Der Landkreis Harburg beteiligt sich am Projekt einheitliche Rufnummer für Behörden. Ein Besuch in der Telefonzentrale der Kreisverwaltung.

Winsen. "Kann ich bei Ihnen das Guthaben der Prepaidkarte meines Handys aufladen?", lautete die Frage des ersten Anrufers, den Susanne Pagels in der Leitung hatte. Seit einer Woche hilft sie mit zwei weiteren Telefonistinnen Bürgern, die sich an die neue einheitliche Rufnummer für alle Behörden im Landkreis Harburg wenden. Bei dem regionalen Service-Team für die Telefonnummer 115 landen aber auch Anrufer, die 1157 gewählt haben, der Service-Hotline des Mobilfunkanbieters Aldi Talk. "Die Service-Hotline von Aldi Talk ist aus dem Festnetz über 0177/177 11 57 erreichbar", heißt es auf einem Formblatt, das sich die Telefonistinnen jetzt für solche Fälle sekundenschnell auf dem Flachbildschirm ihres Computers aufrufen können.

Auch ungewöhnliche Informationen wie die richtige Nummer für Aldis Mobilfunkkunden zu recherchieren, ist Aufgabe von Lutz Blanck. Er arbeitet in einem Nebenraum des kommunalen Callcenters, das in einem Geschäftshaus an der Winsener Rathausstraße untergebracht ist. "Wissensmanagement ist ein laufender Prozess, bei dem anfangs viel Aufbauarbeit zu leisten ist", sagt der Verwaltungsmitarbeiter. Eine andere überraschende Anfrage einer Frau aus der Samtgemeinde Elbmarsch bereitete Blanck Rechercheaufwand in Fragen der Schädlingsbekämpfung. Auf die besorgte Meldung, eine Ratte im eigenen Keller entdeckt zu haben, bekommen die Telefonistinnen jetzt auf Knopfdruck die Kontaktdaten lokaler Kammerjäger.

"Die meisten Anrufer wollen aber ganz Banales wissen wie Öffnungszeiten von Ämtern oder welche Dokumente sie für bestimmte Anträge mitbringen müssen", sagt Helfried Huch. "Wir wollen solche einfach mit Standardinformationen zu beantwortende Anfragen aus dem täglichen Aufkommen herausziehen", so der Leiter des zentralen Telefondienstes weiter. Damit sollten die Experten in den Fachabteilungen des Winsener Kreishauses nicht ersetzt, sondern entlastet werden. "Bei komplizierten Fällen stellen wir die Anrufe direkt zum zuständigen Sachbearbeiter durch." Von den Fachabteilungen soll es innerhalb von 24 Stunden eine Rückmeldung geben.

Ein weiterer Bestandteil des Qualitätsversprechens, das mit der neuen Behördenrufnummer verbunden ist, lautet Kontakt innerhalb von 30 Sekunden. Länger in der Warteschleife darf laut einer internen Vorgabe für die bundeseinheitliche Telefonnummer höchstens ein Fünftel der Anrufer bleiben. Um nicht noch länger warten zu müssen, werden die Telefonate bei überlasteten Leitungen umgeleitet. "Aber nicht auf eine Pazifikinsel", wie Harburgs Landrat Joachim Bordt bei der offiziellen Freigabe der neuen Nummer vor einer Woche scherzhaft sagte. Kooperationspartner des Landkreises Harburg ist die Stadt Oldenburg, in deren Callcenter unbeantwortete Anrufe aus der Winsener Rathausstraße landen.

Niedersachsen ist eines von vier Bundesländern, die dem Verbund der bundeseinheitlichen Behördenrufnummer nicht flächendeckend beigetreten sind. Um den zentralen Telefonservice für Gemeinde-, Landkreis-, Landes- und Bundesbehörden zu finanzieren, tragen der Bund und die teilnehmenden Länder jeweils die Hälfte der Kosten. Für den Landkreis Harburg führt der neue Service nicht zu höheren Ausgaben. Für den Telefondienst waren auch bisher Verwaltungsmitarbeiter abgestellt, und die von ihnen bediente Technik war sowieso sanierungsbedürftig.

So wie neben Niedersachsen auch die Länder Bayern, Brandenburg und Thüringen beim Telefonservice eigene Wege gehen, nimmt im Landkreis Harburg die Gemeinde Seevetal eine Sonderstellung ein. Sie war bereits im vorigen Jahr als einzige Kommune im Landkreis Harburg dem 115-Verbund beigetreten. Die Anrufe aus Seevetal landeten in dem mit mehr als 100 Mitarbeitern besetzten Callcenter des benachbarten Stadtstaats Hamburg in Wandsbek. Andere Umlandgemeinden entschieden sich gegen das Angebot, die 115-Anrufe für 1,50 Euro pro Minute nach Hamburg umzuleiten.

Dass die Anrufer bei überlasteten Leitungen jetzt einen Verwaltungsmitarbeiter in Oldenburg erreichen, stellt für Wolf-Egbert Rosenzweig kein Problem dar. "Die Telefonisten greifen jeweils auf dieselbe Datenbank zu", so der Bürgermeister der Gemeinde Neu Wulmstorf. Von den 22 Anrufen, die am ersten Tag nach der Freischaltung unter 115 eingingen, wurden fünf nach Oldenburg geschaltet. Die einheitliche Behördenrufnummer wird trotz möglicher Weiterleitung immer zum Ortstarif abgerechnet. Mit entsprechendem Vertrag bei einem Telefonanbieter ist sie darüber hinaus flatratefähig. Anrufer, die eigentlich ihr Guthabenkonto bei Aldi Talk aufladen wollen, müssen in der Regel also zumindest keine Gebühren für ihr fehlgeleitetes Telefonat nach Winsen zahlen.