Die Faslams-Parade wurde von mehr als 25.000 Zuschauern entlang der Strecke zum Winsener Rathaus begeistert gefeiert.

Stöckte/Winsen. Wer hätte das gedacht. Der Norden ist dem Westen in Sachen Karneval zeitlich mindestens eine Wagenlänge voraus. Während im Rheinland erst heute, am Rosenmontag, die Kamellen von den Umzugswagen fliegen, haben die Jecken von Stöckte schon gestern, am Sonntag, die Massen mit ihrer Faslams-Parade fröhlich gestimmt. Hier wurden mit Rufen "Eins, zwei - Faslaaaam" und "Drei, vier - Faslaaaam!" neben Süßigkeiten auch Obst, Gemüse und Blumen an die Umherstehenden verteilt.

Zwar hielt sich das Thermometer um den Gefrierpunkt, aber zum Glück regnete es nicht wie vor einem Jahr, sondern die Sonne ließ sich blicken. Und so jubelten mehr als 25.000 Menschen entlang der knapp fünf Kilometer langen Umzugsstrecke zwischen dem Stöckter Deich und dem Winsener Rathaus den bunt kostümierten Narren auf ihren prächtig dekorierten Umzugswagen entgegen. Viele Zuschauer kommen aus dem Großraum Hamburg und nutzen das wie immer von den Stöckter Faslamsbrüdern organisierte Spektakel für einen ausgiebigen Sonntagsausflug.

21 sogenannte Themenwagen stellten sich diesmal der Jury zur Bewertung, darunter das Segelschulschiff "Gorch Fock - Wir segeln wieder" der Baugruppe Ehlers oder der hitverdächtige Themenwagen "Traum von Amsterdam" der Baugruppe Riege. Riesig auch: Hundert Jahre Biene Maja, oder 40 Jahre AC DC oder 15 Jahre Büttenwarder. Im Gefolge befanden sich auch sieben Gastwagen aus den Ortschaften Hoopte, Laßrönne, Hanstedt, Tönnhausen, Rottorf, Hunden und Ashausen. 105 Juroren beurteilten die Themenwagen. Morgen, am Dienstag, wird die Siegergruppe um 20 Uhr beim Festball in Sievers Gasthaus prämiert. Etwa 180 Euro gibt es. Das reicht für eine Runde zum Anstoßen.

"Wir haben seit vergangenen November an unserem Traum von Amsterdam gearbeitet", sagt Fabian Brügmann von der Baugruppe Riege. Der Name der Baugruppe richtet sich immer nach dem Eigentümer, auf dessen Grundstück der Wagen zusammengebaut wird. 25 Männer und Frauen zählt die Gruppe. Die Männer beschäftigen sich zumeist mit Holz- und Metallarbeiten, die Frauen schneidern die Kostüme. Fabian Brügmann, 26, und sein Bruder Kai, 21, sind beide Zimmerleute und im Holzbau versiert. Aus dem Nachbarort Hoopte sorgte Malergeselle Björn Müller für ein tolles "Frau-Antje-Motiv" auf einem Käselaib.

Faslam - die norddeutsche Form des Karnevals - hat schon mehr als 60 Jahre Tradition in dem 2000-Seelen-Ort Stöckte. Der Faslamsbrauch geht nach den Worten von Sebastian Behr, dem ersten Vorsitzenden der Faslamsbrüder Stöckte, in die Zeit zurück, als Knechte und Mägde einen Tag im Jahr arbeitsfrei hatten. Und diesen Tag nutzten sie zum Schnorren. 1949, nach dem Krieg, ließen Bewohner von Stöckte das Schnorren wieder aufleben. Für die Schnorrer, die an die Tür klopften, gaben die Bewohner Eier, Wurst und gelegentlich auch Schnaps. Daraus entwickelten sich im Laufe der Jahre die närrischen Faslamsumzüge, zuerst durch den Ort, seit mehr als 20 Jahren bis vor das Winsener Rathaus und zurück.

Jenny Sommer, Sprecherin der Faslamsbrüderschaft, sagt, dass sich alle Bewohner beteiligen und dass bis zur letzten Minute vor dem Start des Umzugs noch an den Wagen oder den Kostümen Hand angelegt werde, damit nichts schief geht. "Die Tage vor dem Umzug nimmt die Aufgeregtheit bei allen zu", sagt sie, das sei ein wunderbares Erlebnis.

Und dann geht es los. Bereits vor dem eigentlichen Start um 12 Uhr rollen die Wagen auf dem Querweg in Position, die Korken knallen, die kostümierten Jecken verlieren ihre Anspannung, tanzen, was das Zeug hält. Und die Lautsprecher von den Umzugwagen können - was die Lautstärke angeht - locker mit jeder Diskothek aus der Gegend mithalten. Da schallt der Rhythmus, bei dem jeder mit muss, um jede Häuserecke und weit über die Felder. An der Spitze des Umzugs allerdings, da herrscht weitgehend Ruhe. Da sitzen in offener Pferdekutsche drei Hauptpersonen der Faslamsbrüderschaft: Faslamsvadder Michael Twesten und Faslamsmudder Thomas Hornig und der erste Vorsitzende Sebastian Behr.

Die Fahrt über die schmalen Deiche mit voll dekorierte Treckern und Anhängern verlangt Übersicht und Fingerspitzengefühl. Vor dem Rathaus in Winsen herrscht das dichteste Gedränge, und es geht nur noch im Schritttempo vorwärts.