Der Kassenleiter von Hanstedt veruntreute 125.000 Euro und überwies Geld an eine Internetbekanntschaft. Zwei Jahre Haft auf Bewährung.

Winsen/Hanstedt . Was seine sexuelle Orientierung betrifft, ist Daniel P. ganz offen. Er ist "interessiert an: Männern" schreibt der 35-Jährige auf seiner Facebook-Seite. 439 "Freunde" hat er im weltgrößten "sozialen Netzwerk". Sie posieren teilweise in eindeutigen Posen und kommen aus der ganzen Welt: aus Algerien, Bangladesch, Brasilien, Indien, Kolumbien, dem Libanon, Pakistan und den USA.

Zwei junge "Freunde" aus Gambia sind Daniel P. jetzt zum Verhängnis geworden. "Wir haben uns beim Chatten kennengelernt", sagt Daniel P. an diesem Nachmittag im Saal 214 des Winsener Amtsgerichts. "In einen der Männer, einen 18-Jährigen, habe ich mich verguckt. Den wollte ich nach Deutschland holen."

Aber der Gambier dachte gar nicht daran, nach Deutschland zu kommen. Er wollte nur eines: Daniel P.s Geld. "Please send us money!", hieß es nach ein paar Wochen der Internet-"Freundschaft". Einmal hieß es, die Mutter müsse operiert werden, ein anderes Mal hieß es, die Familie musste aus dem Haus ausziehen und eine neue Bleibe suchen.

Daniel P. ließ sich ködern: Er überwies Geld via Western Union und MoneyGram nach Gambia. Binnen vier Monaten kamen 115.000 Euro zusammen.

So viel Geld hatte der 35-Jährige nicht auf seinem Konto. Beruflich aber hatte er viel mit Geld zu tun: Er war seit November 2009 Kassenleiter der Samtgemeinde Hanstedt und verdiente rund 38.000 Euro brutto im Jahr.

Um die "Freundschaft" zu den Gambiern aufrecht zu erhalten, kam Daniel P. auf eine schlechte Idee: Er zapfte die Kasse und die Konten der Samtgemeinde an. Von Februar bis Juni 2012 erleichterte der Verwaltungsfachangestellte seinen Arbeitgeber so um insgesamt 125.000 Euro. Mal waren es 102 Euro, die er auf sein Konto bei der Sparkasse Harburg-Buxtehude oder bei der Postbank Frankfurt am Main überwies, mal waren es gar 20.000 Euro. Allein am 8. Mai transferierte P. 19.000 Euro, zwei Tage später die 20.000 Euro.

Amtsrichterin Dr. Lidia Mumm blickt den Angeklagten streng an: "Das sind ja irre Summen. Ihr Vorgehen ist überhaupt nicht nachvollziehbar. Es ist mir völlig schleierhaft - sie sind doch kein Idiot. Es muss Ihnen doch klar gewesen sein, dass die da etwas schief läuft und dass die beiden Afrikaner das nicht ernst meinen." - "Dass das alles mal auffliegen würde, war klar", sagt der Angeklagte mit leiser Stimme. "Ich weiß nicht, was mich da geritten hat."

Die Staatsanwältin sagt, es wundere sie, dass Daniel P. ohne Limit von A nach B überweisen konnte. Dessen Anwalt Jan Langhans sagt, P.s zeichnungsberechtigte Kollegen hätten "einfach einen Kringel" unter dessen Auszahlungsanweisungen gemacht. "Es wurde ihnen ja nicht gerade schwer gemacht", bilanziert die Staatsanwältin. "Wenn die Samtgemeinde das mit etwas mehr Bedacht geregelt hätte, wäre es ihnen nicht so einfach gefallen."

Niemand habe in Hanstedt gefragt, wohin das Geld gehe, sagt Advokat Langhans. "Wenn das das Vieraugenprinzip war, na dann 'Gute Nacht!' Ich hoffe die Samtgemeinde hat aus diesen Vorgängen gelernt."

Ans Licht kam Daniel P.s Vergehen schließlich doch: Seiner Vertreterin war bei einer routinemäßigen Prüfung eine ungewöhnliche Buchung aufgefallen. Die Verwaltung recherchierte weiter - und entdeckte 18 Fälle, bei denen der Kassenleiter die 125.000 Euro bei Seite geschafft hatte. Der Personalchef und die Kämmerin fuhren sofort zu Daniel P. nach Scheeßel. "Wir haben große Scheiße entdeckt", eröffnete der Personalchef dem Kassenleiter. "Hast Du die Kündigung dabei?", gab Daniel P. gleich klein bei. "Die Hormone sind eine Triebfeder, die auch intelligente Menschen bisweilen nicht ausblenden können" - mit diesen Worten erklärte Anwalt Langhans das Fehlverhalten seines Mandanten. "Mein Mandant war vor der Internetbekanntschaft mit den beiden Männern aus Gambia lange einsam gewesen."

Die Staatsanwältin vermutet, Daniel P. sei "blind vor Liebe" gewesen. "Letztendlich haben sie sich von den beiden Männern immer wieder überreden lassen, Geld zu überweisen. Da der Angeklagte aber "nicht der klassische Betrüger" sei und keine Vorstrafen habe, fordert sie eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren auf Bewährung. So lautet auch das Urteil der Richterin. Sie spricht von einer "psychischen Hörigkeit" des Verurteilten. Der nimmt das Urteil an und will in Zukunft "notfalls auch Klos putzen".