sehr viel leichter fällt als mit Menschen. Da kann er spontaner und befreiter sein.

"Neben dem Spaß mit den Hunden sind es natürlich auch die Menschen, die uns ans Herz wachsen", berichtet Sonja Eikhof. Die Gründerin der Harburger Besuchshundegruppe weiter: "Wenn jemand plötzlich nicht mehr da ist, ist die entstandene Lücke deutlich zu merken." Dann seien es mal wieder die treuen Vierbeiner, die Trost spendeten. Diese Dienstleistung will die Johanniter-Unfallhilfe künftig im gesamten Landkreis und Bezirk Harburg anbieten. Aktuell werden interessierte Pflegeeinrichtungen in und um Winsen gesucht.