Unsittlich berührt. Buxtehuder Jugendgericht glaubt Pflegetochter und verhängt Bewährungsstrafe für Sozialpädagogen

Buxtehude/Ahlerstedt. Mit diesem Urteil war offensichtlich niemand im bis auf den letzten Platz besetzten Gerichtssaal zufrieden. Entrüstetes Raunen im Publikum, zu dem zahlreiche Ahlerstedter gehörten, Fassungslosigkeit beim Angeklagten und der bitterböse Blick mit unwilligem Kopfschütteln der Klägerin, die ihren Pflegevater, wie mehrfach von ihr geäußert, hinter Gitter sehen wollte, begleiteten die Urteilsverkündung.

Das Buxtehuder Jugendschöffengericht unter Vorsitz von Richterin Nora Sielbeck verurteilte den 43-jährigen Sozialpädagogen Frank J. wegen sexuellem Missbrauchs seiner Pflegetochter Vanessa W.* (Name von der Redaktion geändert) zu einem Jahr und neun Monaten Haft. Die Strafe wurde zur Bewährung auf drei Jahre ausgesetzt. In den Anklagepunkten der Körperverletzung und des sexuellem Missbrauchs eines sechsjährigen Pflegekindes aus Gambia wurde der Angeklagte freigesprochen.

Damit blieb das Gericht deutlich unter dem Antrag der Staatsanwältin Inken Vonnahme, die dreieinhalb Jahre Haft gefordert hatte und folgte auch nicht dem Antrag der Verteidiger, die auf Freispruch plädiert hatten. Richterin und Schöffen schenkten den Aussagen der selbstbewussten, attraktiven, heute 19-jährigen Klägerin weitgehend Glauben, obwohl auch ihre Motive für bewusste Falschaussage und Rache gesehen wurden. Die unsittlichen Berührungen ihres Ziehvaters vor etwa vier Jahren waren der jungen Frau mit den dunklen Locken wieder in den Sinn gekommen, nachdem ihre Pflegefamilie Vanessa wegen anhaltender Streitereien und anmaßender Einmischung in die Erziehungsarbeit der Eltern und Erzieher den Auszug aus der Lebensgemeinschaft in Ahlerstedt nahegelegt hatten.

Der Sozialpädagoge betrieb dort auf dem großzügigen Familienanwesen mit seiner Ehefrau und weiteren Erziehern in Zusammenarbeit mit der Hamburger Jugendhilfe und Jugendämtern eine Einrichtung, die Pflegekinder aus gewalttätigen Problemfamilien in Obhut nahm. Auch Vanessa kam mit drei Jahren als erstes Pflegekind und wurde wie die drei eigenen Kinder in die Familie eingeschlossen. Sie nannte die Pflegeeltern Mama und Papa und habe ihren Vater als Idol gesehen, bis es zum Zerwürfnis und Vanessas Auszug kam.

In seinem Schlusswort nach den Plädoyers erklärte Frank J., dass er in diesem Prozess gelernt habe, "wie schwer es ist, sich gegen solche Anschuldigungen zu wehren" und wie sie das Lebenswerk des Pädagogenehepaares zerstört hätten. Und J. sagte, "die erhobenen Tatvorwürfe sind falsch und menschlich besonders bitter, da sie von der Pflegetochter, die uns lieb wie ein eigenes Kind war, erhoben wurden".

Vanessa hat mit diesem Urteil ihr vor Gericht und vielfach in der Öffentlichkeit geäußertes Ziel erreicht. "Ich will, dass alle wissen wie schlecht meine Pflegeeltern sind, dass sie nie wieder Kinder anvertraut bekommen und büßen müssen." Auch wenn Frank J. vom Gericht sein hohes sozialpädagogisches Engagement für Kinder in Not zugutegehalten wurde und keiner der in 22 Verhandlungstagen gehörten 27 Zeugen körperliche Gewalt gegen die anvertrauten Kinder bestätigte, ihm das soziale Umfeld Anerkennung für seine Arbeit mit den Kindern bescheinigte, so wurde doch die Betriebserlaubnis für den Kinderhof mit Pferden und Tieren, Schwimmteich und Sauna entzogen. Das für die Kinder und deren Freunde, Nachbarn und Bekannte aus der dörflichen Gemeinschaft, Eltern der Pflegekinder stets offene Haus ist nun leer und Frank J. erwerbslos.

Richterin Sielbeck sah bei ihm keine pädophile Neigung, möglicherweise sei er Vanessas sexueller Anziehung erlegen, als sie Zuwendung einforderte. Ähnlich akribisch wie die Verteidiger Kathrin Schulz und Wolf Römmig hatte auch das Gericht alle Indizien, die von der Klägerseite ausgespart wurden, und alle Zeugenaussagen analysiert. Ausschlaggebend für ihr Urteil war der Sachverständige Andreas Schachermeier, der Vanessa Glaubwürdigkeit bescheinigte. Die Verteidiger sahen im ihrer Meinung nach "windelweichen Gutachten" eklatante Mängel. Zu den Glaubhaftigkeitskriterien befragt, sagte Schachermeier, dass er nicht beweispflichtig sei, nur Hypothesen prüfe. "Ich war nicht dabei, kann nicht beurteilen, ob es stimmt."