Storytellerin Gail Rosen erzählt Schülern die Geschichte einer Jüdin, die die Hölle überlebte

Harburg. Wer Gail Rosen erlebt hat, braucht keine Angst zu haben, dass die Geschichten der Holocaust-Überlebenden mit ihrem Tod verschwinden. Gail Rosen aus Maryland (USA) ist Storytellerin. Am Immanuel-Kant-Gymnasium (IKG) erzählte die Amerikanerin jetzt die Geschichte der deutschen Jüdin Hilda Stern-Cohen, die als Teenager das Ghetto in Lodz, das Konzentrationslager Auschwitz und den Todesmarsch überlebte, nach Amerika auswanderte und 1997 an Krebs starb.

Rosen versteht es meisterhaft, ihre Zuhörer an die von ihr erzählte Geschichte zu fesseln, ohne während ihres mehr als zweistündigen Vortrags überflüssige Längen zu produzieren oder gar ins Theatralische abzudriften. Mit einer klaren und deswegen so eindrucksvollen Sprache zeichnet die Amerikanerin den Lebensweg eines jungen Menschennach, der durch die Hölle gegangen ist, ohne den Glauben, ohne die Liebe zur deutschen Sprache zu verlieren.

Übersetzt und begleitet wurde Rosen Gail auf der Bühne des Marmstorfer Gymnasiums von Martin Dronsfeld und der IKG-Schülerin Urte Begemann. Die Schülerin las Gedichte von Hilda Stern-Cohen, die sie in ihrer Zeit in Lodz und Auschwitz geschrieben hatte, und die erst nach ihrem Tod von ihrem Mann gefunden wurden.

Im Wechsel zwischen Ich-Form und dritter Person erzählt Gail von Hildas Kindheit und früher Jugend. Als Tochter eines angesehenen Viehhändlers kommt das Mädchen in dem kleinen hessischen Dorf Nieder-Ohmen zur Welt. Hilda und ihre jüngere Schwester sind, trotz ihres jüdischen Glaubens, einfach Dorfkinder wie alle anderen. Sie werden gut behandelt, die Familie ist angesehen. Doch 1933, die Nazis ergreifen in Deutschland die Macht, ändert sich für Hilda das Leben.

Ein Jahr später muss das Mädchen, inzwischen ein Teenager, an eine Schule nach Würzburg wechseln. Hildas Beziehung zu ihrem Glauben festigt sich auf dieser Schule für angehende jüdische Lehrer.

Gefühlvoll inszeniert, ergänzen sich Storytellerin, Übersetzer und Vorleserin. Urte Begemann liest die Gedichte vor, die Hilda im Ghetto und im KZ geschrieben hat. Gedichte, die das Mädchen zum Überleben braucht, Gedichte, die von Hildas literarischem Talent zeugen. Hilda und ihre Schwester überleben Auschwitz und den Todesmarsch, während die übrige Familie ihr Leben verliert. "Hilda überlebt, aber mit Bildern in ihrer Seele, die sich so tief eingebrannt haben, wie die Nummer, die in ihren Arm tätowiert wurde", sagt Gail Rosen.

Die Amerikanerin traf Hilda Stern-Cohen kurz vor deren Tod bei einer Lesung. "Hilda sagte zu mir, ich solle ihre Geschichte erzählen. Und ich tue das, weil es immer Leute gibt, die wollen, dass andere Menschen glauben, es habe nie einen Holocaust gegeben. Ich möchte, dass ihr wisst, dass diese Geschichte wahr ist", sagt Gail Rosen den Schülern, die ihr zugehört haben. Ihren Vortrag hält sie anlässlich des Holocaust-Gedenktages am 27. Januar, dem Befreiungstag des KZ Auschwitz vor 68 Jahren, an mehreren Schulen in Hamburg. Das Projekt wird von der Hansestadt unterstützt.