Der Kirchenkreis Hittfeld veranstaltete einen Aktionstag in der Tradition der französischen Glaubensgemeinschaft.

Handeloh. Die schwere Holztür der Nikodemus-Kirche schwingt langsam auf und lässt einen immer größeren Lichtschein auf die dunkle Handeloher Kirchenstaße fallen. Auch der Schall vom Gesang aus mehr als 100 Kehlen dringt immer deutlicher nach draußen: "Dona nobis Domine, dona nobis pacem" (Herr, gib uns Frieden). Auf den Lippen haben dieses Abschlusslied jeder Glaubensfeier, die in der Tradition der aus dem französischen Ort Taizé stammenden Gemeinschaft ausgerichtet wird, vom Gefühl der Ausgeglichenheit und Harmonie ergriffene Besucher eines ganz besonderen Gottesdienstes in der Region.

Einmal im Jahr veranstaltet der Kirchenkreis Hittfeld einen Taizé-Tag, dieses Mal fand er am Sonnabend in Handeloh statt. Vier Stunden vor dem Gottesdienst als Höhepunkt des Aktionstags, lud Kreiskantorin Wiebke Corleis Interessierte zum Einüben der mehrstimmigen Lieder ein. Gesungen wurden sie später mit Begleitung eines sechsköpfigen Projektensembles aus einer Solosängerin, einer Pianistin und einer Geigenspielerin sowie drei Musikerinnen an Quer-, Alt- und Tenorflöte. Ihr unterstützendes Spiel steigerte sich von leise zu laut, um unterschiedliche Stimmungen zu erzeugen.

"Charakteristisch für die lateinischen, französischen und deutschsprachigen Lieder sind die immer wieder wiederholten Gesänge kurzer Textpassagen mit zentralen Glaubensaussagen", sagt Kirchenmusikerin Corleis, die in Tostedt mehrere Chöre leitet. "Die eher meditativen Taizé-Gottesdienste geben ihren Besuchern das Gefühl, Zeit zu haben." Einen wichtigen Beitrag zum entstehenden Gefühl der Ruhe und inneren Gelassenheit der Teilnehmer leisten auch die mehrminütigen Phasen von Stille. Sie selbst war zwar noch nie in der Heimat der sakralen Klänge, die wie heilsamer Balsam für die Seele wirken, will das aber möglichst bald nachholen.

Die sich stets wiederholenden Musikstücke und das Licht flackernder Kerzen ermöglicht den Gottesdienstbesuchern die volle Konzentration auf ihre innere Stimme. Dieses Gefühl der Einkehr fasziniert seit nunmehr sieben Jahrzehnten junge Christen aus ganz Europa. "Ich war mit 20 Jahren das erste Mal in Taizé und fahre seitdem beinahe jährlich dorthin", sagt der 50-jährige Karlheinz Kämpker aus Tostedt. "Und vor 25 Jahren habe ich meine Frau Anja beim Europäischen Jugendtreffen der Communauté de Taizé kennengelernt." Seit dieser Begegnung teilen die heutigen Ehepartner aus der Nordheide miteinander ihre Begeisterung für die in der zentralfranzösischen Region Burgund beheimatete Glaubensgemeinschaft. Ihre nächste Reise nach Taizé ist für den Sommer bereits fest geplant. Die Fahrt ins benachbarte Handeloh war für sie daher selbstverständlich. Außergewöhnlich ist viel eher, dass die beiden engagierten Mitglieder der katholischen Kirchengemeinde Heilig Herz-Jesu den dortigen evangelischen Gottesdienst besuchten.

"Der Taizé-Gedanke bringt die Konfessionen zusammen", sagt Wolfgang Heitmann, Pastor in Bendestorf. "Diese Gemeinschaft versteht sich als Versöhnungskirche, nicht nur von Katholiken und Protestanten, sondern in ihrer Entstehungsphase während des Zweiten Weltkriegs auch von Franzosen und Deutschen." Heute umfasst die im Jahr 1949 von Frère Roger Schutz gegründete Communauté mehr als 100 Brüder aus verschiedenen Konfessionen und mehr als 25 Nationen. Vor allem ihre Demut hat Heitmann tief beeindruckt. "Ich habe erst in Taizé das Beten gelernt", sagt er nachdenklich. Seit seiner Pilgerreise nach Frankreich legt er sich am Buß- und Bettag und Karfreitag vor der Gemeinde auf den Kirchenboden. "Das Seufzen der ganzen Schöpfung steigt dann in mir auf", beschreibt er sein Gefühl. Die Besucher seiner Gottesdienste habe die Geste zuerst sehr verwundert.

Der kurz vor seinem Ruhestand stehende Bendestorfer Pastor zelebrierte am Sonnabend den letzten Gottesdienst eines Taizé-Tages. Der Kirchenkreis Hittfeld hatte in diesem Jahr das Thema Licht in den Mittelpunkt gestellt. Wiebke Corleis hatte dazu unter anderem den Liedtext "Im Dunkel unserer Nacht entzünde das Feuer, das nie mehr erlöscht" ausgewählt. Symbolisch folgten diesem Aufruf die rund 100 Gottesdienstbesucher. Sie trugen eine kleine Kerze, die sie an der Flamme der Taufkerze im Altarraum der Nikodemus-Kirche entzündeten, mit der Handfläche geschützt aus der Tür in das regnerische Winterwetter.

Zu ökumenischen Andachten mit Liedern und Gebeten aus Taizé lädt regelmäßig auch die Evangelische Kirchengemeinde für Meckelfeld, Over und Bullenhausen ein. Sie sollen am Sonntagabend dazu dienen, zur Ruhe zu kommen und gut in die Woche zu starten. Die nächsten beiden Veranstaltungen am 17. Februar und 17. März beginnen jeweils um 18 Uhr im Meckelfelder Gemeindehaus, Glockenstraße 3.