Hullnst, Makensbrook, Starsbeek - die Gemeinde Hollenstedt will ihre Ortsnamen jetzt auch auf Plattdeutsch präsentieren.

Hollenstedt. Wo Ortstafeln ausgetauscht werden, erfahren Besucher seit einigen Jahren immer öfter auch die plattdeutsche Bezeichnung des Ortes, in dem sie sich gerade befinden. In Niedersachsen ist das seit zehn Jahren gängige Praxis. Auf Hamburger Gebiet wurden vor zwei Jahren erstmals in Finkenwerder neue Schilder mit dem plattdeutschen Zusatz "Finkwarder" angebracht. Im Landkreis Harburg stellte Ölstorf (Samtgemeinde Salzhausen) 2007 das erste zweisprachige Schild auf. Künftig ist auch in der Gemeinde Hollenstedt am Ortseingang und Ortsausgang zu lesen, wie die Dörfer im niederdeutschen Volksmund genannt werden.

Die Mitglieder des Gemeinderates sprachen sich auf der jüngsten Sitzung einstimmig für eine zweisprachige Ortsbeschilderung in allen Gemeindeteilen aus. Und auch die Namen, die auf die neuen Tafeln gedruckt werden sollen, stehen bereits fest: "Hullnst" für Hollenstedt, "Makensbrook" für Ochtmannsbruch, "Starsbeek" für Staersbeck, "Wosbossel" für Wohlesbostel und "Emm" für Emmen. Alle Bezeichnungen sind entweder in Dokumenten historisch überliefert oder vor Ort sozusagen "in aller Munde". Die Verkehrsbehörde des Landkreises Harburg hat das Vorhaben abgesegnet. Hollenstedts Bürgermeister Jürgen Böhme rechnet mit etwa 200 Euro Kosten für jedes neu aufgestellte Schild. "Wenn wir Sponsoren finden, werden wir das Projekt noch in diesem Jahr abschließen können", sagt Böhme. Mit einem verhältnismäßig geringen finanziellen Aufwand werde so die plattdeutsche Sprache wieder ins Bewusstsein der Bevölkerung gerufen.

"Für wenig Geld kaufen sich die Bürger damit ein kleines Stück überlieferte Identität", sagt Dr. Reinhard Goltz, Geschäftsführer des Instituts für niederdeutsche Sprache in Bremen. Wer eine zweisprachige Ortsbeschilderung anstrebt, bekommt es früher oder später mit dem Sprachexperten zu tun. "Das ist zwar nicht gesetzlich vorgeschrieben, aber wir bieten den Bürgern gern unsere Hilfe an. Und die wird regelmäßig in Anspruch genommen", sagt Goltz.

Liegt ein Vorschlag auf seinem Tisch, schaut er zunächst, ob der Wunschname Sinn macht - wie beispielsweise "Bookholt" für Buchholz, weil es eine Eins-zu-eins-Übersetzung des Ortsnamens ist. Oder ob es belastbare historische Dokumente gibt, die den plattdeutschen Begriff belegen. Wenn beispielsweise die Neu Wulmstorfer behaupteten, der Ort sei von den alteingesessenen Einwohnern immer "Vosshusen" genannt worden, dann müssten sie das glaubhaft beweisen. "Wer mich davon überzeugt, dass ein Name seit Jahren im Sprachgebrauch fest verankert und von der Bevölkerung akzeptiert ist, hat gute Chancen, dass ich mich darauf einlasse", sagt der Bremer.

Was allerdings nicht geht, sei die Verwendung von sogenannten "Juxnamen". "Der gehört natürlich nicht auf ein Ortsschild. Wenn die Finkenwerder Einwohner beispielsweise Fietendörp hätten auf ihr Schild schreiben wollen, dann hätte die halbe Welt gelacht und ich sicher mein Veto eingelegt. Das Projekt sollte schon mit einer gewissen Ernsthaftigkeit betrieben werden", betont Goltz.

Doch auch dann ist es nicht immer einfach, die richtige Schreibweise zu finden. Denn anders als im Hochdeutschen gibt es in der niederdeutschen Schrift kein "verbindliches" Regelwerk, sondern vielmehr zahlreiche regionale Varianten. "Auf Platt schreiben viele immer noch, wie sie wollen. So setzt man eigentlich keine Apostrophen. Aber es gibt berechtigte Ausnahmen", sagt Goltz. Wie bei "Hu'e" für Fischer- oder Ritterhude beispielsweise. "Ohne das Apostroph würden sich viele sicherlich an einen asiatischen Namen erinnert fühlen, ihn vielleicht sogar völlig falsch aussprechen."

Dass die Bürger bei der korrekten plattdeutschen Namensfindung oft recht empfindlich auf die Anmerkungen des Bremer Experten reagierten, habe sich schon des Öfteren gezeigt. "Seit zwei Jahren werden mancherorts richtige Grabenkriege ausgetragen. Es ist erschreckend, mit welchen Knüppeln die einzelnen Parteien da aufeinander losgehen. Und in zwei aktuellen Fällen aus Niedersachsen sieht es nicht gut aus. Da glaube ich nicht mehr an eine Einigung. Aber das ist glücklicherweise eher die Ausnahme. Die meisten freuen sich auf die zweisprachige Ortsbeschilderung. Und das ist ja auch wirklich eine tolle Sache."

Leiser Widerstand regt sich auf den letzten Metern nun auch in Hollenstedt. Denn Dr. Heinz Harms, Vorstandsmitglied des Vereins För Platt, hat im "Lüneburger Wörterbuch" aus dem Jahr 1942 entdeckt, dass der Verfasser Professor Dr. Eduard Kück Hollenstedt als "Hulnst" in die Schrift aufgenommen hat. "Die von der Gemeinde bei uns eingereichte Schreibweise mit zwei L ist aber deshalb nicht verkehrt", sagt Dr. Reinhard Goltz. "Professor Kück hat eine sehr eigenwillige Schreibform verfolgt. Die alten Wörterbücher sind für uns keine Instanz, was die Rechtschreibung betrifft." Sein Ratschlag: "Man sollte die plattdeutsche Variante an der aktuellen hochdeutschen Schreibweise anlehnen. Damit sie auch für Menschen von außerhalb verständlich ist."