Schauspieler Jens Wawrczeck spricht über das Stück “Vier Männer im Nebel“, das heute Harburg-Premiere hat

Am Harburger Theater wird der Hamburger Schauspieler Jens Wawrczeck so richtig nass gemacht. Der 49-Jährige spielt einen Manager, der mit dem Boot kentert und zusammen mit drei Kollegen auf einer einsamen Insel strandet. Das Stück "Vier Männer im Nebel" läuft am Donnerstag, 10. Januar, an. Das Abendblatt sprach mit Jens Wawrczeck über den komischen Horrortrip, Badewannen hinter der Bühne und den Ruhm als Detektivstimme.

Hamburger Abendblatt:

Nichts zu essen. Nichts zu trinken. Ohne Handy. Was passiert, wenn vier Manager allein auf einer Insel stranden?

Jens Wawrczeck:

In dem Stück "Vier Männer im Nebel" kentern Manager mit dem Boot. Dabei sollten sie sich doch in einem gruppendynamischen Training beweisen. Auf der Insel entsteht Krieg zwischen den Männern, weil sie heillos überfordert sind. Sie schämen sich, weil sie als Gruppe versagt haben. Und weil sie ihr Versagen zugeben müssen. Ihr Männlichkeitsbild ist ins Wanken geraten. Das macht sie verletzlich.

Manager irgendwo abseits der Zivilisation. Statussymbole sind hier nichts wert. Eine Versuchsanordnung, die ungeheuer lustig klingt...

Wawrczeck:

Für die Zuschauer ist es amüsant. Aber für die vier ist es eine Tragödie. Aus den vier Gestrandeten werden ganz schnell skurrile Figuren. Ihre Kleidung ist weg, die Fassade bricht weg, die Hierarchien funktionieren nicht mehr.

Sie spielen den Neville, der bei einem Getränkekonzern im mittleren Management sitzt. Was ist er für ein Charakter?

Wawrczeck:

Die Kollegen im Boot haben ihn zum Kapitän gewählt. Neville ist sehr konfliktscheu. Er ist Familienvater, hat zwei Töchter, und er steht unter der Fuchtel seiner Frauen. Auf der Insel fühlt er sich verantwortlich für das Stimmungsbarometer. Dadurch löst er Spannungen aus. Die Herausforderung für mich auf der Bühne ist, die Form dieser Figur zu wahren. Ich darf nicht mithalten mit den emotionalen Explosionen der anderen.

Dabei hätten Sie ja allen Grund zu explodieren. Ich meine, ihr Regisseur macht Sie ja richtig nass...

Wawrczeck:

Michael Bogdanov ist ein Regisseur, der bei dieser Inszenierung nichts angedeutet haben möchte, sondern einen, ich nenne es mal Naturalismus pflegt. Das bedeutet, wir Schauspieler tun nicht nur so als ob wir aus dem Wasser kämen, sondern gehen komplett nass auf die Bühne. Dazu legen wir uns vor der Vorstellung einer nach dem anderen in eine mit Wasser gefüllte Zinkbadewanne und lassen uns durchweichen. Die Rollen in "Vier Männer im Nebel" verlangen vollen körperlichen Einsatz.

Als Michael Bogdanov Ihnen zum ersten Mal seine Idee unterbreitete, das Ensemble durchgeweicht auf die Bühne zu schicken - haben Sie gedacht, er scherze?

Wawrczeck:

Ich konnte mir nicht denken, wie das funktionieren soll. Ich fragte mich: Bekommen wir eine Dusche eingebaut? Die Wanne ist sehr groß. Ich habe gehört, der Backstage-Bereich am Harburger Theater soll sehr klein sein...

Sie kennen viele Theaterbühnen in Hamburg. In Harburg haben Sie noch nicht gespielt. Was erwarten Sie dort?

Wawrczeck:

Meine Erfahrung ist, dass das Publikum in den Außenbezirken Hamburgs weniger satt wirkt. Ich freue mich auf das Publikum in Harburg. Ich bin gespannt, wie es reagiert.

Sie spielen nicht nur Theater. Sie haben in der Fernseh-Sitcom "King of Queens" den Schauspieler Patton Oswalt synchronisiert. Auch in der deutschen Fassung der US-Serie "Arrested Development" haben Sie einem Schauspieler ihre Stimme gegeben.

Wawrczeck:

Ich habe mich sehr vielseitig aufgestellt, mache Hörbücher, Hörspiele, Synchronregie. Was das Synchronsprechen angeht: Ich finde es absurd, dass heute so ein Wirbel darum gemacht wird, dass jemand "die deutsche Stimme von" sei. Ein Schauspieler sollte darauf achten, nicht ausschließlich zu einem Papageienkünstler zu werden, der etwas nachplappert, was andere gespielt haben.

Als Sprecher der Hörspielreihe "Die drei ???" sind Sie ein Star...

Wawrczeck:

In Hörspielproduktionen leihe ich nicht nur einem anderen meine Stimme. Ich bin die Stimme, interpretiere die Rolle. Ich spiele von Anfang an seit 1978 in der Hörspielserie "Die drei ???" mit und spreche in allen Folgen den Detektiv Peter Shaw. Insgesamt 40 Millionen Tonträger dieses Hörspielklassikers wurden verkauft. Damit sind wir erfolgreicher als eine Popgruppe. Aber das macht nur einen Teil meiner Arbeit aus. Für "Die drei ???" bin ich etwa zehn Tage im Jahr im Studio.

Was ist beruflich Ihre größte Leidenschaft?

Wawrczeck:

Ein Herzensprojekt ist meine eigene Hörbuch-Edition Audoba. Damit mache ich Literatur hörbar, die meiner Meinung nach zu Unrecht aus den Bücherregalen verschwunden ist. Meine neueste Veröffentlichung ist "Der Mieter" von Roland Topor. Und ich freue mich, dass es beim WDR bereits Hörbuch des Monats geworden ist.

"Vier Männer im Nebel" von Tim Firth, Regie: Michael Bogdanov, bis 19. Januar, Harburger Theater, Museumsplatz 2, Eintritt: 15 bis 29 Euro, Kartentelefon: 040/428 71 36 04.