Senioren betreuen Kinder berufstätiger Eltern an mehreren Tagen pro Woche.

Stelle. "Das ist ein Oma- und Opa-Hilfsdienst!", sagt Gerhard Lenz resolut lächelnd mit der dreijährigen Franziska auf dem Arm. Er ist einer von drei Opas im Kinderbetreuungsnetzwerk "Oma-Hilfsdienst", in dem auch kinderfreundliche Männer sehr willkommen sind. Gerhard Lenz und seine Frau Karin gehören bereits seit mehreren Jahren zu der aktuell 35 ehrenamtliche Mitarbeiter zählenden Initiative. Gemeinsam betreut das Ehepaar in ihrer Winsener Nachbarschaft sechs Kinder in drei Familien. Beim gemeinsamen Spielen und Vorlesen aus einem Bilderbuch nennt ihr Schützling Franziska die beiden Rentner liebevoll "Omi" und "Opi".

Nun spricht die "Oberoma", wie sich Marina Lemmermann augenzwinkernd selbst nennt, von einer Notsituation. Denn die Organisatorin der Einsätze in jungen Familien im gesamten Landkreis Harburg muss derzeit immer wieder Interessenten enttäuschen. Besonders betroffen seien drei Familien, die eine dauerhafte Betreuung an bis zu vier Tagen pro Woche benötigten. "Oft geht es nur um ein oder zwei Stunden", sagt Lemmermann. "In vielen Fällen ist der Zeitraum zwischen Kindergarten- oder Schulschluss und Feierabend nicht verlässlich abgedeckt", so die pensionierte Sozialpädagogin aus Stelle. Die siebenfache Großmutter weiß: "Insbesondere für alleinerziehende Eltern kann die Arbeit im Schichtdienst außerordentlich belastend sein."

Regionale Schwerpunkte bei der Suche nach neuen Omas und Opas sind die Gemeinde Seevetal und die Stadt Buchholz. Um im Notfall spontan zur Stelle sein zu können, sollten die freiwilligen Helfer in der Nähe ihrer Schützlinge wohnen. Noch wichtiger als der nahe gelegene Wohnort sei, dass die Helfer zu regelmäßigen Zeiten einspringen können. Diesen wichtigen Dienst für Eltern, die entweder alleinerziehend oder beide berufstätig sind, übernehmen in klassischen Familien die Großeltern. Vielen Zugezogenen, die aus beruflichen Gründen in den Landkreis Harburg gekommen sind, sind diese großfamiliären Wurzeln allerdings gekappt. Um dem steigenden Bedarf an bezahlbarer Kinderbetreuung zu begegnen, gründete Oberoma Marina Lemmermann vor sieben Jahren ihre kleine Hilfsorganisation.

Sie geht vom Bild sozial engagierter Senioren aus, die den Generationenvertrag modernisieren. "Wir sitzen nicht mehr vorm Ofen und warten auf Beschäftigung", sagt die 66-jährige Initiatorin. "Man muss selbst aktiv werden." Die stetige Entwicklung des Oma-Hilfsdienstes beweist die Aktivität der knapp drei Dutzend Mitglieder. Sie kümmern sich in ihrer Freizeit um insgesamt knapp 60 Jungen und Mädchen im Alter zwischen zwei Wochen und zwölf Jahren. Ebenso werden körperlich oder geistig behinderte Kinder im Landkreis Harburg betreut.

Die Leihomas und -opas springen nicht nur bei Notfällen in die Bresche, wenn das Kind zum Beispiel wegen einer ansteckenden Krankheit nicht in die Kita oder Schule kann und darf oder die Tagesmutter Urlaub hat. Der Oma-Hilfsdienst bietet auch Einsätze als klassische Babysitter an. Sie sollen den Eltern eine Auszeit ermöglichen, um sich bei einem Kinobesuch oder Treffen mit Freunden erholen können. Als Gegenleistung für die so gewonnene Freizeit zahlen die Eltern den Helfern einen Stundenlohn von etwa fünf Euro. Der Oma-Hilfsdienst wurde als Unterstützung für gestresste Eltern mit geringem Einkommen gegründet und ist deshalb auch für Menschen in Notlagen weiterhin kostenfrei.

"Wir wollen wertvolle Zeit mit den Kindern verbringen, aber nicht ausgenutzt werden", erklärt Karin Heitbaum. Die 60-Jährige aus Winsen behütet drei Jungen und drei Mädchen in vier Familien und will von den Eltern weder als Ersatz einer Tagesmutter noch als Fahrdienst angesehen werden. "Anstatt meine Zeit mit Daily-Soaps zu vergeuden, kann ich mich doch an diesem guten Zweck erfreuen." Ihre Mitstreiterin Gerda Reincke betont: "Ich habe so viel Schönes erlebt, was sonst nicht möglich gewesen wäre."

Die Winsener Leihoma von fünf Kindern in vier Familien weiter: "Mit der Zeit wurde ich als zweite Oma adoptiert. Jetzt bin ich Oma Gerda!" Wie ihre Kollegen kann auch "Oma Gerda" die Betreuung nicht ganz von der Erziehung der Kinder trennen. "Man muss liebevoll und konsequent sein", sagt sie. Ausgesucht wurde die Leihoma bei einem "Vorstellungsgespräch" in einer gemütlichen Kennlernrunde in der Familie. "Dort entscheidet das Kind, ob sie die neue Oma leiden mag oder nicht", sagt Gerda Reincke. "Kinder haben dafür einen sehr feinen Draht. Sie merken intuitiv, ob die Chemie zwischen uns stimmt oder nicht."

Das nächste Treffen der Engagierten im Oma-Hilfsdienst findet am Mittwoch, 6. März, um 10 Uhr statt. Interessierte sind eingeladen zu dem Gespräch im Steller Wohnhaus von Marina Lemmermann am Hans-Eidig-Weg 23 in Stelle zu kommen. Weitere Informationen und telefonische Anmeldung bitte unter der Telefonnummer 04174/14 06.